Ein ganz besonderer Leckerbissen kommt uns dieser Tage mit der Eigenproduktion „Rito Bicéfalo“ der Argentinier LEVIATHAN über das große Meer geflogen. Nein, hier handelt es sich nicht um die gleichnamigen Powermetaller aus den USA, hier wollen uns drei Burschen aus dem südamerikanischen Raum zeigen, wie sie den Begriff Metal definieren.
Und mal davon abgesehen, dass diese Band durch ihr Ursprungsland bereits einen gewissen Exotenbonus besitzt, ist die Musik von LEVIATHAN auch alles andere als alltäglich.
LEVIATHAN sind alles andere als berechenbar
Glaubt man es beim ersten Song „Aguante el Rock“ zunächst mit einer astreinen 80er-Metal-Combo zu tun zu haben (extrem hoher Sirenengesang, ein Gitarrensound, der an die letzten beiden SACRED STEEL– Alben erinnert, klassische Metalriffs, Doublebass), wird man schon nach wenigen Minuten darüber belehrt, dass LEVIATHAN nicht so einfach zu berechnen sind. Plötzlich wird der Song durch fast schon WATCHTOWER-mäßige Breaks unterbrochen, dann folgt ein ruhiger MAIDEN-artiger Teil, der dann wieder durch schweres Riffing abgelöst wird um dann wieder in die eigentliche Strophe überzugehen. Geiler Song und wäre die Doppel-CD(!!) bei uns nicht für knallharte 50 Mark erhältlich (jedenfalls ist das der Preis, den man bei Hellion bezahlen muss), wäre ich fast schon dazu geneigt zu sagen, dass allein dieser den Kauf von „Rito Bicéfalo“ rechtfertigt.
Doch damit ist das Spektrum von LEVIATHAN noch lange nicht ausgereizt. Diese Band ist einfach in keine Schublade zu stecken. Immer wieder überrascht sie durch Songs und Songteile, mit denen man so gar nicht gerechnet hätte. Betrachtet man sich dann noch das ziemlich dicke Booklet dieser CD, und schaut sich die verschiedenartigen Bilder an, die jedem einzelnen Song beigefügt sind, so könnte man auf die Idee kommen, dass man es hier mit einer ziemlich zerfahrenen Angelegenheit zu tun hat und dass LEVIATHAN wohl noch nicht so richtig wissen, was sie wollen. Doch falsch! Gerade die vielen Kontraste stehen LEVIATHAN verdammt gut und machen die Band zu etwas ganz besonderem. Irgendwie greift eben doch alles ineinander.
LEVIATHAN zeigen sich von Anfang bis Ende wandelbar
Um die Musik mal annähernd zu beschreiben, werfe ich einfach mal den Begriff Heavy Metal (wer hätt’s gedacht) in die Runde. Heavy Metal als Oberbegriff, Heavy Metal als Grundlage für alles Weitere, was dann noch kommt. LEVIATHAN spielen also Heavy Metal und hierbei bedient sich die Band einem sehr breiten Spektrum, was man mit diesem Begriff in Verbindung bringen könnte. Die Band lässt es durchaus mal rockig angehen wie in „Gritalo“, drückt mit den Balladen „Linea venenosa“ oder „El último cigarro“ auf die Tränendrüse, greift bei „Irónica Ser“ auch mal auf alte BLACK SABBATH-Riffs zurück, um gleichzeitig kleine DREAM THEATER-Anspielungen einzubauen, oder dudelt wie bei „Primer Mundo“ in bester YNGWIE MALMSTEEN-Manier vor sich hin, um dann wieder einen treibenden Metal-Rocker aufzufahren, der mit unserem Schweden so gar nichts zu tun hat (vom späteren Spinetteinsatz und Sologefiedel einmal abgesehen). Einer der Höhepunkte von „Disc 1“ ist dann sicherlich das neunminütige „Leviathan II“, bei dem die Band noch mal so richtig zeigt, dass sie verdammt gute Power-Metal-Songs schreiben kann, den sie zudem mit einem ziemlich interessanten Instrumentalteil veredelt hat.
„Disc 2“ ist insgesamt dann wieder um einiges härter und vor allem thrashiger ausgefallen, als CD 1, was LEVIATHAN aber ebenfalls richtig gut zu Gesicht steht. Messerscharfe Riffs, gepaart mit coolem Double-Bass-Drumming und einer großartigen Rhythmik. Aber auch hier können es die Argentinier nicht lassen und bauen immer wieder völlig abgefahrene Teile in die Songs ein. Verzerrte Vocals gehören da noch zum kleinsten Übel. Ab und an wird man durchaus mal mit einer Prise Jazz irritiert oder wie beim Song „Antihéroes“ mit einem Teil, der unwillkürlich an 80-er-Jahre-B-Action-Movies erinnert. Klassikliebhaber bekommen ihr Fett ab, aber auch Freunde von SLAYER dürften mit „Robaron mis Recuerdos“ ihre Befriedigung finden. Zwischendurch gibt es immer mal wieder Soundsamples aus dem Spiel „Tomb Raider „und mit „El Blues de Camila“ sogar am Ende noch ein astreines Blues-Instrumental.
Die Musik von LEVIATHAN muss man einfach gehört haben
Na gut, damit will ich es einfach gut sein lassen, denn letztendlich kann man die Musik von LEVIATHAN nicht wirklich beschreiben, man muss sie einfach gehört haben. Sicher ist auf dieser Doppel-CD nicht alles Gold, was glänzt, und vor allem auf CD 1 gibt es doch den einen oder anderen kleinen Durchhänger. Auch können die Bandmitglieder von LEVIATHAN nicht wirklich als Virtuosen an ihren Instrumenten bezeichnet werden und die Produktion schwankt mitunter doch ganz schön. Aber all das kann den Gesamteindruck nicht vermiesen. LEVIATHAN ist eine richtig coole Metal-Band, die sich nicht durch Subgenres eingrenzen lässt und einfach das macht, was sie für richtig hält. Bei mir läuft dieses Album jedenfalls zur Zeit ständig und mir bleibt einfach nichts anderes übrig, als diese Eigenproduktion trotz ihre Preises weiterzuempfehlen (schließlich ist es ja auch eine Doppel-CD). Und als letzte Anmerkung sei noch gesagt, dass in diesem Fall der spanische Gesang zu keinem Zeitpunkt stört, im Gegenteil, er vervollständigt das Bild perfekt.
Spielzeit: CD 1 – 69:41 / CD 2 – 46:08 Min.
Line-Up:
Elvaga – Guitar
Ariel Perdu-k – Drums
Javier C. Pereyra – Vocals, Bass
Produziert von Leviathan
Label: Eigenproduktion
LEVIATAHN „Rito Bicéfalo“ Tracklist
CD 1:
1. Intro
2. Aguante el Rock
3. Muneca de T.V.
4. Gritalo
5. Linea Venenosa
6. Irónico Ser
7. Primer Mundo
8. En las Calles
9. El Ultimo Cigarro
10. Bajo Control
11. No Pares
12. Leviathán II
CD 2:
1. Antihéroes
2. Dios de mi Universo
3. Nunca Más
4. Engendros del Poder
5. Abrepuertas
6. Fin del Trabajo
7. Robaron mis Recurerdos
8. Behemoth
9. Duende Callejero
10. El Blues de Camila