Als Fan musste man diesmal nicht ganz so lange warten. Sind HERETOIR doch eher dafür bekannt, nicht gleich alle zwei Jahre eine neue Platte auf den Markt zu werfen, brauchte das Post Black Metal-Gespann diesmal doch genau diese Zeitspanne, um uns mit neuem Material zu versorgen. HERATOIR sind mit neuem Material zurück. „Solastalgia“ heißt der neue Longplayer, der am 19. September 2025 erscheinen wird.
Mit dem Opener „The Ashen Falls“ beginnt das Album bereits spannend zu werden, denn „Solastalgia“ beschreibt die Trauer über den Verlust der natürlichen Welt, der Umwelt und unseres Heimatgefühls, so die Band. Die Scheibe beginnt also dort, wo ‚Nightsphere‘ vor zwei Jahren endete und greift lyrisch ähnliche Themen auf.
Musikalisch geht die Gruppe teilweise neue Wege
Wühlte man im Vorgängeralbum, auf der Suche nach völliger Dunkelheit, im tiefsten Inneren seiner eigenen Emotionen, so öffnet sich hier nun ein breites Klangbild weniger traurig-düsterer Ansichten. Die Band macht somit verbreitet Platz für zwar weiterhin unverkennbar melancholische Melodien, schafft aber durch den frischen Wind, geprägt von deutlich mehr Cleanvocals und verspielten Pianospiel, einen überraschend neuen Stil.
Mir fällt es, würde ich die Stimme von David Conrad nicht so gut kennen, zeitweise sogar schwer, HERETOIR als diese zu erkennen. Elektronische Klänge, für HERETOIR-untypische Instrumente wie Flöte und Hirschknochen (von Studiogitarrist und -bassist Matthias Settele eingespielt), die bereits erwähnten Pianos von Georg Braunbeck (beim Titel „Rain“) und Justin Felder (bei „Solastalgia“). Dazu Gastgesang von Adriana Stoiber-Conrad und Justin Felder zeugen von der Experimentierfreudigkeit, die „Solastalgia“ innewohnt. Und doch sind die komplexen Drumlines von Nils Groth und die progressiv eingespielten Gitarrenwände eindeutig mit HERETOIR zu identifizieren.
Gleich zu Beginn wird dem Hörer die ganze Bandbreite von dem geboten, womit das Album auf den kommenden 63 Minuten aufwarten wird
Der perfekte Querschnitt sozusagen. Markerschütternde Screams, klagender typisch-David-Klargesang, über alles hinweg fegende Drums, himmlische Gitarrenmelodien, eine von Michael Douglas (MORROW & FALL OF EFRAFA – der Crust-Fan in mir erschaudert vor Ehrfurcht!) eingespielte Sprech-Passage, all das schon beim ersten Song der Platte!
Mit dem zweiten Titel werden hingegen andere Töne angeschlagen. So überwiegt hier anfangs der Klargesang – leise im Hintergrund auch aus weiblichem Halse. Und die Überraschung folgt bei 4:10. Der Herr Conrad liefert erstmals in der Geschichte HERETOIRs satt dröhnende Growls. Wirklich emotional!
Der Kreativität sind auf diesem Full-Length keine Grenzen gesetzt. So klingt mit Ausnahme des Gesangs der Titel „Intertia“ nach umwerfend gutem Post-Rock. Ich fühle mich an Bands wie MAYBESHEWILL erinnert, deren Album „I Was Here For A Moment, Then I Was Gone“ für mich persönlich ein Meisterwerk darstellt. Und so schaffen es HERETOIR auch hier mit neuem, bisher ungehörtem Stil zu überzeugen. Im weiteren Verlauf des Stücks erfolgt ein harter Break, denn Post Rock weicht nun eindeutig einer sehr emotionalen Version vom Post Black Metal.
Und weiter geht es mit unerwarteten Wendungen. Mit dem Titel „Rain“ wird dem Zuhörer ein leicht-unbeschwertes Pianospiel serviert. Ergänzt wird das Ganze mit einem leisen Synthesizer im Hintergrund. Kein Gesang, kein Metal. Wie plätschernder Regen eben.
Später im Album wird man mit „Burial“ wach gerüttelt. Das ist schon mehr wie HERETOIR gewöhnlich klingen, wenn auch melodischer als sonst.
Ein bisschen weniger Post Rock und ein wenig mehr Post Black Metal. Geht gut runter, der Stoff
Ein weiteres Akustikstück erwartet den Zuhörer beim zehnten und damit vorletzten Titel der Platte. „The Same Hell MMXXV“ wartet mit lieblichem Gitarrenspiel, warmem Bass und der unverkennbaren Klargesangs-Stimme von David auf und bildet so den krönenden Abschluss des ‚eigenen‘ Materials des neuen Albums von HERETOIR.
Es folgt noch eine Coverversion von „Metaphor“ von IN FLAMES. Recht unbeschwert, beinahe fröhlich sind die Klänge, die jedoch eine düstere Botschaft mit sich bringen.
Zweifelsohne ist der Band hier mal wieder etwas Großartiges gelungen. Wohl möchte ich dieses Lob aber nicht ganz ohne Kritik stehen lassen. Mag es auch dem Konzept der Platte geschuldet sein, so klingt mir das neue Werk persönlich ein wenig zu ‚fröhlich‘. Zwar schafft es die Band wie eh und je, etwas tief im Inneren des Hörers zu berühren, aber mir fehlt ein wenig die melancholische Schwere, die man aus älteren Werken kennt.
Dieses Album wurde von David Deutsch und Justin Felder bei 1408 Productions aufgenommen und gemischt. Gemastert von Lasse Lammert im LSD Studio. Artwork von Rudolf Hima.
Veröffentlichungstermin: 19.09.2025
Spielzeit: 63:05
HERETOIR „Solastalgia“ Tracklist:
1. The Ashen Falls
2. Season of Grief
3. You Are the Night
4. Inertia
5. Rain
6. Dreamgatherer
7. The Heart of December
8. Burial
9. Solastalgia
10. The Same Hell MMXXV
11. Metaphor
Line-up
David Conrad: Vocals and guitars
Matthias Settele: Guitars, bass, flute, deer bones and additional vocals
Nils Groth: Drums and additional vocals
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