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SAMAEL & CATHEDRAL, 28. Januar 2003, Nürnberg, Hirsch

Fürwahr eine seltsame Zusammenstellung, die sich da im noch jungen Jahr 2003 gemeinsam auf Gastspielreise durch das alte Europa begab…

300 Nasen sind in den Nürnberger Hirsch gekommen, um eines der ungewöhnlichsten Tourpakete des noch jungen Jahres 2003 zu erleben. Zwei Bands, die ihr jeweiliges Genre nachhaltig geprägt haben und dennoch völlig neue Wege gegangen sind.

Bei Cathedral zucken die einschlägig Verdächtigen vom ersten Ton an entrückt vor der Bühne, die gestylten Black Metaller im hinteren Drittel der Halle gähnen sich einen Wolf, und mir wird klar, was ich an den Engländern schon vor zehn Jahren im Vorprogramm von Black Sabbath nicht mochte: Den miesen Gesang von Frontmann und Napalm Death-Gründer Lee Dorian, seine eigenwillige Bühnenshow und die zum Teil strunzlangweiligen Lieder. So richtig doomt es ohnehin nur bei den ganz frühen Stücken und dem ein oder anderen Moment der aktuellen Scheibe „Seventh Coming“: Dann steht die Luft im Hirsch, die Gitarrenriffs quillen wie Lava aus den Boxen, und für Augenblicke kommt so etwas wie Stimmung auf.

„Früher waren sie geil, heute rocken sie halt“, bringt Force-DJ Mobbl (www.newforce.de) mit einem Nicken die Misere auf den Punkt. Fans der vier Engländer kommen bei dem gut einstündigen Auftritt jedoch auf ihre Kosten: Cathedral bringen Songs aus allen Schaffensphasen und als Rausschmeißer natürlich ihren einzigen Hit: „Hopkins (The Witchfinder General)“.

Samael sind als eine der wenigen neue Wege gegangen, haben es verstanden, dem längst in ausufernder Traditionspflege erstarrtem Heavy Metal-Genre Mitte der 90er Jahre neue Möglichkeiten aufzuzeigen. Ihr viertes Album „Passage“ war ein Meilenstein: Düster und hasserfüllt, wie ein kalter schwarzer Monolith. Mit erstaunlicher Intensität und bitterböser Ausstrahlung wurde der rohe Black Metal früher Tage auf ein völlig neues Niveau gehievt. Wichtigster Einschnitt: Die Band tauschte ihr Schlagzeug durch einen Drumcomputer aus. Seither thront der ehemalige Schlagwerker Xy über den Dingen, programmiert den elektronischen Kollegen, streut sphärische Keyboardteppiche ein und legt zwischendurch immer mal wieder selbst Hand an, wenn ihm der Rhythmus nicht wuchtig genug ist und es an zusätzlichem Wumms fehlt.

Sieben Jahre nach „Passage“ scheinen Samael jedoch in einer Sackgasse festzustecken: Die Schweizer Avantgarde-Metaller liegen im Clinch mit ihrer Plattenfirma und haben schon viel zu lange schon kein neues Album am Start. Die Tatsache, dass der charismatische Frontmann Vorph die laufende Konzerttournee mit elf Schrauben im Bein auf einem weißen Barhocker sitzend bestreiten muss, macht die Sache auch nicht einfacher – ganz abgesehen davon, dass dem Vierer auf Konzerten heute nicht mehr nur Maßkrüge und Nietenfäuste, sondern schwarze Fächer(!) von aufgebrezten Gothic-Tanten im schwarzen Kleidchen entgegengereckt werden.

Live im gutbesuchten Hirsch will das alles erst mal nicht so recht funktionieren. Der Einstieg ist verhalten, es hat den Anschein, als sei die Band an ihrer eigenen Kälte erfroren. Es dauert eine halbe Stunde, bis die mächtige Maschine in Gang kommt, dann fliegen vor der Bühne die Köpfe, und inmitten der geballten Düsternis ist für die Musiker sogar ein befreites Lachen drin. Samael freuen sich sichtlich, dass sie noch am Leben sind. Man darf den Weg dieser Ausnahmeformation weiter mit Spannung verfolgen.

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