THE FLOWER KINGS: Paradox Hotel

Das Album bietet zwei Stunden Der-Weg-ist-das-Ziel-Progrock, wie man ihn von der Band gewohnt ist. Wäre das Album ein Kinofilm, würde es viele Landschaftsaufnahmen enthalten.

Progressive Rock ist die Kunst, einen geraden Takt möglichst knapp zu verfehlen. Paradox Hotel ist kein Album, bei dem ständig etwas passiert. Die Band nimmt sich für jede einzelne Passage viel Zeit. Nur selten tritt diese phlegmatische Grundstimmung in den Hintergrund (Hit Me With A Hit). Außerdem ist die Musik einfach zu freundlich! Die Seele wird gestreichelt. Man erkundigt sich, wie es der Familie geht. Ist der Pulli selbstgestrickt?

Wer dieses Werk ernsthaft anhören will, sollte vorher alle anstehenden Termine absagen. Und Kaffee trinken. Der Titel beschreibt die Musik überraschend gut. Paradox Hotel hat tatsächlich etwas von einem ruhigen Samstagnachmittag in einem größeren Hotel in Südschweden. Ein paar Geschäftsleute haben es eilig, ansonsten tummeln sich die unterschiedlichsten Menschen in den Gängen. Ein älteres Ehepaar befragt den Zimmerservice nach lokalen Sehenswürdigkeiten. Aus der Wäscherei dringt gedämpftes Gelächter. An der Rezeption unterhalten sich zwei Angestellte über ihre Urlaubspläne. In der Lobby ist Ex-Blumenkönig Daniel Gildenlöw gerade dabei, einen jungen Fan über die Gefahren der Globalisierung, die Arbeitsbedingungen von chinesischen Minenarbeitern und metasymbolische Identitätstheorien aufzuklären. Die Sonne lacht. Der Frühling ist da!

Die FLOWER KINGS gehören definitiv zu den veröffentlichungsfreudigsten und fanfreundlichsten Bands dieses Planeten! Im Unterschied zu früheren Alben ist die Musik nicht ganz so vertrackt. Die Arrangements sprengen aber natürlich immer noch jeden Rahmen. In meinen Ohren klingt vieles langatmig. Aber das gehört so. Paradox Hotel ist das Gegenteil von stressig. Ein paar Lieder wirken wunderbar entspannend. Das gesamte Album am Stück hat allerdings eine sehr ermüdende Wirkung auf meinen Geist.

Roine Stolts Mitmusiker waren verstärkt am Songwriting beteiligt. Stilistisch hat sich jedoch wenig geändert, da die Lieder unvermindert facettenreich in den unterschiedlichsten Formen erblühen. Epischer Bombast ist ebenso da wie ruhige Akustikteile. Der Raum dazwischen wird mit großer Sorgfalt gefüllt. Abgesehen vom Gesamtumfang – anno 1977 wäre Paradox Hotel eine 4-fach-LP gewesen! – übertreiben die Schweden nichts. Dass sechs Leute in der Band spielen, hört man in dieser Form nur ganz selten. Trotzdem steht immer der Song im Mittelpunkt. Minimal zu hoher und minimal zu schwachbrünstiger Gesang ist in diesem Genre nichts Ungewöhnliches. Dementsprechend klingt die Musik zwar nicht sehr eingängig, aber doch stets melodisch.

Wäre das Album ein Kinofilm, würde es viele Landschaftsaufnahmen enthalten. In allen Stücken steckt eine unterschwellige Weite, die geneigte Hörer zu fesseln vermag. Nicht selten gibt es bizarre Einschübe, die andernorts für Verwirrung sorgen würden. Auf Paradox Hotel sind sie jedoch das Verbindungsglied zwischen altmodischen Progeigenarten und routiniert inszeniertem Neoprog. Es braucht auf alle Fälle eine bestimmte Geisteshaltung, um die Musik nachvollziehen zu können.

Veröffentlichungstermin: 24.03.2006

Spielzeit: 136:09 Min.

Line-Up:
Roine Stolt: Gitarre, Gesang

Hans Froberg: Gesang, Gitarre

Thomas Bodin: Keyboard

Hasse Bruniusson: Marimba, Percussion

Jonas Reingold: Bass, Gitarre, Gesang

Marcus Liliequist: Schlagzeug, Percussion

Produziert von Roine Stolt
Label: Inside Out

Homepage: http://www.flowerkings.se

Tracklist:
1. Check In

2. Monsters & Men

3. Jealusy

4. Hit Me With A Hit

5. Pioneers Of Aviation

6. Lucy Had A Dream

7. Bavarian Skies

8. Selfconsuming Fire

9. Mommy Leave The Light On

10. Minor Giant Steps

11. Touch My Heaven

12. The Unorthodox Dancinglesson

13. Man Of The World

14. Life Will Kill You

15. The Way The Waters Are Moving

16. What If God Is Alone

17. Paradox Hotel

18. Blue Planet