FIGHT NIGHT ROUND 2 [XBOX-SPIEL]

Die Magie des Faustkampfes auf die heimische Spielkonsole transportiert – eines der besten Sportspiele überhaupt.

Boxen ist für Zuschauer mit Sicherheit eine der aufregendsten und spektakulärsten Sportarten überhaupt. Aber in den 12 mal 3 Minuten eines Weltmeisterschaftkampfes, ist der Boxer – trotz, dass er von tausenden Leuten umringt ist – der einsamste Mensch der Welt. Ganz zu schweigen von der Situation am Ende als Verlierer im Ring zu stehen oder zu liegen. In Zeiten hoch gezüchteter 30 – 0 – 0er Rekorde kann eine einzige Niederlage schon das Ende einer Profiboxlaufbahn bedeuten. Wenn nicht das Ende, dann zumindest einen herben Rückschlag für die Psyche und die Karriere, einhergehend mit dem Verlust der Chance auf einen Weltmeisterschaftskampf, dem großen Ziel eines jeden Boxers.

Ganz so einsam ist man natürlich nicht, wenn man vor seiner XBOX das neue FIGHT NIGHT ROUND 2 von Electronic Arts spielt, aber das Spiel ist so nah am Puls des Boxens wie kein Spiel zuvor. FNR2 ist der direkte Nachfolger von FIGHT NIGHT 2004, das wiederum auf der etwas älteren KNOCKOUT KINGS Serie basiert.

Als Titelhelden konnte man den seit mehr als 11 Jahren ungeschlagenen Executioner Bernard Hopkins gewinnen. Eine vortreffliche Wahl von Electronic Arts, denn der 40-jährige amerikanische Mittelgewichtler ist derzeit die unumstrittenen P4P Nr. 1 (vgl. boxrec.com oder BoxingPress.de) im Boxgeschäft und damit direkter Nachfolger der lebenden Legende Roy Jones Jr., der nach zwei vernichtenden KO-Niederlagen gegen Antonio Magic Man Tarver und Glen Johnson diesen Thron, der in der Fantasie der Boxfans und Journalisten entsteht, aber von immenser Bedeutung ist, genauso räumen wie das Cover der FIGHT NIGHT Serie. So schnelllebig ist das Geschäft.

Man muss ganz klar sagen, dass das letzte FIGHT NIGHT schon ein sehr gutes Spiel war, aber Electronic Arts hat gezielt an den Schwächen des Spiels, namentlich dem Karrieremodus, dem Kommentar und der Beweglichkeit im Ring, gearbeitet und mit FNR2 eindeutig das beste Boxspiel aller Zeiten kreiert.

Fight
Das Quälen hat sich gelohnt. Der der Erfolg des Trainings wirkt sich nicht nur auf die Fähigkeiten, sondern auch visuell aus.

Grafisch hat man sogar noch mal einen drauf gelegt: Die Animationen sind vielseitiger, die Gesichter detaillierter und die Körper schöner als noch ein Jahr zuvor. Sogar den Schweiss sieht man jetzt über die Muskelstränge laufen. Was leider immer noch fehlt, ist der Ringrichter. Der disqualifiziert zwar, zählt aus und fordert zum break auf, aber auf dem Bildschirm ist er nur beim Auszählen zu sehen.

Vor allem bei den Gesichtsdeformationen hat man große Arbeit geleistet. Veränderten sich die Schwellungen und Cuts im letzten FIGHT NIGHT noch völlig vorhersehbar und statisch, so hat das ganze jetzt Dynamik bekommen. Es kommt darauf an, wie und wo man zuschlägt, wie sich das Gesicht des Boxer verändert. In Sachen Blessuren kommt auch schon ein neues Feature ins Spiel: der EA-Sports Cutman. Während der Ringpausen ist es am Spieler, die Schwellungen und Cuts durch kleine Minigames zu heilen. Gelingt das nicht, kann man sogar wegen Verletzung aus dem Kampf genommen werden. Natürlich kann man das Heilen auch dem Computer überlassen, aber das ist dann nur halb so dramatisch.

Fantastisch ist auch die Darstellung in den Replays, es tut schon beim Zuschauen weh, wie das Gesicht des Boxers nach einem heftigen Treffer deformiert wird, Schweiß und Blut aufspritzen. Der derbe Sound tut sein Übriges. Wenn dann ein Boxer zu Boden geht, sieht das ganze durch das Rag-Doll Verfahren sehr realistisch aus. Auch das Problem, dass ein Körper beim Fallen in den Seilen rumzappelte, wie es beim Vorgänger sehr oft passierte, wurde beseitigt.

Fight
Auch die P4P Nr. 1 Bernard Hopkins ist nicht immun gegen harte Treffer. Mit dem EA-Sports Cutman bekämpft man entstandene Cuts und Schwellungen.

Realistisch sind auch einige Veränderungen im Gameplay. An den Lucky-Punch, der einen fast verlorenen Kampf noch drehen kann, wurde genauso gedacht, wie an das lang ersehnte Schlagen in der Bewegung. Dadurch ist es schwieriger geworden Entfernungen einzuschätzen, aber das ganze Kampfgeschehen gestaltet sich dadurch wesentlich dynamischer und realistischer. Man ist auch viel mehr dazu gezwungen den Gegner erst per Jab anzuboxen und dann die Distanz zu verringern um Haken sowie Uppercuts anbringen zu können. Die auffälligste Neuerung ist eine neue, starke Schlagvariante, genannt Haymaker (Heumacher). Man schlägt wie gewohnt Jabs, Haken und Uppercuts entweder zum Kopf oder zum Körper, aber durch den Haymaker wird eine weitere Ausholbewegung ausgeführt, so dass man volle Kraft in den Schlag legen kann. Der Uppercut wurde etwas abgeschwächt, um dem Haymaker nicht die Stärke zu nehmen. Die Ausführung erfordert etwas Übung, da Schlagvariante sowie Härte über den rechten Analog-Sticks (Stichwort: Total Punch Control) gesteuert wird. Über den linken Analog-Stick wird geblockt und gependelt. Es ist nicht einfach immer den richtigen Schlag zu wählen und die Bewegung auf dem rechten Analog-Stick schnell und präzise genug auszuführen. Aber nach etwas Eingewöhnungszeit klappt das immer besser. Man sollte den Haymaker natürlich nicht zu oft verwenden, da das ständige, starke Schlagen die Kondition des Boxers schnell abbaut und dieser dann langsamer und anfälliger wird. Die Kondition nimmt ebenso Einfluss auf die Performance wie die Schwellungen und Cuts. Wenn man angeschlagen ist hat man jetzt auch die Möglichkeit zu klammern, was in manchen Situationen überlebenswichtig sein und bis zum Gong retten kann.

Fight
Roy Jones hat eine Lücke in der Deckung von Chris Byrd
gefunden. Der rechte Haken schüttelt den IBF-Heavyweight Champion ganz schön
durch.

Ansonsten ist beim Gameplay alles beim Alten geblieben und das ist auch gut so. Noch immer kann man mit dem eleganten Oberkörper pendeln, der amerikanischen Schule, wie es einst Roy Jones Jr. perfekt ausführte, Schlägen ausweichen und Konter anbringen. Genauso hat man die Möglichkeit mit der (ost-)europäischen Doppeldeckung zu arbeiten.

Bei FNR2 gilt der Boxgrundsatz, Styles Make Fights, nicht auf herkömmliche Weise. An den Voraussetzungen der Boxer ist vor allem die Körpergröße entscheidend, diese entscheidet mit darüber, ob man einen Kampf aus der Entfernung mit dem Jab über die Punkte gewinnen kann. Attribute wie Schnelligkeit, Gewandtheit und Kraft sind zwar auch wichtig, aber eher sekundär, da es stark auf die Fähigkeiten des Spielers ankommt, ob man einen Gegner ausknocken kann oder nicht. Der Unterschied, ob man mit einem in der Realität mit offenem Visier boxenden, auf den finalen Schlag wartenden, Arturo Gatti, einem offensivenstarken Felix Trinidad, einem eleganten, konterstarken Ringfuchs wie Bernard Hopkins oder einem defensivstarken und unbequem zu boxenden Mann wie Ronald Winky Wright kämpft, ist nicht so dramatisch. Es ist vor allem der Stil des Spielers, der auf die eigene Geschichte, die jeder Boxkampf schreibt, Einfluss nimmt. Insgesamt ist die KO- und Niederschlagshäufigkeit zwar immer noch sehr hoch, was nicht ganz realistisch ist, aber im Vergleich zum Vorgänger ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kampf zwischen zwei ebenbürtigen Boxern (Spielern) über die Distanz geht, deutlich höher als bei FIGHT NIGHT 2004.

An der Boxerliste kann man natürlich nach persönlichen Vorlieben meckern oder auch nicht, aber es ist Schade, dass Lennox Lewis, der im Vorgänger noch vertreten war, eingespart wurde. Auch einen Mike Tyson oder einen Vitali Klitschko würde man gerne sehen. Die Liste der Boxer kann sich dennoch sehen lassen. Neben wichtigen aktuellen Namen (Winky Wright, Bernard Hopkins, Shane Mosley, Jermain Taylor, Marco Antonio Barrera, Diego Corrales, Floyd Mayweather, James Toney, Roy Jones Jr., Antonio Tarver, Evander Holyfield, Chris Byrd usw.) befinden sich unter den 36 echten Boxern auch historische Namen wie Muhammad Ali, Rocky Marciano oder Ray Robinson.

Der Karrieremodus bietet umfangreiche Möglichkeiten einen Boxer nach den eigenen Vorstellungen zu erstellen. Auch das Aussehen lässt sich so gut hinbekommen, dass man bestehende Lücken durchaus füllen kann und das Duell Tiger gegen Roy Jones Jr. kann, zumindest auf der heimischen XBOX, wahr werden.

Diesen erstellten Boxer trainiert man dann zwischen den Kämpfen und arbeitet sich in den Ranglisten vor. Entweder es klappt früher oder später mit dem begehrten Titel oder das Alter macht einen Strich durch die Rechnung, denn mit erhöhtem Alter lassen die Fähigkeiten des Boxers langsam nach.

In FNR2 hat man sogar die Möglichkeit zwischen den Gewichtsklassen zu wechseln. Diese Wechsel spielen in der Realität eine große Rolle. Man denke an Roy Jones Jr., der ins Schwergewicht wechselte, den größeren und schwereren John Ruiz regelrecht vorführte und als Light-Heavyweight Schwergewichts-Champion wurde. Ein anderes Beispiel ist Oscar De La Hoya, der in so vielen Gewichtsklassen wie kein anderer Boxer Titel gewinnen konnte.

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Winky Wright schwer angeschlagen nach einem Haymaker vom Executioner Bernard Hopkins. Will he beat the count?

Beginnen muss man seine Boxkarriere jetzt bei den Amateuren, bei denen man bis zu zehn Kämpfe machen kann. Die Kämpfe folgen weitestgehend dem Amateur-Regelwerk. Man boxt 4 mal 2 Minuten und die Boxer tragen einen Kopfschutz. Ein kleiner Fehler ist, dass auch die Amateurkämpfe Runde für Runde bewertet werden. Normalerweise werden bei den Amateuren die Treffer gezählt.

Man hat jederzeit die Möglichkeit ins Profilager zu wechseln und um Ranglistenpunkte zu kämpfen. Jede Gewichtsklasse hat einen Titel, das ist zwar nicht ganz realistisch, aber da sollte sich eher die Realität nach dem Spiel richten. Die 4 großen Verbände WBC, WBO, IBF und WBA sind eigentlich schon 3 Verbände zuviel. Ganz zu schweigen von den vielen kleinen, unbedeutenden Verbänden, die alle ihre Weltmeister küren.

Auch das Scoring bei den Profis hat Electronic Arts nicht ganz korrekt umgesetzt. Eine gewonnene Runde wird 10 – 9 gewertet. Falls ein Niederschlag vorhanden war, wird die Runde wegen klarer Überlegenheit 10 – 8 gewertet. So weit so gut. Bei 2 Niederschlägen werten die Computerringrichter allerdings 10 – 7, was in der Realität äußerst selten der Fall ist. Leider gibt es wieder keine Punktabzüge wegen Fouls (Tiefschläge oder Kopfstöße). Entweder man wird sofort disqualifiziert oder die schmutzigen Tricks bleiben unbemerkt. Immerhin gehen die Punktrichter ihrem Job gewissenhaft nach. Skandalentscheidungen, im Berufsboxen nicht selten, gibt es bei FIGHT NIGHT ROUND 2 nicht.

Durch die einzelnen Kämpfe gewinnt man Geld, das man in neues Equipment und Trainer investieren kann. Die Trainingsmodi, mit denen die Fähigkeiten des Boxers entwickelt werden, hat Electronic Arts etwas verschlimmbessert. Im alten FIGHT NIGHT gab es noch das bekannte Pratzen, was unverständlicherweise weichen musste. Ansonsten hat man das Training nur leicht, aber sinnvoll, modifiziert. Nach dem Training sieht man dann eine Zusammenfassung, wie sich die Attribute des Boxers verändert haben.

Endlich hat uns Electronic Arts von dem nervigen Radio-Moderator Big Tigger erlöst und den Boxfans den ESPN Experten Joe Tessitore spendiert, der zwar sehr häufig betont, dass er ein geschwollenes Auge oder blutende Lippen sieht, aber dennoch sehr gut am Ringgeschehen ist. Auch um den Ring ist die Atmosphäre großartig. Das Publikum feuert die bekannten Boxer sogar namentlich an. Man kann auch gut nachvollziehen, ob ein Schlag auf den Körper, ins Gesicht, auf die Deckung oder in die Luft geht und wie hart ein Schlag ist. Bei einem krachenden Haymaker, der den Gegner zu Boden schickt und vom Kommentator mit and boom, down he goes kommentiert wird, entsteht tatsächlich Gänsehaut und ein Gefühl der tiefsten inneren Befriedigung (Jaja, die animalischen Instinkte). Die Soundeffekte sind wirklich hervorragend gemacht und in Dolby Pro Logic II präsentiert.

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Mit der Create-A-Boxer Funktion kann man sich nach Belieben einen Boxer erstellen. Ob nach realem Vorbild oder nicht.

FIGHT NIGHT ROUND 2 ist nicht nur das beste Boxspiel aller Systeme, sondern auch eines der besten Sportspiele überhaupt. Die Liste der möglichen Verbesserungen wird immer kleiner. So sollten Boxer wie Joe Calzaghe, der ungeschlagene WBO Super-MiddleWeight-Champ aus Wales oder Riddick Bowe, der einzige undisputed HeavyWeight Champ, den es jemals gab, in das Spiel integriert werden. Als Trainingsmodus wäre der Punchingball wünschenswert und das Pratzen sollte wieder integriert werden. Das Scoring könnte etwas realistischer ausfallen und bei den Amateuren den gängigen Regeln angepasst werden. Am Haymaker ist sicherlich auch noch etwas Feintuning nötig um die Spielbalance etwas ausgewogener zu gestalten. Das entscheidende ist jedoch, dass Spielspaß, Präsentation und Langzeit-Motivation auf unglaublich hohem Niveau sind und der Nervenkitzel des echten Boxens absolut auf den Spieler überspringt. FIGHT NIGHT ROUND 2 besticht durch sehr hohen Realismus, der den Spielspaß aber keinesfalls ausschließt, sondern erhöht. Die Kritikpunkte dürften hingegen nur wenige Boxexperten wirklich interessieren.

Veröffentlichungstermin: 18.03.2005

Bilder: easports.com

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