KNORKATOR: Ich Hasse Musik

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Wie soll man Knorkator erklären? Im Stile der Bild-Zeitung, die im Februar 2000 einen Tag nach dem völlig durchgeknallten Auftritt bei der nationalen Vorausscheidung zum Grand Prix ihre Leser mit der Frage Wer ließ diese Irren ins Fernsehen? konfrontierte? Was soll man zu einer neuen Knorkator-Scheibe schreiben? Ich bin sicher, ich bin NICHT der einzige Vertreter der schreibenden Zunft, der die Band zwar (sehr) mag, dem es aber schwerfällt, seine Begeisterung in Worte zu fassen. Was soll man von einer Band, deren erklärtes Ziel es ist, Scheiße gesellschaftsfähig zu machen, auch halten? Egal, fange ich einfach mal mit den nackten Fakten an: Das Berliner Trio besteht immer noch aus Alf der unumstrittene Boß Ator, dem tätowierten Stimmwunder mit Bösetatsch Stumpen (u.a. Rufen, Zappeln, Verletzen) und Buzz Dee (Rumstehen, Nähen, Brillieren, Sauerkrautsaft & No Jazzguitars) und legt mit Ich hasse Musik bereits den vierten Longplayer (13 Songs, 42:50 Min.) vor. Dieser ist wie immer zu gleichen Teilen seltsam, einmalig, manchmal extrem anstrengend, gelegentlich auch harmonisch oder sogar verträumt – und somit ein absolutes Muss nicht nur für Fans, sondern auch für die Leute, die Respektlosigkeit groß schreiben, gerne Grenzen überschreiten und das Wort Hemmschwelle nicht in ihrem Wortschatz führen. Die Band kümmert sich erneut nicht um irgendwelche Genre-Grenzen (wer immer diese auch festlegt…), sondern hat neben einem fiesen Metalbrett wie Schmutzfink auch asiatische Klänge in Form von Mai Kho Djai am Start. Mal klingt der flotte Dreier nach Kirchenchor (Aeger Sum), mal dürfte ihm – dank des balladesken und eher getragenen Schweigeminute – Radio-Airplay und ein Platz auf dem nächsten Kuschelrock-Sampler sicher sein. Wie immer gibt es auch Coverversionen, die aber so durch den Knorkator-Wolf gedreht wurden, dass man schon fast von eigenen Stücken sprechen kann. Oder habt ihr schonmal eine Swing/Big Band-Version von AC/DC’s Beating around the bush gehört? Ich auch nicht! Des Weiteren covert man Boney M (Ma Baker) und Aaliyah (Try Again), kann damit aber gegen Beating around the bush nicht anstinken. Die Platte lebt von härtesten Riffs (manche von ihnen bei RAMMSTEIN, LAIBACH oder OOMPH! entliehen), abgedrehten Keyboard-Spielereien und einem Sänger, bei dem man sich die Frage Genie oder Wahnsinn(iger)? lieber verkneifen sollte – denn eine Antwort zu finden dürfte schwer sein. Oder kennt Ihr wirklich viele Sänger, die zum einen richtig singen können und zweitens (weil sie eben richtig singen können) eine stilistische Bandbreite haben, die von tiefsten Death Metal-Growls über schwülstiges Blue Oyster Bar-Gesäusel bis hin zu Höhen reicht, die selbst der göttliche Klaus Nomi kaum erreichte? Textlich machen es KNORKATOR dem Zuhörer wie immer schwer. Bei einigen Texten schmeiß ich mich weg vor Lachen während andere mir nicht mal ein müdes Lächeln entlocken. Aber das Gute ist wahrscheinlich, dass das jedem Hörer dieser Scheibe so geht. Sind KNORKATOR Comedy? Anarchistisch? Eine Parodie? Satire? Musik-Kabarett? Primitiv? Geschmacklos? Ich würde sagen Ja und rücke die Berliner textlich (und nur textlich) in die Nähe einer sehr genialen Band wie die ERSTE ALLGEMEINE VERUNSICHERUNG, die man aufgrund ihrer Lyrics auch nicht so recht einordnen kann/konnte. Wer KNORKATOR bisher nicht mochte, hätte sich das Lesen dieses Reviews sparen können. Alle anderen, die auf Abwechslung und Spaßfaktor stehen, sollten Ich hasse Musik durchaus antesten.

Spielzeit: 42:50 Min.

Line-Up:
Alf Ator
Stumpen
Buzz Dee
Label: Neue Zeiten / Sanctuary

Homepage: http://www.knorkator.de

Tracklist:
Der ultimative Mann
Ich hasse Musik
Try again
ich bin überhaupt nicht da
Mai Kho Djai
Schmutzfink
Schüchtern
Aeger Sum
Ma baker
Wie weit ist es noch bis zum Horizont
Makellos
Schweigeminute
Beating around the Bush