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GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR: ´Alleluja! Don´t Bend, Ascend.

GODSPEED YOU! BLACK EMPERORs erstes Album seit zehn Jahren trollt die Musikszene und beglückt das Publikum mit dem logischen Nachfolger von "Yanqui U.X.O."

Ich hätte gerne das Gesicht von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR und den Leuten hinter CONSTELLATION RECORDS und SOUTHERN RECORDS gesehen, als verkündet wurde, dass ´Alleluja! Don´t Bend, Ascend. herauskommen würde. Am selben Tag, beim ersten GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR-Konzert. So ganz ohne Vorwarnung. In den Läden schon in zwei Wochen. Keiner hat´s vorher gewusst. Das Gegenteil der NUCLEAR BLAST-Salamitaktik, mit uninteressanten Studiovideos und ähnlichem Klimbim, die Leute krampfhaft heiß zu machen. Das Grinsen dieser eingeschworenen Crew, es muss breiter gewesen sein, als die Niagarafälle. Und es ist ein Statement. Der Preorder von ´Alleluja! Don´t Bend, Ascend. war nach nur einem Tag ausverkauft. Nimm dies, du hässliche Fratze der sogenannten Indie- und Underground-Szene mit deinen Special-Editions, die niemand braucht! Eine Band wie GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR, die tief in der DIY-Szene verwurzelt ist, hat alle großen Labels der Welt mit dieser Aktion meisterhaft getrollt. Gleichzeitig muss man erkennen, dass diese Vorgehensweise nur bei wenigen Bands und in einer vernetzten Welt wie der unsrigen funktioniert.

Die Welt ist überhaupt in den letzten zehn Jahren, seit der Veröffentlichung von Yanqui U.X.O. eine andere geworden. Das Internet hat endgültig den Sieg über die Welt erlangt, 1984 ist mehr oder weniger wahr geworden, da jeder ganz freiwillig seine privaten Daten einem rotznäsigen, rothaarigen Milliardär anvertraut, die Musikbranche hat sich nicht erholt, sondern stürzt immer mehr ab. GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR sind ein Gegenpol dazu, das gute Gewissen der Alternative-Szene. Umso erfreulicher, dass ´Alleluja! Don´t Bend, Ascend. eine wütende, von Harmonien und Ruhepausen durchzogene Instrumental Rock-Platte ist, die klar aufgebaut ist. Vielleicht etwas zu wenig nach zehn Jahren Wartezeit, aber immer noch groß. Zwei zwanzigminütige Brocken und zwei sechseinhalbminütige Improvisationsstücke sorgen für eine erstaunliche Symmetrie. Die Dynamikausbrüche wurden in den letzten Jahren von vielen Bands kopiert, aber nirgends wirken sie so punkig und klingen so sehr nach Weltmusik, wie bei GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR.

Mladic, der erste der beiden langen Tracks wird erst nach der Hälfte richtig gut, wenn die Streicher für Dramatik sorgen, wenn es laut wird, wenn wir begreifen, dass hier wirklich ein Orchester spielt. Es dauert, es braucht seine Zeit, aber es kommt gewaltig. Zunächst, wenn es nach Musik aus dem osmanischen Reich klingt, durchzogen mit Drones und der Ethik des Punk. Das Ende hingegen ist phänomenal groß, episch und gefühlvoll. Die Rechnung geht in seiner Gänze bei We Drift Like Worried Fire auf, das sich schön entfalten kann, düster und mit dissonanten Streichern beginnt, in seinen zwanzig Minuten viele Wandlungen mitnimmt, vom großen Drama, hin zur puren Schönheit über den Umweg des infernalischen Lärms. Das ist nicht neu, aber doch immer wieder gut und wird auch in zehn Jahren noch für Gänsehaut sorgen. Die beiden improvisierten, sphärischen Stücke Their Helicopters´ Sing und Strung Like Lights At Thee Printemps Erable sind schön, aber auch unspektakulär. Ein regulärer, langer dritter Song wäre vermutlich jedem lieber gewesen.

Die Extravaganz an GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR ist immer noch mit beiden Beinen verwurzelt in der DIY-Szene, ist schmutzig und rau. Das hebt das Ensemble um Efrim Manuel Menuck auch zehn Jahre nach Yanqui U.X.O. noch von den ganzen Kopisten ab. Dennoch hat sich die Szene weiter entwickelt, und da GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR auf ´Alleluja! Don´t Bend, Ascend. genau da bleiben, wo sie aufgehört haben, wirken sie wie aus einer anderen Welt, sind unbequem, episch, voller Aussage, voller Wut, voller Schönheit. Aus der Übung sind die Musiker ja beileibe nicht, die zahlreichen Nebenprojekte, mit denen uns die Musiker stets beehrten, lassen diese Rückkehr auch nicht zu überraschend erscheinen. Fakt ist aber, dass dieser Sound nur von eben dieser Musikerkonstellation entstehen kann. Das hat etwas Zeremonielles, übertrieben gesagt vielleicht sogar Heiliges, auf jeden Fall Besonders an sich.

Das ist schwer zu greifen, die Agenda ist jedoch klar, steht im Titel und muss nicht erst groß gedeutet werden: Statt sich zu verbiegen den steinigen Weg gehen, dadurch zum ewigen Heil zu finden. Ist das nicht etwas platt für GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR? Vielleicht. Aber es passt zur Rückkehr der Kanadier, bei der eine gewisse Altersmilde Einzug hält. Das trägt vielleicht auch Schuld daran, dass ´Alleluja. Don´t Bend, Ascend. nicht ganz mit dem mithalten kann, das diese Band vor der Pause veröffentlichte. Ein spannendes, mehr als gutes Album ist ´Alleluja! Don´t Bend, Ascend. dennoch geworden. Allein schon wegen der schelmischen Veröffentlichungspolitik, dieser schallenden dicken, gerecht verteilten Ohrfeige, die GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR der gesamten organisierten Welt des Musikbusiness zeigen.

Veröffentlichungstermin: 19. Oktober 2012

Spielzeit: 53:04 Min.

Line-Up:
Thierry Amar – Electric Bass, Contrabass, Cello
David Bryant – Electric Guitar, Dulcimer, Portasound, Kemence
Bruce Cawdron – Drums, Vibraphone, Marimba, Glockenspiel
Aidan Girt – Drums
Efrim Manuel Menuck – Electric Guitar, Hurdy Gurdy
Michael Moya – Electric Guitar
Mauro Pezzente – Bass Guitar
Sophie Trudeau – Violin, SK5
Karl Lemieux – 16-mm Film Projections

Label: Constellation Records

Homepage: http://www.brainwashed.com/godspeed/

Mehr im Netz: http://cstrecords.com/gybe/

Tracklist:
A1. Mladic
B1. Their Helicopters´ Sing
A2. We Drift Like Worried Fire
B2. Strung Like Lights At Thee Printemps Erable

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