Bene, es reicht! – Ein Kommentar

Gerade dieser Tage lag die Titanic mit der Schlagzeile "Neues Gammelfleisch auf dem Weg nach Deutschland" wieder goldrichtig. Genau, der deutsche Stellvertreter Gottes auf Erden ist wieder süchtig auf Beifall. Der Popstar ist wieder auf Tour.

Hatte sich nicht in den letzten Jahren der gesunde Menschenverstand in Bezug auf Glauben und Frömmigkeit etwas mehr durchgesetzt? Konfirmieren ließ sich mein Jahrgang jedenfalls nur wegen dem Geld. Mag sein, dass der ein oder andere heute jeden Sonntag in die Kirche geht – für wahrscheinlich halte ich das allerdings nicht. Nun hat das Ganze mit dem Ende von Papst Johannes Paul II. eine seltsame Wendung genommen. Vorher war er nur der Papst. Eine alte, gebeugte Gestalt in weißen Gewändern. Total langweilig und uncool. Als der Alte im Sterben lag, informierten die Medien die Welt im Sekundentakt über alle Details. Jedes Röcheln vom Gespenst aus dem Vatikan wurde uns weitergegeben. Respekt an dieser Stelle an den Alten Haudegen, für eiserne Standhaftigkeit bis zum Schluss. Man könnte natürlich auch sagen, sein Auftrag war vorüber, der Vater holte ihn zu sich, nicht wahr? Aus christlicher Sicht müsste dessen Weigerung zu vergehen also im Grunde genommen höchst bedenklich gewesen sein, hätte er sich doch voller Freude in die Arme seines direkten Vorgesetzten fallen lassen müssen.

Viel bedenklicher aber, dass der ganze Rummel nicht nur die üblichen Verrückten Jesus-Freaks angesteckt hat, sondern scheinbar ganze Scharen von meist jugendlichen Menschen quasi über Nacht zum Papst-Fan gemacht hat. Zu allem Überfluss kommt der Nachfolger nun seit einiger Zeit aus Deutschland. Und der hatte von Beginn an keine, aber auch gar keine Skrupel, sich wie ein Popstar abfeiern zu lassen. Selten hat sich der Wahnsinn so schnell ausgebreitet. Es dauerte keine Tage, da gab es die ersten T-Shirts, Bücher, Postkarten und Poster über den neuen deutschen Papst. Tausende Menschen – oft Jugendliche – pilgern zu dessen Erscheinen. An vorderster Front kämpfte die Bildzeitung, quasi als Sprachrohr für die geistig tieffliegende Unterschicht, die plötzlich zu weiten Teilen ihre Gläubigkeit entdeckt hatte. Aber das Ganze hat auch wieder ein Ende, so hoffte man. Und tatsächlich flaute der Hype um den alten Mann in Weiß auch wieder ab.
Allerdings zu kurz.
Gerade dieser Tage lag die Titanic mit der Schlagzeile Neues Gammelfleisch auf dem Weg nach Deutschland wieder goldrichtig. Genau, der deutsche Stellvertreter Gottes auf Erden ist wieder süchtig auf Beifall. Der Popstar ist wieder auf Tour. Doch diesmal begrenzt er sich nicht auf dümmliches Lächeln, wiederholen von Binsenweisheiten und die möglichst jedermann ansprechende Promotion seiner Person. Diesmal ist er dreister, offensiver, fordernder. Statt mit Ratschlagen für die internationale Politik in Form von jederzeit beliebten Anti-Kriegs Floskeln, die vom deutschen Volk jederzeit auch ohne Lösungsvorschläge als weise Worte angesehen werden, spricht er nun die Deutschen direkt an. Vor 250.000 Menschen quasselt der konservative Gottesmann von einer Schwerhörigkeit Gott gegenüber. Und dabei schiebt er lauter kleine, fiese Dinge zwischen die Zeilen. Dinge, die er eigentlich gar nicht sagt, aber meint. Dieser Mann bietet keinen Glauben an diejenigen an, die ihn wollen, er fordert ihn für alle. Ich als Atheist fühle mich durch sein Statement diskriminiert. Bin ich schwerhörig, also auf gewissen Art und Weise behindert, weil ich die Stimme Gottes nicht vernehme? Bin ich auf dem falschen Weg, weil ich mein Leben nicht für Hirngespinste, wie Glauben und Gebete wegwerfe? Werde ich nicht akzeptiert, sondern nur notgedrungen geduldet?
Aber der Papst gibt keine Antworten. Er redet nur. Über Gott, über die Deutschen. Er gibt sich familiär und freundlich, appelliert geschickt an die, erst kürzlich – zur Fußball WM – wiederaufgelebte Welle des Patriotismus seiner Landsleute. Er faselt von Heimat und Brüderlichkeit und gutem Willen. Nebenbei steckt er Bundespräsident Köhler, dass Muslime besser integriert werden sollen. Ich frage mich, wo die Muslime in seinem Weltbild wohl ihren Platz haben. Unter oder über mir? Immerhin bin ich taub und gehörlos, kein vollwertiger Mensch. Was ist dann erst jemand der nicht nur gar keine, sondern gar die falschen Stimmen hört? Wahnsinnig? Ist es Mitleid, das Benedetto da zeigt? Oder echter Respekt? Auf jeden Fall Teil eines großen Werbekonzepts um seine Heiligkeit.

Wer kann da schon den Kopf schütteln, wenn der gute Bene so viel kluge Dinge von sich gibt? Wer kann sich schon dem gesunden Patriotismus widersetzen, einer stolzen, treuen Nation unter der Schirmherrschaft Gottes und der schützenden Hand von Joseph Ratzinger? Klingt wie aus dem letzten Jahrhundert, oder? Verdammt, ja! Bringt dem Mann zum Schweigen! Bene, es reicht! Predige deine veraltete Weltsicht in irgendeiner staubigen Kirche, vor denen, die es hören wollen, aber verschone uns mit den inquisitorischen Reden und Seitenhieben. Versteckt hinter dem Panzerglas des Papamobils winkt er den Massen. So gering ist sein Vertrauen auf Gott und Schicksal, dass er diesen Schutz braucht, so groß die Angst vor seinen Schäfchen. Als ob er die Zeit für uns – die schwarzen Schafe – wert wäre!
Und statt er den Gläubigen nur zuredet, was sie hören wollen, säht er fiese Saaten in ihren Herzen, schlechte Gewissen und Verantwortungsgefühl gegenüber Gott. Bitte geht mit euren Kindern in die Kirche, fordert er, in der Hoffnung, dass die Volkskrankheit Schwerhörigkeit vermeidbar ist. Wie viele Menschen erreicht seine Botschaft, wie viele latent-katholische Herzen entflammen dabei in ehrlicher Freude? Und, was uns als Atheisten besonders interessiert: Wie viele Menschen werden ihre Meinung gegenüber Nicht-Gläubigen in Zukunft verhärten? Wie viele Kinder und Jugendliche ihr Leben wegschmeißen, Schundromane wie die Bibel lesen und mit den Pfadfinder fromme Lieder singen?
Bei all dem fragt man sich: Wo sind die Leute, die empört aufschreien, wenn der Papst unglaubliche Dinge von sich gibt, die eigentlich kein Mensch einfach in sein Weltbild übernimmt. Was sagt der Großteil der deutschen dazu, dass der heilige Mann seine eigene Kirche dafür kritisiert in Afrika zu viele soziale und zu wenig missionarische Ziele zu verfolgen? Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Das ist ein verstecktes: Weniger Brot, mehr Gebete für die Neger! Wer macht diesem Wahnsinn ein Ende? Keiner, Bene redet einfach weiter: Die Welt braucht Gott. Wir brauchen Gott sprach´s und suhlte sich für solch harsche Propaganda auch noch im Beifall. Wo ist der Irrsinn unserer Gesellschaft am deutlichsten, wenn nicht hier? Die Dekadenz des rationalen Denkens ist als Tugend wieder in. Das haben Intelligent Design in Amerika bewiesen und das tut Joseph Ratzinger zur Zeit hier. Statt psychologischer Betreuung bekommen verstörte, orientierungslose, junge Menschen ein ideologisches Gerippe vor die Nase gesetzt, das ihnen ihre nicht vorhanden Sünden zu vergeben verspricht. Dass ihnen verspricht, etwas besseres zu sein. Manager, in Schlips und Kragen, die sonst nur trockenste Theorie durch ihre Gehirngänge ziehen, bekommen hier ihre Vision von mehr vom Leben. All die bürgerlichen Versager, egal mit welchem Job, welchem Einkommen und welcher Stellung, die nicht in der Lage sind ihr Glück aus dem zu machen, was sie haben, und all die reichen, im Luxus schwimmenden Gestalten, die trotz Überfluss keine Sättigung verspüren. Sie alle haben ihren Platz im Herz des Papstes. Und das schlimme ist: eigentlich wissen sie es alle besser. Sie glauben nicht an UFOs und die Weltverschwörung, sie lachen über Aberglaube, Magie und Gespenster, dabei verehren sie das größte Gespenst überhaupt – und das mit einer Vehemenz, einer Störrigkeit, die sonst nur jenen zu Eigen ist, die man gemeinhin als Bekloppte oder Fanatiker bezeichnet. Seite an Seite mit Ratzinger treten sie ein für die Schöpfungslehre, nicken eifrig, wenn dieser in seiner Predigt die Wissenschaft kritisiert (was eine obskure Tatsache) und legen ihr winziges Stück Leben hektisch in die Waagschale Gottes.
Was legt der Papst auf seiner Tour als nächstes auf den Tisch? Die Abartigkeit der Homosexualität? Die Ungeheuerlichkeit des Sex vor der Ehe oder der Verhütungsmittel? Sie alle, die sie ihn dort verehren, sie alle wissen um seine festgefahrene, veraltete Meinung zu diesen Dingen. Dennoch sind sie Fan. Wieso? Ja, wieso eigentlich? Was bietet Bene?

Nichts. Hirngespinste und Unterwürfigkeit. Überholte Ideale. Schimmel und Staub. Das dafür gleich massenweise. Hilf mit, dass eine der unnötigsten Traditionen der Welt endlich ihr Ende hat: der Glaube. Der blinde Glaube. Da bin ich lieber schwerhörig als blind. Papst Benedikt schürt die Feuer. Die Fans sehen wir. Vor den Bildschirmen und Großbildleinwänden, auf denen er wandelt. Wo sind die Gegner? Wo sind die, die den Mut haben, zu sagen, dass es Schmarrn ist, was der alte Mann dort faselt, dass es Rückschritt ist und unnötig, was er fordert? Kann es sein, dass die grüne Claudia Roth hier als einzige den Mumm hat offen zu kritisieren, während Stoiber und Konsorten der Götzenfigur Bene hemmungslos in den Arsch kriechen? Es muss aufhören, dass es ein Tabu-Thema ist, den Papst zu kritisieren, wie es selbst unter Nicht-Gläubigen noch ist. Auch die Passiv-Gläubigen sollen reden! Entweder du bist dafür oder dagegen, so läuft das ab jetzt!

Deshalb: Halt den Mund, Ratzi! Verkriech dich in deinem Loch und lies deine vergammelten Bücher, aber verschwinde von den Leinwänden und aus den Köpfen. Wir brauchen keine Ausnahmezustand in München oder Regensburg, keine Kameratürme und Großbildleinwände, die dein eingefallenes Gesicht aus allen Lagen zeigen. Wir wollen die A3 nicht als Parkplatz für deine Schäfchen. Wir brauchen keine offiziellen Papstsouvenirs, die natürlich kein bloßes Merchandise sind, sondern Zeugnisse der Verbundenheit und Freundschaft.
Ihr Denkenden, organisiert euch! Sprecht aus, was ihr meint und fühlt. Ein Schritt vorwärts, nicht drei zurück! Nicht gegen organisierte Religion, sondern gegen jegliche Religion, die über persönliche Glaubensvorstellungen hinausgeht. gegen Wahnvorstellungen, verzerrte Weltbilder und diktatorische Verhaltens- und Sittenregeln. Gegen Erlösungsvorstellungen und Fegefeuer-Propaganda. Für den gesunden Menschenverstand. Für die Freiheit jedes einzelnen: God Free Youth! Amen.

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