Der Atem stockt, wenn man bei REGICIDE wieder einmal weit ausholt, um den Musikfreund mit mächtigen Worthülsen das Gefühl zu geben, dass man etwas ganz Essenzielles verpasst, wenn man dieses Album nicht sein Eigen nennt. Was einem aus musikalischer Sicht bei einer unbedarften Annäherung zunächst sehr sympathisch ist, kommt einem angesichts dessen plötzlich derart überzogen vor, dass man schon wieder einen gewissen Wiederwillen entwickelt – schade.
Dabei wird doch auch schon ohne das ganze Drumherum recht schnell deutlich, dass REGICIDE mehr wollen, als nur irgendwo im Durchschnitt herumzudümpeln. REGICIDE wollen etwas Eigenes erschaffen, weit weg von dem, was man tagtäglich vor den Latz geknallt bekommt. Etwas, das echt ist. Etwas, das auf seine eigene Weise funktioniert. Und dieses Bestreben kann man nur gut heißen, egal, ob die Band dabei zu hundert Prozent erfolgreich ist oder nicht.
Mit einer Violinistin und einem Pianisten, die als feste Instrumentalisten in das Bandgefüge integriert sind, hat man dabei auch schon gute Voraussetzungen geschaffen um der Band einen eigenen Stempel aufzudrücken, wobei es dabei eindeutig von Vorteil ist, dass man diese Instrumente in erster Linie dazu einsetzt, dem Sound Fülle und Tiefe zu geben und sie weniger als schmückendes Beiwerk oder Alibi nutzt.
Fügt man dieser Information noch hinzu, dass REGICIDE mit zwei Sängern arbeiten, von denen der eine über eine kräftige Männerstimme verfügt und es sich beim anderen Teil um den weiblichen Gegenpart dazu handelt, wird der interessierte Leser nun vermutlich etwas skeptisch werden und berechtigterweise sagen na, jetzt bin ich aber gespannt, wo das innovative Element bei dieser Band steckt. Lasst es mich verraten: wirklich innovativ sind REGICIDE nicht und vor allem wer bei Beschreibungen wie Monumental Artrock Meets Musical & Gothic ganz Großes erwartet, der sollte sich auf eine Enttäuschung gefasst machen.
Vielmehr ist es so, dass die Nordlichter verschiedene Momente aus dem Sound von unterschiedlichen Bands wie SAVATAGE, RAGE (zu ihrer Klassik-Phase), PARADISE LOST oder von mir aus auch AYREON herausgreifen, und mit diesen prägnante, gefühlvolle und durchdachte Rocksongs kreieren, die recht schnell ins Ohr gehen, sich kaum abnutzen und auch einige sehr intensive Augenblicke aufweisen – ein Gänsehautalbum ist Viorus allerdings zumindest nicht über die gesamte Länge geworden.
Was an der ganzen Sache eigentlich wirklich am meisten stört ist einfach die Art wie Viorus an den Mann gebracht werden soll. Wenn ich den Begriff Artrock höre, dann beinhaltet das für mich einfach auch eine gewisse Experimentierfreude. Wenn ich etwas von Musical lese, dann verbinde ich damit nicht nur thematisch abgestimmte Gesangsduette. Und das vermiest mir wirklich einiges, denn insgesamt gesehen finde ich Viorus wirklich gelungen. Dieses Album kann man sich sehr gut antun und in verschiedensten Stimmungen immer wieder mal auflegen. Geboten werden 10 sehr angenehme rockige Symphonic-Gothic-Metal-Songs – um auch einfach mal wild ein paar Schubladen aufzutun – die eine Bandbreite von zerbrechlich (Along the Way mit einem herrlichen Violineneinsatz) bis zu heavy bombastisch (Mastery Demise – der Song, der sich am meisten nach den Klassikalben von RAGE anhört und mit einem Sprechgesangsteil aufwarten kann, der Erinnerungen an den Einsatz von Vincent Price bei Michael Jacksons Thriller weckt) abdecken und sehr abwechslungsreich rüber kommen.
Betrachtet man Viorus also ohne das ganze unnötige Drumherum, dann hat dieses Album wirklich seine Qualitäten, die nicht zuletzt in einer grandiosen Produktion münden, die professioneller kaum klingen könnte. Und auf diese Weise betrachtet fehlt REGICIDE einfach noch ein bisschen Mut. Mut, sich von der Vorstellung zu lösen, dass anspruchsvolle Musik Regeln zu folgen hat. Denn damit steht man – zumindest ist das mein Eindruck – sich selbst am meisten im Weg. Mal schauen, wie das beim zweiten Album aussehen wird….
Veröffentlichungstermin: 30. August 2004
Spielzeit: 53:45 Min.
Line-Up:
Frauke Richter (Vocals)
Timo Südhoff (Vocals)
Jonna Wilms (Violin)
Heiner Jaspers (Keys)
Jan Janssen (Guitar)
Malte Hunold (Bass)
Til Kasmann (Drums)
(E-Mail)
Produziert von Chris Wolff
Label: Fame Recordings
Hompage: http://www.regici.de
Tracklist:
1. behind his eyes
2. funeral of tears
3. the fragrance
4. lonely voices
5. mastery demise
6. an embracing space:
part 1 – the trapped and
the leader
7. an embracing space:
part 2 – paths within
ourselves
8. along the way
9. viorus
10. biography