Mit (fast) 80 Jahren um die Welt: Sänger und Bandkopf Charlie Harper ist jetzt stolze 78 Jahre alt – und hat angekündigt, ein letztes Mal auf große Fahrt zu gehen. Seit 1977, dem Schlüsseljahr des britischen Punkrock, war er mit seiner Truppe quasi permanent auf Tour. GUNS N’ ROSES und DIE TOTEN HOSEN haben ihre Lieder gecovert, DIE ÄRZTE, MOTÖRHEAD und BAD RELIGION luden sie auf Tour ein. Irgendwann war Harper nicht mehr nur der Chef, sondern auch die einzige Konstante in diesem nimmermüden Stromgitarrenorganismus, der sich unermüdlich durch die Jahre und Jahrzehnte fräste und rockte. Trends kamen und gingen, die UK SUBS waren immer da.
Harper ist ein Getriebener, ein ewiger Roaddog, der gar nicht anders kann als unterwegs zu sein und Konzerte zu spielen, bis zur Bewusstlosigkeit um den Erdball zu touren und den Punk-Kids das Bier wegzutrinken. „Wenn du dich ausruhst, dann kriegen sie dich“ hat Lemmy von MOTÖRHEAD mal gesagt, und dieser Devise folgt auch der Ex-Frisör aus London. Daheim sterben die Leut’, und was heißt überhaupt daheim? Auf Tour kriegt man wenigstens was zu essen, Freibier und ein Bett gestellt!
NASTY RUMOURS

So auch im Nürnberger Z-Bau. Ein Vorprogramm gibt es dort obendrein und das auch noch geschmackvoll und mit Kennerhand ausgewählt: NASTY RUMOURS aus der Schweiz eröffnen auf der kompletten „Final European Mainland“-Tour und können ihr Glück kaum fassen, mit der Legende on the road zu sein. Powerpoppig-ohrwurmiger 77er-Punkrock mit feinem Zuckerguß, der zu jeder Sekunde eine bodentiefe Verneigung vor Genrehelden wie THE BOYS, THE UNDERTONES und den BUZZCOCKS ist und nochmal eine ganz Ecke bubblegumiger als die RAMONES aus den Boxen schallt. Ich sach‘ ma‘ so: Keine Experimente!
NASTY-RUMOURS-Eigenkompositionen wie „Messed Up Girl“, „She’s Mental“, „You’ve Got My Number“, „Ticking Timebomb“, „I Wanna Kill Your Boyfriend“, „Modern World“, „Remember All Those Nights“ und „Get My Kicks from ’76“ punkten vom Fleck weg mit gefälligem Tempo und schicken Singalongs – ein Sound, der auf Anhieb und ohne Umschweife ins Ohr geht und die Füße zucken lässt. Dazu tragen die vier bunten Musikanten aus Bern nicht nur die richtigen T-Shirts, sondern bouncen auch wie fröhliche Flummis über die Bühne. Ein frischer, kurzweiliger Start in den Abend!

Fotogalerie: NASTY RUMOURS





















UK SUBS

Dann UK SUBS. 1977 war das Schlüsseljahr des klassischen britischen Punkrocks, die SUBS waren schon ein Jahr vorher am Start. Übriggeblieben ist nach all der Zeit wie gesagt nur Sänger Charlie Harper, der inzwischen aussieht wie seine eigene Großmutter, mit blondierten Haaren, bunter John-Lennon-Gedächtnisbrille und gepflegtem Drei-Tage-Bart aber auch schon wieder die Schwelle zur Alters-Coolness überschritten hat. Und: Der Mann hat tatsächlich das Kunststück und einst selbstgesteckte Ziel geschafft, seine Diskografie komplett alphabetisch aufzuziehen, vom Debüt „Another Kind Of Blues“ (1979) hin zum letzten Studioalbum „Ziezo“ (2016).

Wobei zwei Dinge, die ich vorhin geschrieben habe, nicht stimmen. Harper hat sich ausgeruht, die unfreiwillige globale Auszeit hat ihm sichtlich gut getan. Der Mann ist nicht nur allerbestens aufgelegt, sondern singt auch so gut wie schon lange nicht mehr. Und: Harper trinkt den Kids in der ersten Reihe nicht mehr das Bier weg, im Gegenteil: Er versorgt sie fröhlich mit frischem Gerstensaft. Auch das fällt wohl unter Altersmilde. Überhaupt: Von Teenagern hin zu gestylten Ü60-Punks hat sich in dieser Nacht ein illustres Völkchen vor der Bühne versammelt für dieses (vorerst) letzte Gastspiel, und ab der dritten Nummer „Rockers“ tobt dann auch ein Pogopit im vorderen Bereich der Halle, übt sich Jung und Alt im fröhlich-friedlichen Rempeltanz.

Der Rest ist rifforientiertes Punkrock-Handwerk alter Schule. Handbremse lösen, Gaspedal durchdrücken und los! „Riot“, „Warhead“, „Stranglehold“, „Emotional Blackmail“, „Endangered Species“, „Down On The Farm“, „New York State Police“, „I Live In A Car“, „Party In Paris“ – die Hits hageln am Stück, das Quartett – neben Harper aktuell Langzeit-Bassist Alvin Gibbs, Gitarrist Stephen Straughan und der ganz frisch hinzu gestoßene und die Abschiedstournee trommelnde deutsche Schlagzeuger Stefan Häublein (TV Smith, Bored Teenagers) – setzt auf gepflegtes Powerplay. Und alles verschwimmt zu einem einzigen großen Fest, das viel zu schnell schon wieder vorbei ist. „Teenage – I wanna be Teenage!“ schallt es nach 75 Minuten ein letztes Mal von der Bühne, schon ist das Saallicht wieder an.

Keine zehn Minuten nach der Show sind Harper und seine Männer mit einem frischen Feierabendbierchen wieder in der Menge (wie schon vor dem Auftritt) und quatschen munter mit den Fans, und irgendwie kommt mir in diesem Augenblick der Gedanke, dass ich in Zeiten, in denen so vieles so doof geworden ist da draußen (mag mit dem Alter zusammenhängen), eigentlich auf gar keinen anderen Konzerten mehr sein möchte als auf solch wunderbaren Clubshows wie dieser – Lichtjahre weg von den anonymen Stadien, irgendwelchen Ticketing-/Dynamic-Pricing-/Golden Circle-Geschichten und dem ganzen anderen Quatsch, der in der Musikwelt gerade so vor sich geht.
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