Eigentlich liegt der Ochsen in Zofingen in einer ganz lauschigen Umgebung, in einer Schweizer Altstadt. Am Abend des 18. April wurde dieser Ort jedoch erneut von technischem, brutalen Metal heimgesucht—und etlichen Anhängern des Death Metals, die Zeuge dieser „Art of Sickness“ werden wollten.
So spielten die deutschen Profanity bereits vor einem vollen „Saal“ (eine arg grössenwahnsinnige Einschätzung dieser Lokalität) und erste Stage-Diving-Versuche begleiteten ihren Auftritt. Profanitys technischer und brutaler Death Metal sorgte für kochende Stimmung, den Abschluss ihres Sets bildete die gelungene Coverversion von Deaths „Zombie Ritual“—womit „Scream bloody gore“ zum Leben wiedererweckt wurde (was das Publikum frenetisch würdigte). Profanity wiesen noch auf ihre neue 7‘‘ „Humade ME flesh“ hin, die auch auf CD erschienen ist. Die CD-R ist limitiert auf 200 Stück, mehr Infos gibt’s auf www.profanity.de oder via info@profanity.de.
Nach dieser ersten Dröhnung setzten Spawn (D) mit ihrem Todesmetall gleich noch eins drauf. Überzeugend war der Einsatz von den einzelnen Spawn-Mannen auf der Bühne, da wurde Kreis-Headbanging praktiziert als hätten keiner von ihnen Wirbel im Nackenbereich, die sich dagegen wehren könnten. Ausserdem wagte sich der Shouter von Spawn öfters in den Mosh Pit und gab seine Grunts in der schweisstriefenden Menge zum Besten. Auch sie liessen mit einer Coverversion Sepulturas „Refuse/Resist“ (Chaos A.D.) eine (halb)tote Legende wiederauferstehen.
Mit dem Auftritt der spanischen Haemorrhage hielt „das gewisse Etwas“ Einzug an diesem Abend. Ihre Vorliebe für die menschliche Anatomie (und was man in der Gerichtsmedizin so alles anstellen könnte) wurde bereits durch die Kleidung von Bassist und Gitarrist zu genüge betont. Oder warum sonst sollte man einen blutbeschmierten Labormantel und ein grünes Chirurgengewand (inkl. Mundschutz) on stage tragen? Während den rasanten Songs, die zum Teil den abrupten Charakter alter Napalm Death-Werke haben, deutete der Sänger noch allerhand Selbstsektionen an sich selbst an. So „stach“ er sich mit dem Mikrophon ein Auge aus und „ass“ es dann (lecker), die Pulsadern mussten sowieso dran glauben und auch ein Torso-Querschnitt zur Entfernung eines Darmteils (das er ebenfalls „verspeiste“) wurde von ihm erfolgreich durchgeführt. All diese „Eingriffe“ wurden natürlich von Krach, einem irren Blick und einem irren Gesichtsausdruck begleitet. Das einzige „reale“ Requisit zu seinen Ausführungen war schliesslich noch ein Hundemaulkorb. Als die runtergestimmte Gitarre dann Probleme bereitete, stellte der Sänger fest: „We clean the forensic instrument“…soviel also zu Skalpell & Co. Auch musikalisch gings irre zu und her, sei es nun mit Haemorrhage Tracks wie „Anatomizer“ und „Decomposer“ (inkl. Galgeneinlage des Sängers) oder altem Carcass Cover.
Nach diesem unterhaltsamen Auftritt wurde nun ein allerletztes Mal umgebaut. Der Raum zum Bersten voll, das atmosphärische Intro wie eine herannahende Gewitterwolke: kein Zweifel, die kanadischen Todesmetall-Techniker Cryptopsy enterten die Bühne und spielten zur finalen Trommelfell-Dröhnung. Anders als bei ihrem letzten Konzert in der Schweiz (Wil) kamen diesmal die neueren Tracks von „…and then you’ll beg“ weniger zum Zuge. Stattdessen griffen Cryptopsy zurück in „alte“ Zeiten, als Lord Worm noch Herr über die Vocals (und die Gore-Lyrics) war. Doch der „neue“ Sänger Martin Lacroix (Ex-Spasm) hauchte (oder besser grunzte) diesen Songs neue Aggressivität ein und brachte intensive Akzente rein. Der Whisper Supremacy-Klassiker „Cold Hate, Warm Blood“ sorgte für vermehrte Stage-Diving-Attacken und der „Ochsen“ glich nun komplett einem brodelnden Hexenkessel. Dass die „Stage Diver“ bei ihren Aktionen den Scheinwerfern und der niedrigen Decke (alte Schweizer Bauweise halt) bedrohlich nahe kamen, erklärt sich beinahe von selbst, da die hämmernden Beats, die perfekten Breaks und die überbordernden Gitarrensoli einfach nur noch mehr anstacheln konnten. Da der Mosh Pit omnipräsent war (und während dem Cryptopsy Gig fast den ganzen Raum einnahm), waren wohl höchstens die Bar-Crew und die Tontechniker einigermassen sicher hinter ihrer Theke (der Merchandise-Tisch wurde hingegen Opfer von fliegenden Fans).
Kurz vor Mitternacht endete dann dieses Spektakel der Extraklasse. Wie Jon Levasseur (Gitarrist von Cryptopsy und auch schon Vampster-Interviewpartner) nach dem Gig bestätigte, sind die „Art of Sickness“-Mannen noch bis Anfang Mai weiter auf Europa-Tournee. Danach sind Cryptopsy noch einmal in Montréal zu sehen und werden sich schliesslich dem Ausarbeiten und Aufnehmen ihres nächsten Albums widmen. Man darf sich also auf ein neues Werk der Kanadier freuen. Und die Gehörgänge schon mal darauf vorbereiten—wenn sie sich von der Art of Sickness-Tour erholt haben, wohlgemerkt!
Übrigens: wer dieses Death Metal Konzert-Schmankerl noch nicht geniessen konnte, die Tour macht nochmals halt in Deutschland:
26.4.2002 Wermelskirchen, Club Bahndamm
30.4.2002 Hannover, Club Labor
1.5.2002 Rostock, MS Stubnitz
2.5.2002 Flensburg, Club Roxy Music Hall
5.5.2002 Berlin, Club K17
Infohotline: 03421-773816
Tickets für’s Fuck the Commerce V können bei diesen Konzerten übrigens auch bezogen werden…
19.4. 2002, Arlette „Eiselfe“ H.D. (noch immer mit Kopfschmerzen belastet)