Blut, überall fließt Blut. Auf dem Boden des dreckigen, verkommenen Bades, die Wanne ist voll damit, die Leiche liegt noch in dem Raum. Dieses Bild ist ein einziger Albtraum, einerseits vollkommen übertrieben, andererseits realistisch und hässlich wie die Wirklichkeit. So wie UNSANE 1991 sowohl optisch als auch musikalisch auf ihrem selbstbetiteltem Debüt, so wie UNSANE auf ihrem neuen fünften Album, das eine neue Ära für die Band einleitet. Doch der Reihe nach.
Der Noise Rock-Gemeinde entfuhr anno 2003 ein lautes Jauchzen, als die Innovatoren im Bereich dieses intensiv-lärmenden Genres wieder zusammen musizierten und im Dezember sogar eine Headliner-Tour durch Europa fuhren. Die Band, auch nach fast 15 Jahren spielfreudig und versiert wie eh und je und so wütend wie selten, brillierte und ließ mit dieser neu gewonnenen Power so einiges für Blood Run erwarten, ein Album, das UNSANE ebenso definiert wie das völlig geniale letzte Album Occupational Hazard. Blutig wie eh und je, musikalisch kompromisslos wie erwartet und erhofft und dennoch abwechslungsreich wie nicht zu hoffen vermocht präsentieren sich UNSANE auf diesem hässlichen Album, auch wenn der Start zunächst ernüchternd wirkt. Backslide, der Opener will nicht so recht zünden. Und als eher langsamer Midtempo-Song zieht er die Aufmerksamkeit des Hörers nicht so schnell auf sich wie die krasseren Nummern.
Doch keine Sorge, Blood Run überzeugt mit zunehmender Dauer immer mehr. Die Intensität der Scheibe steigert sich von Lied zu Lied und selbst wenn man meint, die drei New Yorker könnten keinen mehr drauf setzen, sie schaffen es mit Leichtigkeit – bitte bedenkt aber, dass ich diesen Eindruck schon nach dem erbarmungslos-flotten Release und dem ultraschweren Killing Time, die ganz am Anfang stehen, hatte. Laut müsst ihr es hören, dieses Album. Dadurch wirkt es noch viel besser, die dissonanten Melodien sägen sich durch das Gehirn, der Bass übt in eurem Magen Kickboxen, und da ihr noch nicht genug habt, dreschen euch die fetten Grooves in Grund und Boden. Hier werden keine halben Sachen abgeliefert, der wie tollwütig schreiende Chris Spencer und seine Mannen leben die Gewalt, die das Cover predigt – realistisch und beängstigend.
Bei dieser Ehrlichkeit verzeiht man UNSANE auch gerne, dass sie nicht wirklich Hang zur Weiterentwicklung verspüren, doch wenn ich UNSANE hören will, dann will ich auch nichts Anderes hören als kranke Hammersongs wie Make Them Prey, Recovery oder Latch. Außerdem haben sie schon lange zusammen mit Bands wie HELMET ihren Stil gefunden, doch sie hängen so verbissen daran, dass die Authenzität schon beängstigende Züge annimmt. Es ist manisch. Genau darum sind UNSANE auch eine Noise Rock-Band und scheißen auf fröhliche Melodien, tanzbare Grooves und eine saubere Produktion. Noise Rock ist nichts als die Vertonung eines ganz normalen, hoffnungslosen Lebens.
Das wird vor allem dann deutlich, wenn UNSANE sich bemühen im nihilistischen Chaos Melodien einzubauen. Diese Umschreibung klingt negativer, als sie eigentlich ist, denn diese Bemühungen haben zur Folge, dass sich erstens Wiedererkennungswert ergibt und zweitens einen bleibenden Eindruck hinterlassen wird, wie die Country-Melodien in D Train und Recovery zeigen. Wenn das Trio auf Blood Run wütet, dann ist niemand sicher, dann bersten Wände und ganze Landstriche werden ausgelöscht. Die unbändige Wut und Gewalt ist ein noch viel zentralerer Teil in der Musik, doch gleichzeitig wirkt die Band manchmal fast resigniert, am Boden zerstört und die langsamen, groovigen Songs wie Hammered Out wirken so hoffnungsvoll wie ein Bombenhagel über einem Wohnviertel.
Das alles macht UNSANE zu einer einmaligen Band die mit ihrem fünften Album nach fünfjähriger Pause ein grandioses Werk abgeliefert hat, das locker mit dem furchteinflößendem Occupational Hazard mithalten kann und auch mit Hits im Kaliber von Sick und Scrape aufwartet – die süchtig machende Wirkung von einem Song wie D Train sollte nicht unterschätzt werden. An dieser Scheibe, diesem masochistischem Hochgenuss stimmt alles, und selbst wenn einige Fans enttäuscht sein könnten – was ich mir allerdings nichts vorstellen kann – nach dem Hören werden Noise Rock-Fans wenigstens in zwei Punkten mit mir vollkommen übereinstimmen: UNSANE zeigen allen, wer das Original ist. Und, dass dies die vielleicht heftigste Musik der Welt ist, an diesen Boshaftigkeit können sich ersticken selbst die bösesten aller Metaller.
Veröffentlichungstermin: 2. Mai 2005
Spielzeit: 43:47 Min.
Line-Up:
Chris Spencer – Vocals, Guitar
Dave Curran – Bass
Vinny Signorelli – Drums
Produziert von Joel Hamilton und UNSANE
Label: Relapse Records
Homepage: http://www.theunsane.com
Tracklist:
1. Backslide
2. Release
3. Killing Time
4. Got It Down
5. Make Them Prey
6. Hammered Out
7. D Train
8. Anything
9. Recovery
10. Latch
11. Dead Weight