Machen wir’s kurz: ja – und das ist erstaunlich, wundervoll und großartig. Warum? Na, weil mir ihr anderes Projekt – die ungleich länger aktiven AUTUMNBLAZE – schon seit langem nicht mehr viel gibt; die neueren Texte erscheinen mir viel zu plakativ, und die Musik berührt mich schlicht und einfach nicht mehr. Es war also alles andere als ausgemacht, dass die beiden mit LILJEVARS BRANN wieder einen Ausdruck finden, der in mir resoniert.
Es liegt an zweierlei, dass dem nun so ist: Die beiden Musiker trauen sich wieder, einfache, folkloristisch inspirierte Melodien zu verwenden, und sie tun das ausschweifend und in einem Klang, der in seiner Rohheit direkt in die frühen 90er entführt; sie bieten einem alten Nostalgiker mithin schonmal alles, was er zwischen Job und Alltagswahnsinn dringend mal benötigt (nur ein bisschen weniger schneidende Höhen hätte ich mir gewünscht…). Dazu verwenden sie eine skandinavisch anmutende Kunstsprache – ein Kunstgriff, der dafür sorgt, der es mir als Erwachsenem einfacher macht, die Musik so unmittelbar zu fühlen wie es jungen Menschen in die Wiege gelegt ist. Zwar hätte ich es schöner gefunden, Texte wie auf „Seraphine… Far Gone Gleam“ zu hören, aber diese Zeit ist nun einmal vorbei, das hätte vermutlich nicht funktioniert.
LILJEVARS BRANN entführen uns in die Märchenwälder unserer Kindheit
Überhaupt müssen PARAGON OF BEAUTY mit „Seraphine“ und insbesondere das darauf enthaltene 15-Minuten-Epos „To my unfading sorrow“ sowie das Akustik-Stück „After Dark Vapours Have Oppressed Our Plains“ hier genannt werden, denn LILJEVARS BRANN orientieren sich sehr daran, handelt es sich musikalisch doch um lupenreinen Früh-90er-Doom Metal (inklusive radikal repetitiven Songstrukturen, sehnsuchtsvollem Gitarrenfiepen und wunderbar schleppendem Schlagzeug), angereichert mit vielen akustischen Parts, die in ihrer Klarheit und Schönheit an „Kveldssanger“ oder „Where at night the woodsgrouse plays“ erinnern.
Das wirkt astrein hypnotisch, traum- und weltverloren, tief melancholisch, erdig, dicht bewaldet, und da über alledem sowohl kraftvolle Screams als auch der wohlbekannte wunderschöne Leadgesang von Markus Baltes schweben (teilweise wunderbar mehrstimmig produziert), ist LILJEVARS BRANN für mich ein echtes Highlight dieses Jahr; ein Album, das sich wie Nach-Hause-Kommen anfühlt, trotz oder gerade wegen seiner kleinen Macken und musikalischen Naivität. Wundervoll!
Spielzeit: 50:40 Min.
Veröffentlichungsdatum: 27.9.2024
Label: Octupus Rising/Argonaut
Bandcamp: https://liljevarsbrann.bandcamp.com/album/helja-kor
LILJEVARS BRANN „Helja Kor“ Tracklist
1. Helja Kor
2. Dansa Mej Brodar I Fyre
3. Sjelvind
4. Kriglande
5. Brannstjerningen