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THE RUINS OF BEVERAST: The Thule Grimoires

Wenn man THE RUINS OF BEVERAST eines nicht vorwerfen kann, dann kreativen Stillstand. Von fiesem Black Metal mit Kühlschrank-Produktion in den Anfangsjahren, über das Konzept-Meisterwerk „Blood Vaults – The Blazing Gospel Of Heinrich Kramer (Cryptae Sanguinum – Evangelium Flagrans Henrici Institoris)“ mit sehr schönen doomigen Einflüssen, hin zu den ebenfalls gelungenen schamanistischen Tribal-Expeditionen auf dem letzten Album „Exuvia“ ist es wirklich ein langer Weg.

Und der scheint auch noch nicht zu Ende gegangen, denn auch das vorliegende sechste Album „The Thule Grimoires“ bietet Weiterentwicklungen und Herausforderungen gleichermaßen. Es ist schon ein harter Brocken, der intensive Beschäftigung einfordert, den Alexander von Meilenwald, als nach wie vor einziges Band-Mitglied, dem Hörer hier vorgelegt hat. Aber die Arbeit soll sich lohnen, soviel sei vorweggesagt.

Weniger Schamanismus, mehr Dark-Wave-Anmutungen

Es gibt immer noch Tribal-Elemente im Sound der Aachener, vor allem in der Rhythmik und den weiblichen Vocals, aber weniger schamanistisch, sondern eher Gothic – im Song „Anchoress in Furs“ fühlt man sich gar an Ofra Haza und Andrew Eldritch erinnert. Es gibt viel mehr Keyboards, teilweise Industrial-Sounds, dazu auch entsprechende Dark-Wave-Anmutungen in den Gitarren, viel mehr Klar-Gesang, allerdings weniger sakral als bisher, sondern auch hier eher mit schwermütigen Melodien, bisweilen sogar mit richtig melancholischen Refrains.

Das klingt jetzt alles im ersten Moment negativer als es gemeint ist. Es ist für eine Band, die nicht das Konzept hat, ein bestimmtes Genre zu vertreten (was auch völlig ok ist), sondern Musik als Ausdruck der eigenen oder eigenwilligen Persönlichkeit versteht, natürlich überhaupt nicht verwerflich, sondern sogar essentiell, neue Einflüsse in seine Musik einzubauen.  Von einer Band wie THE RUINS OF BEVERAST erwarte ich also, dass sie sich entwickelt, den Hörer mit jedem Album überrascht und herausfordert. Und so wie bisher auch gelingt Meilenwald dies auch auf dem neuen Album wirklich vorzüglich. Die Band erweitert ihr Portfolio an Stilmitteln und Atmosphäre-Elementen, allerdings ohne sich in Experimente um des Experimentierens willen zu verstricken und ziellos ihren Ausdruck zu verwässern. Alles klingt nach einer organischen, nachvollziehbaren Weiterentwicklung und nimmt den geneigten Hörer mit auf die Reise in neue Gefilde.

Episch rollende Gitarrenriffs und 80er Wave

Und außerdem gibt es auch weiterhin die wunderbar episch-rollenden Gitarren-Riffs über Double-Bass-Drum-Passagen, tiefe Growls und aggressives Kreischen, ausladende Song-Strukturen, repetitive Elemente und einfach gute, packende Songs. Also alles was für mich das Typische am Sound der Band ausmacht. Auch in dem vorhin genannten Song „Anchoress in Furs“ mit seinen Ofra-Haza-80er-Tribal-Chants findet man neben den beschriebenen Klängen auch all diese Stilmittel.

Die 80er sind vielleicht auch der Schlüssel zu diesem Album, allerdings nicht die Metal-80er, sondern die britischen Post-Punk/Dark Wave-80er. Wenn in „Polar Bliss Hyteria“ zum Beispiel direkt am Anfang ein Drum und Bass Pattern präsentiert wird, das sofort nach KILLING JOKE schreit oder im ruhigen Mittelteil vom Opener „Ropes into Eden“ nach Blast-Beat-Gewitter gar die FIELDS OF THE NEPHILIM zu „Elizium“-Zeiten spürbar sind, kann man sich die triste und heruntergekommen mittel-englische Industrie-Metropole direkt vorstellen, die als Kulisse für Bandfotos mit depressiv-verstört dreinblickenden Band-Mitgliedern genutzt werden würde, wenn wir noch in den 80ern wären.

Nicht Recyclen, neu Erschaffen

Die Idee, diese Einflüsse mit extremen Metal zu verbinden hat der Aachener Multi-Instrumentalist momentan wirklich nicht exklusiv, aber er verarbeitet diese doch anders als viele Bands, die diese Stilmittel lediglich recyclen, wie etwa TRIBULATION. Der Ansatz ähnelt vielmehr dem der Label-Kollegen von CHAPEL OF DISEASE auf ihrem letzten Album schon die Vergangenheit in die eigene Musik eingeschmolzen, wiederbelebt und zu etwas Neuem gemacht haben. Man muss eben nicht nur die benutzten Tonfolgen in seine Musik integrieren, sondern auch den Geist dahinter, wenn man mehr als ein Abziehbild erschaffen will. Und dieses „mehr“ ist Alexander von Meilenwald auf diesem Album gelungen. Viele klingt neu und trotzdem klingt alles nach THE RUINS OF BEVERAST.

Man muss sich schon etwas Zeit nehmen, um „The Thule Grimoires“ erfassen zu können, aber man wird mit einem detailreichen, unglaublich intensivem Album mit faszinierender, dunkler Atmosphäre belohnt, wie sie so nur wenige Bands kreieren können oder wollen.

THE RUINS OF BEVERAST gehen konsequent ihren eigenen Weg weiter, auf dem ihnen sicher nicht jeder folgen will, auch nicht alle, denen die letzten oder gar die „alten“ Platten gefallen haben, aber auf dem ihnen jeder folgen sollte, der Musik als Kunstform und Herausforderung versteht. Klarer Fall von klassischem Grower- und Kopfhörer-Album.

Release Date: 05.02.2021

Label: Ván Records

Tracklist:

1. Ropes Into Eden (12:42)
2. The Tundra Shines (11:18)
3. Kromlec’h Knell (8:33)
4. Mammothpolis (6:22)
5. Anchoress In Furs (9:11)
6. Polar Hiss Hysteria (7:13)
7. Deserts To Bind And Defeat (14:07)

Line Up: Alexander von Meilenwald – Alle Instrumente

https://theruinsofbeverast.bandcamp.com/

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