Halleluja! FEUERSCHWANZ haben ein neues Album. Und sollte die folgende Rezension nicht allzu positiv ausfallen (ich fürchte es ein wenig), liebe Fans: Nehmt es mir nicht übel. Die Band musste sich schon immer auch negativer Kritik stellen – und trotzdem hat sie es mittlerweile auf zwölf Studioalben gebracht und kratzt am Mainstream-Erfolg. Ich schwöre: Auch einige meiner Lieblingsbands fuhren regelmäßig Verrisse ein. Ich habe ja einen Crush auf Hair Metal (nur echt mit Fönfrisur oder Vokuhila). Und mal ehrlich – wie sollte eine Band zur Kultband reifen, wenn es nicht wenigstens hin und wieder einen Verriss gibt? Eben. Also aufwärmen und locker machen für den Slap-Fight!
FEUERSCHWANZ haben Ohrwürmer – leider
Zunächst das Positive: Spielerisch ist hier alles im grünen Bereich. Die Riffs haben ordentlich Druck, auch wenn sie sich manchmal kaum vom tiefergestimmten Einheitsbrei abheben, die Rhythmen treiben und die Soli sind sauber gesetzt.
Auch die Folkinstrumente sind solide: Johanna an Geige und Drehleier sowie Hodi an Flöten und Dudelsäcken setzen immer wieder schöne melodische Tupfer. Zwar folgen sie oft den Gitarren, agieren aber mitunter freier, komplexer und verspielter als der Rest der Band und lassen den Sound dadurch lebendiger wirken. Vor allem Johannas flinkes, vom Irish Folk inspiriertes Spiel sticht heraus – für mich das Highlight des Albums.
Die beiden Leadsänger, Hauptmann und Hodi, sind zwar keine Oktavkletterer, aber irgendwo zwischen Frank Zander (höhö) und SABATONs Joakim Brodén (dieses raue Timbre!) machen sie einen sehr ordentlichen Job. Und ich kann nicht abstreiten: Nach dem Hören dieses Albums habe ich so manchen Ohrwurm. Himmel! Ich kann den Kopf noch so sehr schütteln – die Melodien werde ich einfach nicht los. Sie verfolgen mich wie damals der knatternde Frosch aus der JAMBA-Werbung.
Natürlich legt es die Band auf maximale Eingängigkeit an: Die Refrains werden öfter wiederholt als Warnhinweise und Ausfallmeldungen in der Deutsche-Bahn-App. Alles ist aufs Mitgrölen angelegt – Call-and-Response-Spiele und simple, eingängige Akkordprogressionen. Ich bin mir sicher: Sie haben das Handbuch „Wie schreibe ich einen Song, den alle auch mit vier Promille noch textsicher draufhaben?“ nicht nur gelesen, sondern auswendig gelernt.
Der Titelsong biedert sich zu sehr beim ESC-Publikum an
Zumindest eines kann man FEUERSCHWANZ nicht vorwerfen: dass sie es dem Hörer schwer machen. Der Opener „Knightclub“ – bekannt vom ESC-Vorausscheid – wirft uns direkt in den Refrain. Die gedämpften Powerchords flirten sowohl mit Metalcore als auch mit Power Metal – man will schließlich alle an Bord, äh, in der Burg haben. Und der Refrain? Wird gefühlt 3.879.382-mal wiederholt. Habe ich eine Wiederholung zu viel gezählt? Sorry, liebe FEUERSCHWANZ-Fans – war keine böse Absicht. Ich will jetzt auch wirklich nicht übertreiben.
Ich muss ganz ehrlich sein: Ich war erleichtert, dass es FEUERSCHWANZ mit „Knightclub“ nicht zum ESC geschafft haben – obwohl ich es ihnen auf einer menschlichen Ebene gegönnt hätte. Und das lag nicht nur daran, dass Stefan Raab bekanntermaßen keine Rockmusik mag und sie im Vorentscheid aussortieren wollte, weil sie diesen sicher gewonnen hätten. Man hatte schlicht festgestellt, dass die europäischen Wettbüros dem Song keine großen Chancen einräumen – aus nachvollziehbaren Gründen:
„Knightclub“ biedert sich hörbar am ESC-Publikum an, will ein sofort zündender Party-Song sein, den man nach dem ersten Refrain mitgrölt. Aber er ist so glattgebügelt, dass man darauf ausrutschen kann. Andere Länder haben gezeigt, dass Rock beim ESC funktioniert – man denke nur an LORDI („Hard Rock Hallelujah“) oder Måneskin („Zitti e buoni“). Aber die hatten genau das, was „Knightclub“ fehlt: Charme, eine eigene Identität und das Gefühl, dass da ein Scheiß auf Erwartungen gegeben wurde. Und das ESC-Publikum ist nicht doof – es merkt, wenn es verarscht werden soll.
Gummibären für Mitklatschkapitäne
Der zweite Song „Valhalla“ ist eine fast unerträgliche Viking-Metal-Nummer für pensionierte Oberstudienräte, Mitklatschkapitäne und Gummibootpiraten. Man muss sich diesen Song wie die Eröffnungsmelodie der Gummibärenbande vorstellen – so aufdringlich fröhlich und schunkelnd kommt er aus den Boxen.
Im vorliegenden Fall hat die Bande der knuffigen Kuschelbärchen den Fernsehgarten geentert. Ich schwöre: Selbst Rolf Zuckowski würde es nicht gelingen, einen derart harmlosen und banalen Song auf seine kindliche Zielgruppe loszulassen. Schnappi, das kleine Krokodil, hat da deutlich mehr Biss. Der Bierkrug der Franken ist mit gepanschtem Sangria gefüllt, der viel Zucker, aber wenig echte Früchte bietet.
Mit im Schunkelboot sitzt bei dieser Nummer DORO. Ich mag sie wirklich und verteidige sie oft – aber mittlerweile scheint es fast Gesetz zu sein: Taucht sie als Featuregast auf, kann man den Song gleich in die Tonne treten. Ihre Botschaften von Freundschaft und „Wir sind alle eine große Familie“ in Ehren – aber es gibt eine Schmerzgrenze. Genau da, wo der Zahnarztbohrer bei der Wurzel-OP den Nerv trifft, wird es irgendwann schlicht unerträglich. Ich muss den Refrain zitieren: „We are Vikings / We are Valkyries / Stand together side by side / We are Vikings / We are Valkyries / Into glory we will ride“. Leute, ihr kentert doch schon kurz hinter Erlangen! Und müsste es nicht eigentlich „Into glory we will sail“ heißen? Geschenkt.
Vieles an „Knightclub“ ist schlicht unoriginell
Doch es gibt noch ein anderes Problem: Mit zunehmender Spieldauer fällt auf, wie unoriginell die Band oft musiziert. Fast jeder Song folgt einem Grundmuster, das an andere Bands erinnert. Auch das Folkinstrumentarium kann dem nicht als Gegengewicht dienen – obwohl es, wie bereits erwähnt, innerhalb der Genregrenzen durchaus Qualitäten zeigt.
Entsprechend liefern gleich mehrere Songs den typischen SABATON– oder POWERWOLF-Moment: heroische Chöre im Refrain, gewohnt stampfende Rhythmen, Powermetal-Chords und ungewollt bierselige Harmonien. Das Rezept funktioniert wie ein McDonald’s-Burger: längst bewährt und die Zielgruppe liebt es, vertraut im Geschmack – in billigem Fett gebrutzelt, mit einem Hauch von Pappe.
„Name der Rose“ bedient sich gnadenlos bei IN EXTREMO und POWERWOLF. Strophe und Refrain zitieren die Mannen um das Letzte Einhorn so exakt, dass man meinen könnte, eine KI hätte den Song programmiert: „Hey Jukebox, schreibe einen typischen IN EXTREMO-Song – genau so, wie ihn die Berliner komponieren würden!“ Natürlich weiß jeder, dass eine KI den Sound nie zu 100 Prozent treffen könnte. Die Wahrheit daher ist: Die Band wurde entführt und musste mit vorgehaltener Pistole ihren Mittelalterrock einspielen.
Und der Postchorus? Voller typischer POWERWOLF-Zutaten: hymnische Chöre, bombastische Akkorde und die unvermeidlichen lateinischen Passagen – „Halleluja / In Nomine Patris / Domine Nobis“ –, man könnte fast glauben, FEUERSCHWANZ hätten die Wolfsfelle direkt aus der Requisitenkammer ihres heimischen Theaters geklaut.
FEUERSCHWANZ könnten auch anders
„Tanz der Teufel“ ist ein SUBWAY-TO-SALLY-Rip-off, sodass man sich fragt, warum nicht Eric Fish singt – oder ob er einfach erkältet ist. Einzig die orientalisch angehauchten Akkorde und Harmonien im Mittelteil bringen ein wenig Eigenständigkeit ins Spiel – und die sind richtig stark. Es scheinen durchaus Momente durch, in denen man eine Ahnung bekommt, dass diese Band eine eigene Identität und Sprache entwickeln kann – würde sie sich nur trauen.
Am besten sind FEUERSCHWANZ immer dann, wenn sie wirklich leicht und unbeschwert klingen – und das meine ich hier als Kompliment. In der Strophe von „Eisenfaust“ übernimmt die Violine die Leadharmonien, der Song wird von fließenden Akkorden getragen und von fast barocken Harmonien kontrastiert – das macht tatsächlich Laune. Auch Solo und Riffs sind hier hörenswert und richtig gut gelungen.
Leider sind solche Momente rar. Stellenweise wirkt das Album unglaublich verkrampft – als hätte die Band Angst, sich einfach mal gehen zu lassen und genau das zu tun, was sie eigentlich beherrscht. Das Album klingt, als hätten FEUERSCHWANZ Angst davor, FEUERSCHWANZ zu sein.
Der Setzbaukasten des Generic-Folk-Metal
Nehmen wir einmal an, wir hätten es hier tatsächlich mit einem typischen Generic-Folk-Metal-Album zu tun. Ihr wisst schon: voll auf Event- und Partypublikum zugeschnitten, aalglatt komponiert, alles penibel auf Eingängigkeit und Bierbank-Kompatibilität getrimmt. Und wir wollen hier ja nichts unterstellen, aber – fehlt da nicht noch etwas?
Genau! Wir brauchen ein astreines Sauflied – und damit kann ich dienen: In „Drunken Dragon“ hopsen wir fröhlich im Panorama einer untergehenden Sonne dem Bierfass entgegen. Der betrunkene Drache? Keine Sorge, kein wildes Tier, sondern der Name einer Taverne. Die Nummer ist zugleich eine Irish-Folk-Hommage, die zeigt, warum deutsche Bands – abgesehen vielleicht von den PADDYHATS – so oft an dieser großartigen Folkmusik scheitern:
Irish Folk ist nicht nur ein Genre, zu dem man sich die Kante geben kann. Shane MacGowan sei mein Zeuge: Es geht um soziale Missstände, gutes Storytelling, die Welt von unten zu beobachten, um den Stolz und die Überlebenskämpfe der Working Class – und um Leidenschaft und Spielfreude. FEUERSCHWANZ liefern hier stattdessen eine Nummer, die mal nach Piraten-Schunkelei klingt, dann wieder nach… ach, ich spare mir besser den Verweis auf den ZDF-Fernsehgarten.
Der ultimative FLIPPERS-Moment
Dann gibt es noch eine Nummer, die mich komplett sprachlos zurücklässt. „Avalon“ klingt so sehr nach den Schlagerbarden DIE FLIPPERS – liebe Redaktion, wieso haben wir kein FLIPPERS-Schlagwort? Wir brauchen das bei solchen Bands doch öfter! – dass ich nicht an Zufall glauben will. Es ist ein FLIPPERS-Song, gespielt von einer – ähm – Power-Metal-Band. „Lotusblume hab ich dich genannt…“ Ach nee, jetzt habe ich mich im Text verirrt.
Natürlich könnte ich hier wieder auf die Band eindreschen. Aber, ganz ehrlich, ich finde es tatsächlich mal witzig. Es ist ein dezenter Wink mit dem – ähm – Hawaii-Blumenkranz, zumal der Text toternst den üblichen Power-Metal-Klischees huldigt. Ich will nicht ausschließen, dass ich diesen Song mal auf eine Playlist packe, um Power-Metal-Fans der neuen Prägung zutiefst zu verunsichern. Das ist kein Schlager-Metal aus Versehen: Das ist Schlager-Metal mit Ansage. Dass sie mich damit catchen können, ist dann doch raffiniert.
Recht stumpf wird es hingegen mit Songs der Marke „Lords of Fyre“, bei denen jedes Power-Metal-Klischee ungebrochen sowohl textlich als auch musikalisch über den Hörer hereinbricht. Ich sehe Bernhard Hoëcker, der den letzten Fernsehgarten mitmoderierte, headbangen und die Faust in die Luft recken. Er ist ein Sympathieträger, ohne Frage, aber wenn er seine Lieblingsbands aufzählt, wird einem Angst und Bange. Chris Harms grummelt in der Strophe mit, der Refrain enthält mehr Plastik als ein Hochseefisch (habe ich diesen Gag schon bei ALL FOR METAL gebracht?).
Es ist diese Art von Power-Metal, die bevorzugt mit Spielzeugschwert vorgetragen wird und deren Burg keine aus Stein und Eisen ist, sondern eine Sandburg auf Malle. Neulich schrieb ein User in einer Heavy-Metal-Fangruppe, er schäme sich mittlerweile, öffentlich zuzugeben, dass er Metalfan ist – er wolle einfach nicht, dass die Leute denken, er höre derartige Musik. Es ist nur ein kleiner Schritt, sich als Hardcore-Wolfgang-Petry-Fan zu outen: Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Wolle nicht doch die rockigeren Gitarren hat.
Partysongs for Partypeople
FEUERSCHWANZ liefern hier genau das, was die Fans erwarten: Partysongs for Partypeople. Alles ist gut gespielt und professionell vorgetragen, die Produktion klingt glatt, aber wuchtig – Simon Michael Schmitt von SUBWAY TO SALLY saß an den Reglern, das Mastering übernahm Jacob Hansen. Und natürlich werden diese Songs live wunderbar funktionieren, vielleicht sogar beim nächsten Wacken-Festival: Die Mannen und Damen haben live durchaus Qualitäten, wie man weiß. Dass jedoch – ich hatte es bereits bemängelt – zunehmend Witz und Unbekümmertheit fehlen, weil die Band ernst genommen werden will, ist dann doch ein kaum zu überhörendes Manko.
Doch sollte man nicht gelegentlich hinterfragen, wohin sich die Metal-Subkultur entwickelt? Mit Bands wie ALL FOR METAL, DOMINUM, BATTLE BEAST oder POWERWOLF gibt es mittlerweile eine ganze Armada an Acts, die den kleinsten Widerstand gehen und die Bedürfnisse eines zahlkräftigen Publikums bedienen – ein Publikum, das man bei den Konzerten anderer Acts eher nicht findet. Wenn dadurch Plattenfirmen auch originellere und schwierigere Acts querfinanzieren, die ihr Publikum fordern, ist das durchaus positiv. Allein: Ich fürchte, dass das Generische immer stärker die Szene dominiert. Meine Güte, jetzt fange ich schon an zu predigen – das muss auch erst einmal eine Band schaffen. Amen!
veröffentlicht am 22. August 2025
Spielzeit: 39:00
Label: Napalm Records
Knightclub Line-Up:
Hauptmann: Vocals, Acoustic Guitar, Irish Bouzouki
Hodi: Vocals, Bagpipes, Acoustic Guitar, Irish Bouzouki, Hurdy-Gurdy, Shawm, Tin Whistle, Renaissance Lute, Mandolin, Uilleann Pipes
Johanna: Violin, Hurdy-Gurdy
Hans: Electric Guitar, Acoustic Guitar
Rollo: Drums
Jarne: Bass, Vocals
Myu: Dance & Performance
Musch Musch: Dance & Performance
1. Knightclub (feat. Dag SDP) (Video bei Youtube)
2. Valhalla (feat. Doro) (Video bei Youtube)
3. Gangnam Style
4. Name der Rose
5. Testament
6. The Tale of Sam the Brave (Video bei Youtube)
7. Sam The Brave
8. Drunken Dragon
9. Eisenfaust
10. Avalon
11. Tanz der Teufel
12. Lords of Fyre (feat. Lord Of The Lost) (Video bei Youtube)