Alles hat seine Zeit und alles hat seinen Ort. Dass es im Fall von „Rat Wars“ ausgerechnet die einsame Landstraße um drei Uhr nachts ist, möchten wir nicht als Kritik verstanden wissen. Denn die Art und Weise, wie HEALTH mit ihrem Mix aus elektronischen Elementen, Industrial und Alternative Rock eine geradezu existenzialistische Grundstimmung zaubern, ist wie geschaffen für diese Augenblicke. Wenn wir mit uns selbst allein sind und die eigene Umwelt in den Hintergrund tritt, findet das Trio aus Los Angeles die richtigen Töne.
Einen nicht unwesentlichen Anteil daran trägt Gitarrist und Sänger Jake Duzsik, dessen sanfte und helle Stimme – angereichert mit Hall und diverser Postproduktion – die Seele streichelt, während sie zugleich schwerelos über unseren Köpfen dahinschwebt. Diesen ätherischen Klangkosmos, den passende Synthesizer in „Demigods“ oder „Ashamed“ heraufbeschwören, kontrastieren HEALTH mittels ungleich kantiger Industrial-Riffs, welche auch mal ein wenig NDH-Flair Marke frühe RAMMSTEIN in sich tragen.
“Rat Wars” erhält seine Dynamik durch die Kombination von Gegensätzen
Nur sind die Gitarren auf „Rat Wars“ weniger tragendes Element als weiteres Stilmittel, das schon mal das Feld zugunsten stampfender („Future Of Hell“), manchmal auch tanzbarer Beats („Hateful“) räumen muss. Dynamik erhält „Rat Wars“ darüber hinaus durch die Kombination dieser Gegensätze, wenn Duzsik beispielsweise in „Crack Metal“ verträumt sinnierenden Gesang über das teils hektische, teils laut röhrende Rhythmusfundament legt. Ähnlich gehen HEALTH in „Children Of Sorrow“ vor, dem sie aber noch eine dezent metallischere Kante verpassen.
Dass „Rat Wars“ bereits das sechste Studiowerk der Kalifornier ist, zeigt sich insbesondere auf Makroebene: Konzipiert ist die Platte mit Routine und Umsicht, so dass größere Spannungsgefälle souverän umschifft werden. Relativ homogen agieren HEALTH gerade tempomäßig dennoch: Den anstachelnden Elan, den beispielsweise PERTURBATOR manchmal zum Rückgrat seiner Songs macht, spüren wir hier nur in Auszügen (u.a. „DSM-V“). Ein Wermutstropfen muss das natürlich nicht unbedingt sein, insbesondere wenn wir uns den musikalischen Klangwelten im richtigen Kontext nähern: spät nachts, bei schwachem Licht auf der einsamen Landstraße. Und wenn es das nicht tut, dann lässt es sich vor dem Morgengrauen in den eigenen vier Wänden fast genauso gut im Schaffen der drei US-Amerikaner versinken.
Veröffentlichungstermin: 07.12.2023
Spielzeit: 41:32
Line-Up
Jake Duzsik – Vocals, Gitarre, Synthesizer
John Famiglietti – Programming, Synthesizer, Bass
Benjamin Miller – Schlagzeug
Produziert von Stint
Label: Loma Vista
Homepage: https://www.youwillloveeachother.com/
Facebook: https://www.facebook.com/healthnoise
HEALTH “Rat Wars” Tracklist
1. Demigods (Video bei YouTube)
2. Future Of Hell
3. Hateful (Video bei YouTube)
4. (Of All Else)
5. Crack Metal
6. Unloved (Video bei YouTube)
7. Children Of Sorrow (Video bei YouTube)
8. Sicko (Video bei YouTube)
9. Ashamed (Video bei YouTube)
10. (Of Being Born)
11. Dsm-V
12. Don’t Try (Video bei YouTube)