Black Metal für den Kulturteil der FAZ. So transzendent und eigentlich schon trendy, dass LITURGY für den typischen Black Metal-Hörer von Nebenan ein Graus sein müssen. Die vier Musiker aus Brooklyn verbinden KRALLICE-artige Raserei mit einer zwischenweltlichen Extravaganz, mit einer fast beängstigenden Zugänglichkeit, die trotz der schrillen Gitarren, dem heiseren Geschrei und den sich wie Zuckungen über den Hörer ergießenden Rhythmen. LITURGY haben auf ihrem Zweitwerk Aesthethica eine eigene Nische im Black Metal gefunden, freilich näher an der Avantgarde, als an den wahren norwegischen Wurzeln, stellenweise aber doch nicht so weit davon entfernt, wie man meinen möchte.
Doch neben schnellen Stücken voller erbarmungslosen Blast Beats wie High Gold und Glory Bronze finden sich auf Aesthethica auch das repetitive Generation, das wie MESHUGGAH im Avant-Black Metal-Outfit klingt und für das es ein Leichtes ist, das Gehirn auf Reise zu schicken. Besonders intensiv werden LITURGY aber, wenn sie ihre leidenschaftliche Seite auspacken und mit Technik und ihrem bereits im Titel beschriebenen Sinn für Ästhetik verbinden. Dann erschaffen sie grandioses Material wie True Will, Tragic Laurel, Glory Bronze und Harmonia. Dabei haben LITURGY immer wieder Überraschungen für ihre Hörer parat, selbst wenn sich diese nur in einer einminütigen Stille zwischen den Songs äußern, wenn es ein klassischer Rockbeat ist, wie in Veins Of God oder wenn es ein Gesangskanon ist, wie Glass Earth zeigt.
Nach und nach findet der Hörer Zugang zu diesem Album, von dem er sich nach zwei Songs denkt, wie zur Hölle soll ich das noch eine knappe Stunde aushalten. Aber es ergibt sich ein Fluss, das anfängliche Chaos weicht und die vollmundig beschworene Transzendenz entfaltet sich. LITURGY sind nicht nur spirituelle Handwerker, sondern wissen auch ihre Songs klingen müssen, wie die Vision zum Leben erweckt wird. An den Instrumenten befinden sich Vollblutmusiker, die in alle möglichen Richtungen schielen und somit mehr sind, als eine gewöhnliche Black Metal-Band. Dennoch, hier und da schießen die vier New Yorker über das Ziel hinaus, dann würgen einige Breaks die Songs fast ab, schließlich findet sich die Dissonanz an der Schmerzgrenze wieder. Das alles wirkt dennoch gewollt, so als wüssten LITURGY ganz genau, dass der Weg zur Transzendenz über Schmerz führt. Komisch nur, dass mit abnehmender Geschwindigkeit die Intensität der Musik auch ein wenig abnimmt.
Dass LITURGY aus Brooklyn stammen und nicht aus den Wäldern, wie WOLVES IN THE THRONE ROOM ist bezeichnend, immerhin wirkt Aesththetica wie ein Gegenentwurf zum Leben in der Natur, es will aber auch nicht in der stinkenden, komplizierten Stadt begraben sein und lässt sich nicht auf das momentan so angesagte urbane Black Metal-Feeling ein. Es ist die reine Luft, aber auch ein Nichts, ein luftleerer Raum. Bandchef Hunter Hunt-Hendrix und seine Mannen haben hier ein spannendes, unbequemes, aber doch strahlend schönes Black Metal-Album parat, das für den Kern des Genres gänzlich ungeeignet ist, sondern eben – wir sind wieder am Anfang – denjenigen einen Schauer über den Rücken jagen wird, die die Magie des Black Metal nicht in der Provokation, sondern in der Reinheit suchen.
Veröffentlichungstermin: 15. April 2011
Spielzeit: 68:21 Min.
Line-Up:
Hunter Hunt-Hendrix – Guitar, Vocals
Bernard Gann – Guitar
Tyler Dusenbury – Bass
Greg Fox – Drums
Label: Thrill Jockey Records
MySpace: http://www.myspace.com/liturgynybm
Tracklist:
1. High Gold
2. True Will
3. Returner
4. Generation
5. Tragic Laurel
6. Sun Of Light
7. Helix Skull
8. Glory Bronze
9. Veins Of God
10. Red Crown
11. Glass Earth
12. Harmonia