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INFAMIS: Im Westen der Himmel

Ist das die Geburt des Goth-Krautwestern? Auf jeden Fall ist "Im Westen der Himmel" es wert, gehört zu werden.

Wim Wenders hat bei mir auf gut deutsch gesagt eigentlich ausgeschissen, nachdem mir bei so ziemlich jedem Kinobesuch der letzten Zeit durch eine furchtbare Speiseeiswerbung mit einer bekannten Filmelfe Appetit auf diese überzuckerte Konzernkreation gemacht werden soll und er das wohl gedreht hat. Aber wenn Wim Wenders die Kamera aus der Hand legt und Musik hört, dann hat er keinen schlechten Geschmack, Steckerleis hin oder her. Sein Label WENDERS MUSIC hat sich die mir bisher unbekannte Berliner Band INFAMIS unter den Nagel gerissen, die mit Im Westen der Himmel ihr erstes Album seit neun Jahren veröffentlicht. Und das fasziniert schon optisch. Das schmutzige Artwork mit dem erschöpftem Reiter und seinem beinahe toten Sozius spricht Bände, doch die Musik geht noch weiter.

Wir hören also keinen edlen Cowboys zu, eher einer Bande von Gottlosen, von meuchelnden Freischärlern und Outlaws – stilistisch gesehen zumindest. INFAMIS machen keinen Country, zumindest keinen reinrassigen. In ihrer Musik ist viel Berliner Schule zu hören, die gekonnt mit Americana-Elementen vermischt wird. Als würden BAUHAUS und NICK CAVE AND THE BAD SEEDS ein Projekt mit TOM WAITS und 16 HORSEPOWER starten. Das klingt in der Theorie konstruiert, hört sich aber in der Praxis sehr flüssig und spannend an. Wo das Album noch etwas wavelastig mit dem starken, hämmernden Auftakt Ganz großes Kino beginnt, weht ab Le Grantein heißer Westwind. Das Album beginnt sich zu öffnen wie die Tiefebene in New Mexico, nachdem wir nach Tagen eine unwirtliche Felswand überquert haben. Und gerade die Westernsongs auf Im Westen der Himmel sind es, die unter die Haut gehen.

Einen Spaghettiwestern zum Hören haben INFAMIS parat, mit vielen Facetten, vielen Ideen, immer einem roten Faden folgend und doch mit einigen Überraschungen ausgestattet. INFAMIS haben hörbar viel Zeit in die Musik gesteckt, die Gitarrenarbeit ist oft unauffällig, aber mit vielen Ideen und Details ausgestattet, die Arrangements bergen einige unvorhergesehene Wendungen, wie in Verrat mit seinem Bläseroutro oder in Keith (auf der Palme) mit seinem ausladenden Chor. Und darüber und dazwischen ist der Gesang von René Schwettge, der schon ein bisschen verrucht und verschlagen klingt. Daraus entstehen tolle Songs wie Ein weiterer Tag, Ihr, Lied ohne Wert und Walzer, aber auch ein paar schwache Nummern wie Cafard und Auf Grund haben sich in das Album eingeschlichen. Davon abgesehen ist INFAMIS aber ein beeindruckendes Album gelungen, das in Sachen Musik, Atmosphäre, Optik und Texte eine Menge Potenzial beinhaltet.

Im Westen der Himmel ist ein originelles Album, das eine gereifte, wunderbar eigenbrötlerische Band präsentiert, die auch nach über 25 Jahren nicht ausgelaugt klingt, sondern es jetzt erst recht wissen will. INFAMIS sind gleichzeitig künstlerisch ausufernd wie bodenständig und direkt, folgen einem schönen Stilmischmasch und doch einer klaren Linie. Ist das die Geburt des Goth-Krautwestern? Auf jeden Fall ist Im Westen der Himmel wert, gehört zu werden. Wenn Wenders´ Label künftig weitere so gute Platten rausbringt, schaut es mit einer Versöhnung vielleicht doch noch ganz gut aus.

Veröffentlichungstermin: 16. August 2013

Spielzeit: 55:38 Min.

Line-Up:
René Schwettge – Stimme, Gitarre, Percussion, Harmonica
Pierre Moulin – Gitarre, Piano, Banjo, Stimme
Maren van Ham – Bass, Stimme, Banjo, Gitarre
Benno Verch – Drums, Percussion

Produziert von Dietmar Deelay Schmidt
Label: Wenders Music

Homepage: http://www.infamis.de
Mehr im Netz: https://www.facebook.com/infamis.social

Tracklist:
1. Ganz großes Kino
2. Le Grant
3. Entracte 1
4. Cafard
5. Ein weiterer Tag
6. Entracte 2
7. Ihr
8. Verrat
9. Entracte 3
10. Keith (auf der Palme)
11. Lied ohne Wert
12. Walzer
13. Entracte 4
14. Auf Grund

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