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ORBIT CULTURE, DEFECTS: Konzertbericht – Hansa 39, München – 18.03.2024

Ausverkauftes Haus und schweißtreibende Temperaturen: Auf ihrer ersten Headliner-Tour belegen ORBIT CULTURE, warum die vier Schweden dem Status eines Geheimtipps mittlerweile völlig zu Recht entwachsen sind.

Vorsicht mag die Mutter der Porzellankiste sein, in den Circle Pit sollte man selbige dennoch nicht mitnehmen. Zumindest den heutigen Abend würde sie dabei wohl kaum überleben, wenn in ausverkauftem Haus endlich die Leiber ineinander krachen. Dass sämtliche Tickets – wie für beinahe die komplette Tour – schon frühzeitig vergriffen waren, ist auch Folge eben jener Strategie: Für ihren ersten Headliner-Trip wollten ORBIT CULTURE offenbar nicht zu hoch pokern; trotz Erfolgswelle lieber Vorsicht walten lassen. Das Resultat ist ein bis zum Bersten gefülltes Hansa 39, wo trockene Textilien bald zu den begehrtesten aller Güter zählen sollten.


DEFECTS

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Zu erstehen gibt es solche selbstverständlich am Merchandise in der Nähe des Eingangs, dessen Absatz die Briten von DEFECTS schon zu früher Stunde ankurbeln wollen. Dass jene heute nur als Trio auf den Brettern stehen, sei dagegen unglücklichen Umständen geschuldet, wie uns Sänger Tony bald wissen lässt. Gleich zwei Kollegen müssen verletzungsbedingt pausieren, wodurch in München nur eine Skelett-Crew aus Schlagzeug und Gitarre den Live-Rahmen bildet. Dank moderner Hilfsmittel läuft die Show dennoch, wenngleich die Last auf diese Weise noch stärker auf den Schultern des Frontmanns lastet.

Der muss nämlich als zentraler Fixpunkt nun auch noch die Menge quasi im Alleingang bespaßen – eine Aufgabe, die der Shouter auf ehrliche und bodenständige Art aber spielend meistert. Die Müncher:innen klatschen jedenfalls auch ohne Tonys Zutun munter mit, lassen sich im vergleichsweise ruhigen „Dream Awake“ aber auch gerne bitten, die Smartphone-Leuchten im Takt zu schwenken. Ansonsten bieten Songs wie „Broken Bloodlines“ das übliche Repertoire: energische Strophen, melodische Refrains und ein paar drückende Breakdowns, die in einem kuscheligen Setting wie dem Hansa 39 natürlich Spaß machen.

Trotz verletzungsbedingter Ausfälle ziehen DEFECTS ihr Ding durch

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Dass sich ein Metalcore-Act wie DEFECTS vornehmlich als Live-Band versteht, gibt uns der Frontmann schließlich im Finale des knapp 40-minütigen Sets zu verstehen, als er sich mitten in der Menge erst selbst zum Zentrum des Circle Pits ernennt und dann für die folgende Wall of Death höchstpersönlich den Startschuss setzt. Das hat durchaus Vorbildcharakter und hinterlässt Eindruck: DEFECTS mögen zu dritt angetreten sein, verlassen die bayerische Landeshauptstadt aber nun mit ungleich größerer Gefolgschaft im Rücken.

Fotogalerie: DEFECTS


ORBIT CULTURE

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Keine zehn Minuten später macht sich in der Halle erstmal Verwunderung breit, als plötzlich die Lichter ausgehen und ein tiefes Ambient-Grollen die übliche Musikuntermalung ablöst. Statt Changeover in Rekordzeit schüren ORBIT CULTURE auf diese Weise aber lieber die Spannung: Während auf den Brettern der Umbau vonstattengeht, genießen wir die Atmosphäre des wohl längsten Intros der Welt. Den gewünschten Effekt erzielen die Schweden so auf jeden Fall, denn als um fünf nach neun endlich die ersten Töne des Openers „Black Mountain“ ertönen, ist die aufgestaute Energie im Hansa 39 regelrecht zu spüren.

Das passende Ventil folgt mit dem thrashigen „Strangler“ auf dem Fuß, wo sich vor der Bühne binnen Sekunden ein engagierter Pit formiert und Niklas Karlsson die Stimmbänder der Münchner:innen auf die Probe stellt. Obwohl es auf den Brettern reichlich eng zugeht, nutzt der Sänger und Gitarrist die drei aufgestellten Mikrofone, um im Verlauf der Show zumindest ein paar Meter Laufstrecke zurückzulegen.

Viel Nebel und das Licht im Rücken: ORBIT CULTURE setzen auf atmosphärische Untermalung

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Das Engagements des Frontmanns in allen Ehren, ist es aber letztendlich doch das hiesige Publikum, das über weite Strecken die Hauptrolle zu übernehmen scheint. Nicht nur wird der früh gespielte Hit „North Star Of Nija“ geradezu euphorisch umjubelt, auch im bald folgenden „The Shadowing“ beweisen die Anhänger:innen ORBIT CULTUREs ihre Textsicherheit. Dass ein besonders hingebungsvoller Fan dabei den Aufnahmeknopf seines Smartphones irrtümlicherweise erst dann betätigt, als er das Gerät wieder in der eigenen Tasche verschwinden lässt, kann in einer solchen Ausnahmesituation natürlich vorkommen.

Viel gesehen hätte man in der Aufnahme vermutlich ohnehin nicht, denn einen beträchtlichen Teil des 80-minütigen Gigs verbringt die Band mit den Scheinwerfern im Rücken inmitten dichter Nebelschwaden – ob Drummer Christopher Wallerstedt überhaupt hinter den Kesseln sitzt, können wir meist nur mit Glück erahnen. Der Stimmung in der Halle schadet das hingegen keineswegs, da die gut getaktete Setlist dank des klar abgemischten Sounds schnell die nötige Power entwickeln kann.

ORBIT CULTURE-Gitarrist Richard wagt sich selbst in die Menge

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Wobei selbst ORBIT CULTURE in „See Through Me” zwischenzeitlich den Fuß vom Gas nehmen, so dass sich die allmählich auftauchenden Crowdsurfer ihren Weg durch ein kleines Lichtermeer bahnen müssen. Dass der Band-Roadie selbige derweil nicht entgegennehmen will, sondern per wilder Handzeichen von der Bühne umzuleiten versucht, erscheint uns allerdings etwas kurios. Insbesondere, weil Gitarrist Richard selbst keinerlei Berührungsängste zeigt: Unzufrieden über den Mangel an Circle Pits tut es der Musiker in „Alienated“ DEFECTS-Shouter Tony gleich und wagt sich einen Song lang in die Höhle der Löwen, wo das gewünschte Ergebnis nicht lange auf sich warten lässt.

Das selbsterfundene Konzept eines “Circle Surfs”, bei dem Crowdsurfer einen entsprechenden Pit umkreisen, erproben ORBIT CULTURE schließlich in „While We Serve“ mit zumindest ordentlichem Erfolg. Trotz schweißtreibender Temperaturen lassen selbst zum Ende hin weder Band noch Publikum locker, als das finale „Vultures Of North“ nochmals in einer krachenden Wall of Death kulminiert.

Allein die gewünschte Zugabe bleiben ORBIT CULTURE schuldig

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„Fuck yeah!“, hieß es kurz zuvor seitens der Schweden in Verbindung mit der Frage nach der passenden deutschen Entsprechung. Ein beherztes „Scheiße, ja!“ aus hundert Kehlen fasst daraufhin nicht nur den Augenblick, sondern den ganzen Abend ungeachtet der Sprachbarriere ganz gut zusammen. Die geforderte Zugabe wollen ORBIT CULTURE dem ausverkauften Club im Anschluss zwar nicht schenken, vielleicht ist aber auch das nur gelebte Vorsicht seitens der Skandinavier, um dem potenziellen Kreislaufkollaps angesichts des stickigen Hallenklimas vorzubeugen. Vielleicht also beim nächsten Mal? Gut möglich, immerhin sollte dann selbst bei konservativer Prognose alles eine gute Nummer größer ausfallen.

ORBIT CULTURE Setlist – ca. 80 Min.

1. Black Mountain
2. Strangler
3. North Star Of Nija
4. Nensha
5. The Shadowing
6. See Through Me
7. Redfog
8. Alienated
9. From The Inside
10. Saw
11. While We Serve
12. Vultures Of North

Fotogalerie: ORBIT CULTURE

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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