„Velkommen til livet“, dein Ernst, Ole Luk, wie geil ist das denn bitte? Derartige Phrasen sind völlig unter meiner Würde, aber ich muss sie einfach schreiben, denn im Ernst, WIE GEIL IST DAS DENN BITTE, wenn eine Black-Metal-Platte mit dem Sample eines, hm, Hippie-Schlagers oder Kinderliedes oder was auch immer anfängt? Und dann, nach einem wie immer herrlich angeekelten Schrei einen über eine sehr interessant gespielte Bass-Melodie und flirrende Tremolo-Gitarren hinein ins Melodic-Black-Metal-Paradies führt? Richtig: unfassbar geil. Und es geht auch so weiter.
Denn das vierte Album von AFSKY schafft, was die ersten drei nicht hingekriegt haben: über die ganze Länge voll und ganz zu überzeugen, zu bezaubern, eine Gänsehaut zu erzeugen, wie ich sie so schon lange nicht mehr beim Hören eines Metal-Albums hatte. Wo auf den Vorgängern ein, zwei Höhepunkte pro Album genügen mussten, ist das erste AFSKY-Album auf Eisenwald ein einziger langer Höhepunkt aus Melancholie, Erhabenheit, Weltschmerz und -ekel, aber sowas von. Dabei ist es auch noch abwechslungsreich und kurzweilig und überhaupt viel zu schön, um wahr zu sein, und ihr solltet es alle sofort kaufen.
Wie, es fehlen noch ein paar Argumente? Na gut: „Den der ingenting ved tvivler aldrig“ überrascht mit Punk-Spirit und Marschmusik, dem der Hohn und Spott und Spaß, den diese Band neben dem ganzen Abscheu halt auch verkörpert wie keine zweite, aus jeder Pore tropft; „Natmaskinen“ versteckt allen Ernstes die Hymnenmelodie von GLORIA GAYNORs „I Will Survive“ in sich; „Arveskam“ ist in Musik gegossene Melancholie und Verzweiflung und beinhaltet einen der schönsten Schreie, den dieses Genre je hervorgebracht hat; „Flaggelanternes sang“ nimmt uns mit in die tiefe Trauer des Herbstes, und „Svanesang“ ist der perfekte Schwanengesang.
„Fællesskab“ ist eine unwiderstehliche Black-Metal-Symphonie
Wie hat er das geschafft? Na ja: Luk hat den Melodie- und Bombast-Faktor seiner Musik auf 11 gedreht, sich dabei (fast) ganz ohne Keyboards diverser klassischer Musiken und Soundtracks bedient und so letztlich eine unwiderstehliche Black-Metal-Gitarren-Symphonie geschaffen, die m.E. jetzt schon Klassikerstatus besitzt und lediglich aufgrund des etwas zu hellen Klangbildes (meine Ohren!!) nicht ganz die Höchstnote verdient hat. Seine Stimme ist eh über jeden Zweifel erhaben: Angenehmer hat mir noch nie jemand in die Ohren gekreischt.
Im Ernst: Was für ein Album. Und ja, ich war auch skeptisch ob der vielen kleinen Geschichten um diese Band, die wegen eines LGBTQ-freundlichen Stickers schnell der Liebling der linken Metal-Szene und dann wegen ein paar dummer Aussagen und Fehler in der Vergangenheit ihr Buhmann geworden ist. Was für ein Quatsch, möchte ich dazu nur sagen: Wer von einer Band, die ihr Social-Media-Profil früher während einer Tour vorwiegend dafür benutzt hat, die Fans um was zu rauchen zu bitten und deren Musik nichts als wahrhaftiger Emotionsausdruck ist, ernsthaft perfekte politische Analysen und eine professionelle Außendarstellung erwartet, der macht irgendwas falsch.
Ist Zweifel eine Straftat?
Nichtsdestotrotz hat mich die Ankündigung des Albums und insbesondere das darin enthaltene Zitat zum Konzept des Albums erstmal geärgert, zu sehr klingt es nach bekiffter Verschwörungstheorie, wenn Luk schreibt, das Album behandele „eine Parade moralischer Überheblichkeit, in der die Wahrheit im Namen des Konsens platt getrampelt wird. Wo Einheit Schweigen bedeutet und Zweifel eine Straftat ist. Sechs Songs über Scham verkleidet als Sorge, über erstickte Freiheit und über die einsamen Wenigen, die sich noch trauen etwas in Frage zu stellen.“ Das ist ja nun ein ganz schönes Geraune, aber immerhin so offen formuliert, dass kein Mensch wissen kann, was er damit meint, und ich bin geneigt, ihm Verständnis entgegen zu bringen, denn die Erfahrung, aus Gründen der moralischen Reinheit von Konzerten ausgeladen zu werden, kann so ein Denken ja begünstigen. Es gibt darüber hinaus tatsächlich Themen – ich denke da z.B. an die aktuelle Debatte um Aufrüstung, Krieg und Frieden -, bei denen bestimmte vernünftige und in der Wirklichkeit verwurzelte Positionen sehr schnell moralisch diskreditiert werden, weil sie nicht zur offiziellen Staatsräson bzw. -moral passen. Trotzdem: Eine Straftat ist Zweifel nun wahrlich nicht, und es sind auch nicht gerade wenige Menschen, die sich trauen, etwas abseits der allgemein vertretenen Meinungsbilder zu äußern…
Ein reiner Rausch
So oder so ist Doppelmoral von Gesellschaft und Gemeinschaft aber sicherlich ein Thema, für das es zahllose Beispiele in der Geschichte der Menschheit gibt, und so allgemein gesprochen mag ich an der Auseinandersetzung damit auch nichts Verwerfliches finden; vielleicht ist Ole Luk aber auch einfach nur ein leidenschaftlicher Musiker und Raucher und ansonsten eben nicht so viel. Es kann mir egal sein, denn „Fællesskab“ klingt so kohärent und kraftvoll, so dermaßen nach Befreiungsschlag und Arschtritt, es ist ein reiner Rausch ganz ohne Rauschmittel, eine Hymne an das Leben, die Melancholie und den Metal und allein deshalb eines der schönsten und besten Alben des Jahres.
Spielzeit: 46:20 Min.
Veröffentlichungsdatum: 17.10.2025
Label: Eisenwald
AFSKY „Fællesskab“ Tracklist
1. Velkommen til livet
2. Den der ingenting ved tvivler aldrig
3. Natmaskinen (Audio bei YouTube)
4. Arveskam
5. Flagellanternes sang
6. Svanesang