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NIFELHEIM, WATAIN, ADORIOR: Oslo, Club Maiden, 03.05.2008

Es wird langsam Frühling, es wird langsam warm. Zu warm. Zeit, nach Norden zu reisen. Zeit für ein "Satanic Sacrifice" mit NIFELHEIM!

Es wird langsam Frühling, es wird langsam warm. Zu warm. Zeit, nach Norden zu reisen. Zeit, sich in Oslo gediegen Black Metal reinzuziehen. Schon die Zollkontrolle am Flughafen liefert ein Kvlt-Erlebnis. Der Zollbeamte – eine kurzhaarige Mischung aus Varg Vikernes und ENSLAVED-Grutle, Aussehensstandpunkt Anfang der Neunziger – fragt nach dem Grund der Reise. Konzert. Dauer des Aufenthalts. Einen Abend, um 6:30 morgen bin ich wieder weg. Was für ein Konzert. Das einer schwedischen Black Metal Band. Der Blick sagt alles. Welcher Club. Maiden in Oslo. Welche Band. NIFELHEIM. Damit ist das Einreiseprozedere abgeschlossen.

Natürlich war der Flug so billig, weil man bei einer Aufenthaltsdauer zwischen 20 Uhr und 6:30 Uhr am nächsten Morgen nicht wahnsinnig viel anstellen kann. So verpasse ich auch die beiden schwedischen Opener des heutigen Maiden Massacre Fest, DIE HARD und OBSCURITY. In der Umbaupause zu ADORIOR bahne ich mir also den Weg durch den kleinen, schummrigen Club, in dem auch gleich noch der Plattenladen NESEBLOD RECORDS einquartiert ist. Eine interessante Mischung und die Merch-Preise sind ebenfalls in Ordnung. Spätestens am Tresen merkt man dann allerdings, dass man in Oslo ist – und hier die nordische Preisrealität etwa 20% teurer als in Stockholm ausschaut. DJ-mäßig ist Stockholm allerdings nahe – wieder ist DJ HELLBE am Werk und beschallt die vordere Bar bis drei Uhr morgens mit einer breitgefächerten Metal-Palette, die von MERCYFUL FATE über IRON MAIDEN bis MACABRE reicht.

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Steht fluchend ihre Frau – Melissa Hastings

Lange darüber nachdenken liegt jedoch nicht drin, denn zielstrebig entern ADORIOR die Bühne. Die britische Truppe um Frontfrau Melissa Hastings bietet eine wüste angeschwärzte Thrash-Vorstellung, die nach 80er Jahren riecht und zeitweise einen Touch hat, den man eher bei obskuren südamerikanischen Undergroundtruppen vermuten würde. So geht es tüchtig zur Sache, Melissa kreischt sich die Seele aus dem Leib, flucht über tusselige Groupies, macht regen Gebrauch vom F- und C-Wort und steht ihre Frau. Zeitweise werden die anderen Akteure in der Band so beinahe zur Nebensächlichkeit, denn mit ihrer Energie steckt die kleine Dame einen großen Teil des Publikums an und hat die primär männliche Meute fest im Griff. Musikalisch kommt eigenes vom Author of Incest-Album zum Zug, daneben wird – wohl für die Brüder NIFELHEIM – auch noch ein IRON MAIDEN-Song covermäßig verbraten. Gerüchten zufolge soll dies der letzte Gig der Engländer gewesen sein, da Bassist Chris nach Finnland zieht. So recht will man das jedoch nicht glauben, zumal es nur schwer vorzustellen ist, dass sich Melissa mit ADORIOR nur noch im Übungsraum austoben will. Alles in allem also eine interessanter Auftakt zu den folgenden schwedischen Schandtaten.

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Olfaktorische Grausamkeit – WATAIN

Da WATAIN einiges an Bühnenbrimborium aus Schweden mitgebracht haben, lädt der Innenhof des Clubs zum Verweilen ein. Hierhin ziehen sich die Besucher zur Rauchpause zurück, genießen das milde Abendwetter und auch Maniac (Ex-MAYHEM) plauscht hier mit seinen Kumpels. In die schwarzmetallische Idylle dringt plötzlich ein unangenehmer Geruch. Ein Schweizer mag an einen rezenten Käse denken, der zu lange in der Sonne gestanden hat. Aus dem schwedischen Lager kommt die Vermutung, jemand hätte wohl ein Brechdurchfall-Duett irgendwo im Innenhof abgehalten. Wieder andere raten, dass wohl einige Schafe hier ihre Notdurft verrichtet hätten.
Des Rätsels Lösung offenbart sich, als man für das WATAIN-Bühnenritual wieder in den Club zurückkehrt. Käse hat es keinen. Brechreiz dürften einige Anwesende verspürt haben. Schafe – nun ja, zwei Schafsköpfe sind auf Spießen angebracht und scheinen vor sich hinzubrutzeln. Irgendwie. Vielleicht ist das kaum sichtbare Dampfen auch eine olfaktorische Fata Morgana. Wer weiß das schon. Klar ist – verrottetes Blut gehört zur WATAIN-Show dazu. Und je näher die Schweden ihrer Heimat sind, desto reichlicher sind entsprechende Bodylotions und weitere Requisiten vorhanden. Umgekehrte Kreuze, Pyros, Kerzen, Ketten und schmorzende Schafsköpfe treffen auf die krank-riechende Meute, die ein eindrückliches schwarzmetallisches Ritual abliefert.

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Infernalischer Zeremonienmeister: Erik

Musikalisch liegt der Schwerpunkt auf Sworn to the Dark und nicht nur beim packenden Titeltrack lässt sich die Meute von WATAIN mitreissen in das dunkle Ritual. Fronter Erik kreischt und keift sich manisch blickend durch die Songs und stachelt das Publikum erfolgreich zur Mitwirkung an. Die Performance ist wie aus einem Guss, WATAIN kennen keine Kompromisse und ihre dunklen Klänge setzen sich so effektiv in den Gehörgängen fest wie der Geruch des modernden Blutes sich an die Kleider und Schuhsohlen haftet. Am Ende stinkt die Kleidung mehr als nach einem Gig in einem verrauchten Club, aber so muss das nach dem Besuch eines Auftritts dieser Schweden eben sein. Ihr Black Metal ist so hässlich wie der Geruch, den sie verbreiten, und das ist gut so.

 

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Satanische Soli – Vengeance from Beyond

Um nach dieser Performance keine große Zwei auf dem Rücken abzukriegen, braucht es nicht nur Spielkompetenz. Was WATAIN an Blut auffahren, fahren NIFELHEIM an Nägeln und Spikes auf. Und als das Quintett nach Mitternacht die Bühne betritt, wird auch wieder einmal klar, warum sie den Kvlt-Faktor völlig zurecht innehaben. Frenetische NIFELHEIM, NIFELHEIM, NIFELHEIM-Chöre erschallen, die geschätzte 100-Leutemeute ist gut bedient und hungrig nach schwedischen Black Speed Metal. NIFELHEIM stillen diesen Hunger mit einem fantastischen, infernalischen Streifzug durch ihre Kreationen. Die Live-Tauglichkeit vom grandiosen Envoy Of Lucifer-Werk zeigt sich nicht nur bei Gates of Damnation, sondern auch bei Storm of the Reaper und das Publikum rastet dementsprechend aus. Manisches Headbanging, Satans-Schreie, zerbrochene Biergläser zwischen Abschrankung und fast ebenerdiger Bühne – the true Mayhem findet statt.

NifelheimTyrant_oslo2008_vonArletteHuguenin
Bassbeelzebub: Tyrant

Hellbutcher stachelt die Menge auf Schwedisch noch mehr an und die Truppe huldigt nicht nur mit Satanic Sacrifice (vom 1995er Album Nifelheim) dem Höllenfürsten. Tyrant liefert zusammen mit Insulter of Jesus Christ den entsprechenden Grooveboden. Die Basslines haben nicht selten einen Steve Harris-Touch und bieten ein saftiges Fundament für die flirrenden, giftigen Gitarrenspielereien von Apocalyptic Desolator und Vengeance from Beyond. Egal in welche Ära der Discographie die Schweden eintauchen – es knallt ohne Ende und die Meute gibt sich entsprechend unersättlich.

So kommen auch alte Kreationen wie Unholy Death zum Zug und NIFELHEIM zeigen sich gerade bei diesen älteren Stücken von ihrer herrlich rotzigen Seite. Die sympathische Fuck you-Attitüde ist stets spürbar und die Publikumsinteraktion funktioniert einfach. So erstaunt es auch nicht, dass die Norweger die Schweden kaum mehr gehen lassen wollen. Chöre und Geschrei führen zu zweimaligem Wiederauftauchen auf der Bühne und entsprechenden Zugaben. Natürlich muss ein Fuck you schließlich das letzte sein.
Aber die Energie und die Leidenschaft, die NIFELHEIM wieder einmal zum besten gegeben haben, reicht locker für mindestens eine Freinacht…

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Fotos und Layout: Arlette Huguenin D.

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