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SANGRE DE MUERDAGO: O vento que lambe as mi​ñ​as feridas

Musik, die wie eine mitfühlende Umarmung wirkt: SANGRE DE MUERDAGO haben mit „O vento que lambe as mi​ñas feridas“ ein wunderbar subtiles Stück Neofolk geschaffen.

Obwohl der Autor dieses Album seit Mitte April regelmäßig hört, dauert es bis zum Advent, da er endlich darüber schreibt. Warum? Weiß er selbst nicht. Vielleicht ist jetzt die Zeit einfach da, da „O vento que lambe as mi​ñ​as feridas“ am besten wirkt. Eine Zeit der Einkehr und Zeit der Hoffnung, richtig? Doch was gibt es schon zu hoffen, in einer Welt der Kriege, der Klimakatastrophe, der gespaltenen Gesellschaft, jetzt da die Gräben immer größer werden? Eine Welt, in der geschrien und nicht zugehört wird, heute mehr als je zuvor?

SANGRE DE MUERDAGO, die fern der Religion sind, tragen mehr Ethik und Menschlichkeit in sich, als all die Würdenträger und die Prediger, die sich derzeit wieder anmaßen, über Güte und Liebe zu sprechen. Da hört der Verfasser lieber „O vento que lambe as mi​ñ​as feridas“, das sechste volle Album des spanisch-deutschen Neofolk-Kollektivs, weil es sich konträr zur Welt entwickelt: SANGRE DE MUERDAGO sind leiser geworden. Statt zu fünft, spielen sie auf diesem Album, das übersetzt „Der Wind, der meine Wunden leckt“ heißt und statt viel Dynamik und eklektischem Tanz gegen die Trauer, zentrieren sich Bandleader und Komponist Pablo Caamina Ursusson und seine beiden Mitstreiter auf sich selbst.

In einer Welt, die immer lauter wird, sind SANGRE DE MUERDAGO leiser geworden: „O Vento que Lambe as mi​ñ​as Feridas“ ist ein zutiefst menschliches Album.

Vielleicht fehlen deshalb die Worte, um das Album zu beschreiben und vielleicht ist es deshalb eine unverhältnismäßig lange Zeit im Schatten seiner beiden Vorgänger „Xuntas“ und „Noite“ gestanden, die – zugegeben – unerreicht bleiben. Aber die Qualität von „O vento que lambe as mi​ñ​as feridas“ ist eine ganz andere. Die Freiheit und Freigeistigkeit, die SANGRE DE MUERDAGO besingen, kann mittlerweile leise sein und ohne, dass die Message ihre Kraft verliert. Sie stellen sich subtil, aber selbstbewusst an die Seite von Menschen, die Leid erfahren haben („Wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen“, „Oda para as de corazón puro“), und sie tragen ihre Wunden offen und stolz zur Schau („Una paisaxe máis salvaxe“, „O vento que lambe as mi​ñ​as feridas“).

„O vento que lambe as mi​ñ​as feridas“ könnte dennoch den Schmerz übermächtig werden lassen, dank der traditionell galicianischen Stücke „Eu non quero ir a misa“ und „Eu chorei, chorei“ mit etwas mehr Dynamik und Wildheit sowie dem wundervollen Drehleier-Stück „Galska (7th polska of a 7th polska)“, das inklusive IRON MAIDEN-Referenz zum Tanzen einlädt, gibt es auch versöhnlichere Klänge. Auch der Ausflug in die Vergangenheit, die Neueinspielung von „Adeus meus amigos“ vom Debütalbum, ist ein wärmendes Stück, aller Melancholie zum Trotz. Hier zeigt sich auch, welche Entwicklung SANGRE DE MUERDAGO seither zurückgelegt haben: Das Spiel ist sicherer und akzentuierter und Pablo Caamiña Ursussons Stimme ist gereift und groß geworden, sodass das Stück noch mehr unter die Haut geht.

Ein Hoffnungsspender in einer dunklen Zeit: Mit „O Vento que Lambe as mi​ñ​as Feridas“ wärmen SANGRE DE MUERDAGO die Seele.

Dass die wenigsten Stücke ohne Rhythmen auskommen, dass die Basis klar Gitarre und Stimme ist, ergänzt von Nyckelharpa, Viola, Flöten und Drehleier, lässt viel Raum, um die Emotion zu transportieren, und dabei wird schnell deutlich: Diese Geschichten voller Schmerz sind auch Geschichten voller Hoffnung, auch wenn es gerade düster aussieht. SANGRE DE MUERDAGO bleiben authentisch in ihrer Musik und in dem, was sie erzählen und sorgen so für einen Hoffnungsschimmer in der Welt. Mut und Beständigkeit, Eigeninitiative und Authentizität – danach zu streben ist nicht immer einfach, aber daraus entsteht eben Schönheit, wie sie mit dem Cover von Rocco Lombardi ganz wundervoll unterstrichen wird.

Der dunkelste Tag des Jahres steht unmittelbar bevor, doch bis die Tage merklich heller werden dauert es noch eine Weile. SANGRE DE MUERDAGO wirken derweil und weit darüber hinaus wie ein wärmendes Licht und streicheln die Seele – diese Musik wirkt wie eine mitfühlende Umarmung. „O vento que lambe as mi​ñ​as feridas“ ist das Album, das der Mensch in diesen Zeiten braucht.

Wertung: 8 von 9 Flugstunden

VÖ: 14. April 2023 (Digital + CD) / 1. September 2023 (Vinyl)

Spielzeit: 45:19

Line-Up:
Georg „Xurxo“ Börner – Voice, nyckelharpa, viola
Mara Winter – Voice, flutes
Pablo Caamiña Ursusson – Voice, classical guitar, hurdy gurdy, Peñaparda square drum, music box, bells
Jorge Olson de Abreu – Melodies from the Otherworld

Label: Música Máxica

SANGRE DE MUERDAGO „O vento que lambe as mi​ñ​as feridas“ Tracklist:

1. Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen
2. Una paisaxe máis salvaxe
3. Eu non quero ir a misa
4. O Vento que lambe as mi​ñ​as feridas (Official Video bei Youtube)
5. Galska (7th polska of a 7th polska)
6. Oda para as de corazón puro
7. Adeus meus amigos
8. Eu chorei, chorei
9. Historia curta dun estorni​ñ​o senlleiro

Mehr im Netz:

https://www.sangredemuerdago.com/
https://sangredemuerdago.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/thecrowcallstheravenblack
https://www.instagram.com/sangredemuerdago/

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