Waldgeflüster - Knochengesänge Cover

WALDGEFLÜSTER: Knochengesänge

„Knochengesänge“ ist ein stimmiges, homogen konzipiertes Album, das inmitten seiner melancholischen Soundkulissen viele berührende Momente hat, aber auch Muster erkennen lässt.

Man stirbt zweimal, sagt man. Einmal, wenn man aufhört zu atmen, und das zweite Mal, wenn jemand deinen Namen zum letzten Mal erwähnt. Es ist ein bisschen ironisch, dass dieses Zitat gleich einer ganzen Reihe von Personen der Menschheitsgeschichte zugeschrieben wird, verdeutlicht aber auch, wie essentiell dieser Gedanke für unser Dasein ist. Was bleibt, wenn wir nicht mehr hier sind? Können wir der eigenen Vergänglichkeit beruhigten Gewissens ins Auge sehen, sofern wir uns unseres Vermächtnisses sicher sind?

Diese Fragen stellen auch WALDGEFLÜSTER, deren passend betiteltes „Knochengesänge“ zum Innehalten einlädt. Ist unser Schaffen zum Vergessen verdammt? Verklingen unsere Lieder nicht irgendwann ohnehin im Wind? Lebt zumindest ein Teil von uns in der nächsten Generation weiter? Die definitiven Antworten hat Mastermind Winterherz natürlich nicht, doch entdeckt der Sänger im Hadern mit der eigenen Existenz durchaus auch Quellen, aus denen man Kraft schöpfen kann.

Was WALDGEFLÜSTER auszeichnet, sind ihre melancholischen Soundkulissen

Wobei „Krähenpsalme“ zunächst ein pessimistisches Bild zeichnet, vom Verlust der Lebensfreude, der Ziellosigkeit des eigenen Daseins, die musikalisch in gewohnter Manier umgesetzt wurde. Was WALDGEFLÜSTER auszeichnet, sind die Soundkulissen ihres atmosphärischen Black Metals, wo Akustikgitarren dezent die rabiaten Passagen bereichern und uns wundervolle Melodiebögen in Nachdenklichkeit versinken lassen. Das gelingt der Formation auch hier mittels eines melancholischen Finales, das mit fatalistischer Perspektive die Arme nach oben reißt.

Generell zeichnet die Lyrik auf „Knochengesänge“ bittersüße Bilder, deren Metaphern hier und da durchaus Raum für Interpretation lassen. Die einzige Ausnahme ist das sehr schnörkellos formulierte „Bamberg, 20. Juni“, wo Winterherz einen intimen Einblick in einen persönlichen Verlust gibt. Hier ist besonders zu spüren, wie nahe dem Frontmann die inhaltliche Seite des Albums geht, obgleich gerade hier die emotionale Bindung für Außenstehende aufgrund der direkten Adressierung an einen verstorbenen Gefährten womöglich schwerer zu überbrücken ist.

„Knochengesänge“ hat berührende Momente, lässt aber auch ein Muster erkennen

Universeller ist natürlich die eingangs diskutierte Thematik, die gesondert im Titeltrack zum Tragen kommt. Die melancholische Note des Stücks erinnert dabei an das PANOPTICON-Cover „The Pit“ der Vorgänger-EP „Unter Bronzenen Kronen“ (2023), wobei die Eigenkomposition natürlich öfter auf klassisches Black-Metal-Vokabular zurückgreift.

Frostig und rabiat zeigt sich außerdem „Von Hypnos und Thanatos“, das – und hier zeichnet sich durchaus ein Muster ab – für das große Finale ebenso auf getragenen Klargesang setzt wie das rührende „Der kleinste König und sein Architekt“. Immerhin hat hier die süßliche Note des Höhepunkts durchaus Konzept, indem der titelgebende Architekt seinem Spross einige herzerfüllte Worte mit auf den Lebensweg gibt.

Insgesamt ist „Knochengesänge“ ist stimmiges, homogen konzipiertes Album

Mit dem traditionellen „The Parting Glass“ schließlich folgt zum Ende hin eine unerwartete Zäsur, fällt das Stück trotz schwarzmetallischer Instrumentierung doch etwas aus dem Rahmen. Wüssten wir es nicht besser, hätten wir den Closer eher als Bonus-Dreingabe verortet. Es ist nur ein kleines, doch kaum schlimmes Kuriosum in einem sonst homogen konzipierten Album, das die Stärken WALDGEFLÜSTERs routiniert zur Schau stellt, aber in puncto Facettenreichtum dem insgesamt stimmigeren „Dahoam“ (2021) nicht das Wasser reichen kann.

Nichtsdestotrotz dürfen Winterherz und seine Mitstreiter vorerst ruhig und gelassen aufatmen: Denn selbst wenn wir letzten Endes zum Vergessen verdammt sein sollten, werden die „Knochengesänge“ zumindest in unseren beschaulichen vier Wänden noch eine ganze Weile durch den Äther hallen.

Veröffentlichungstermin: 07.11.2025

Spielzeit: 58:40

Line-Up

Winterherz – Vocals, Gitarren, Samples, Keyboards
Dominik Frank – Guitars
Markus Frey – Guitars
Martin Schirmann – Bass
Thomas Birkmaier – Drums

Produziert von WALDGEFLÜSTER und Markus Stock (Mix und Mastering)

Label: AOP Records

Homepage: https://www.waldgefluester.com/
Facebook: https://www.facebook.com/BlackMetalWaldgefluester/
Instagram: https://www.instagram.com/waldgefluester_official/
Bandcamp: https://blackmetalwaldgefluester.bandcamp.com

WALDGEFLÜSTER “Knochengesänge” Tracklist

1. Krähenpsalme (Audio bei YouTube)
2. Bamberg, 20. Juni
3. Der kleinste König und sein Architekt
4. Von Hypnos und Thanatos
5. Lethe – Der Fluch des Schaffenden
6. Knochengesang (Video bei YouTube)
7. The Parting Glass