Schön ist’s, wenn Künstler nicht jährlich mit neuem Material um die Ecke kommen. Gute Alben müssen halt reifen, so auch bei SAOR. Etwa alle drei Jahre lässt Andy Marshall mit seinem mittlerweile zwölf Jahre alten Projekt ein neues Album auf die Underground-Szene los. Der Anklang ist hier stets groß, das Feedback aus der Community überwiegend wohlwollend.
Und nun, da steht ein neuer Longplayer in den Startlöchern, “Admist the Ruins” heißt er. Zumeist erbarmungslos schnell und brachial, ohne überwältigende Melodien vermissen zu lassen – typisch SAOR eben.
Bereits beim Erstlingswerk “Roots” gelang es Marshall, Zuhörer aus aller Welt mit bezaubernden Klanglandschaften und gewaltigen Gitarrenwänden gleichermaßen in die schottischen Highlands zu entführen. Das Konzept geht voll auf. Man fühlt sich beinahe, als würde man auf einem mit Gras bewachsenen Hügel der schottischen Tundra sitzen – von Highland Midges gepeinigt, die Frisur vom Wind zerzaust, die Klamotten vom andauernden Regen durchnässt. Und doch genießt man jeden Moment.
Man tritt nie auf der Stelle, Album für Album setzt dem Konzept noch eine Schippe drauf
Was mich seit der Gründung im Jahre 2012 bei den Vorreitern des Kaledonischen Atmospheric Celtic-Black Metals so fesselt, ist die stetige Weiterentwicklung. Anfangs noch typisch metallisch und auf Gitarre, Bass und Schlagzeug reduziert, kam zeitnah die Tin Whistle als subtil eingestreutes Instrument dazu. Alsbald wartete man dann mit Streichern auf. Es folgten Low Whistle, Bagpipes und andere traditionelle Instrumente.
Und nun liegt uns wieder eine Scheibe vor, die ganz in diesem Sinne des “noch mehr als beim letzten Mal” zu stehen scheint. Ungemein episch kommt “Amidist the Ruins” daher. Für mich ist das die wuchtigste Platte, die uns SAOR jemals präsentiert hat.
Der Opener und Namensgeber des Albums ist hierbei, und das schreibe ich nicht gerne, tatsächlich der für mich gewöhnlichste Titel. Irgendwie wirkt das Stück zu Beginn künstlich in die Länge gezogen. Der Umbruch kommt auf ungefähr der Hälfte des Songs, wenn diverse Whistles und Streichinstrumente eine verträumte Atmosphäre verbreiten. Als der Song wieder Fahrt aufnimmt fegt er, unterstützt von den weiblichen Vocals von Ella Zlotos und einem schier unüberschaubaren Arsenal an Instrumenten, über den Hörer hinweg, ohne allerdings die Stimmung zunichte zu machen. Das schaffen so nur SAOR. Wirklich sagenhaft!
Auch die Stimme von Andy ist im Wandel begriffen. Hat er auf früheren Werken eher ins Mikrofon gebrüllt, so ist er hier mit höheren Screams zu hören. Die Musik rückt gesanglich so mehr in die Richtung vom klassischen Black Metal, ohne aber dessen Eiseskälte zu verströmen.
In Worte lässt sich so was kaum fassen, das muss man einfach gehört haben.
Eine Besonderheit findet sich auf der Platte im vorletzten Song “The Sylvan Embrace”, denn dieser ist komplett akustisch gehalten und kommt gänzlich ohne verstärkte Gitarrenklänge aus. Marshall’s Gesang wabert nur als Flüstern durch die Lautsprecher und die lieblichen Vocals von Ella erklingen wie aus weiter Ferne. Verschiedenste Whistles in Kombination mit Bodhran, Streichern und Akustikgitarre lassen den Hörer förmlich in ein klanggewordenes Meer aus Harmonien eintauchen.
Resümee: Uns liegt hier ein typisches SAOR-Werk vor, und doch ist’s erfrischend neu. Hatte der Vorgänger “Origins” meiner Meinung nach ein oder zwei leichte Schwächen, so kann man hier fast schon eine Wiederauferstehung erkennen. Es sind so viele neue Eindrücke und Elemente zu finden, die in dieser Konstellation bislang in noch keinem Longplayer von dieser Ausnahmeband zu hören waren, dass es mir persönlich schwerfällt, einen Anspieltipp zu geben. Wenn man mich fragt, würde ich vielleicht “Rebirth” nennen. Als fünfter und letzter Track der Platte bildet der Song für mich einen grandiosen Querschnitt durch das gesamte Album und bietet so das grande Finale dieses wirklich überdurchschnittlich gut gelungenen Gesamtwerkes.
Veröffentlichungstermin: 07.02.2025
Spielzeit: 58:57
Die Tracklist von “Admist the Ruins”:
1. Amidst the Ruins (12:41)
2. Echoes of the Ancient Land (11:41)
3. Glen of Sorrow (12:05)
4. The Sylvan Embrace (8:19)
5. Rebirth (14:10)
Line-Up:
Andy Marshall – All Composition, Writing & Instrumentation
Guest Musicians:
Ella Zlotos – Female Vocals, Tin Whistles, Low Whistles, Uilleann Pipes
Carlos Vivas – Drums
Jo Quail – Cello & FX on „The Sylvan Embrace“
Àngela Moya Serrat – Violin on „Amidst the Ruins“, „Echoes of the Ancient Land“ & „Rebirth“
Miguel Izquierdo – Viola on „Amidst the Ruins“, „Echoes of the Ancient Land“ & „Rebirth“
Samuel C. Ledesma – Cello on „Amidst the Ruins“, „Echoes of the Ancient Land“ & „Rebirth
Label: Season of Mist
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