Stefan Buck von HECHT live mit Gitarre

HECHT: Konzertbericht – Im Wizemann, Stuttgart – 13.03.2025

Das Schweizer Poprock-Quintett erobert nun Deutschlands Bühnen mit seiner unbändigen Live-Energie und traf bei seinem zweiten Auslandsauftritt auf ein enorm sing- und bewegungsfreudiges Publikum.

In seiner Heimat ist das Schweizer Poprock-Quintett HECHT seit über zehn Jahren Stammgast auf allen großen Festivals und konnte einige Chart-Erfolge feiern. Im März wagten sich HECHT nun erstmals für zwei Auftritte nach Deutschland. Auf die Auslandspremiere in München am 12. März folgte am nächsten Tag in Stuttgart im Wizemann-Studio bereits das erste ausverkaufte Konzert. Als die Band kurz nach 20 Uhr die Bühne betrat, dauerte es wenige Sekunden, bis der Funke auf die gut 300 Zuschauern übersprang. Als Opener funktionierte „Besch ready für die Liebi vo mer?“ perfekt – fesselnder Groove, Mitsingrefrain und eine übersprudelnde Spielfreude sorgten für Begeisterung. Dazu waren die Musiker – vom Schlagzeuger mal abgesehen – ständig in Bewegung, eins mit der Musik, auf derselben Wellenlänge wie das Publikum.

HECHT? Noch nie gehört…

Vor einer Woche kannte ich HECHT noch gar nicht. Das Programm von Im Wizemann versprach Poprock auf Schwizerdütsch – keine Ahnung, warum ich soweit aufhorchte, dass ich zwei, drei Songs anhörte. Irgendwas weckte mein Interesse und ich kaufte spontan eine Eintrittskarte. Umgekehrt kannte die Band ihr Stuttgarter Publikum nur zu einem kleinen, aus der Schweiz angereisten Teil. Die Mehrheit kam aus der Gegend, schwätzte im Vorfeld schwäbisch und sang dann inbrünstig mit. Ich selbst sang lauthals mit, wann immer es Gelegenheit gab. Dabei kenne ich die Texte nur marginal und spreche den Dialekt keinesfalls. Egal, die Musik riss mich mit und um mich herum feierten die Leute die Band nach Strich und Faden ab.

Dabei gab es nach dem zweiten Song ein kurzes Stimmungstief, als Frontmann Stefan Buck ankündigte, dass er heute vier Songs auf hochdeutsch singen würde. Der Zwiespalt war spürbar – ich selbst dachte kurz an die BEATLES, die einst „Sie liebt dich“ sangen und überlegte, ob jemand sich noch für Herbert Grönemeyer interessieren würde, wenn er statt in seiner Nuschelfantasiesprache plötzlich verständlich sänge. Das folgende „Kawasaki“ ist freilich einer der besten HECHT-Songs. Amüsanterweise ignorierten die Fans das Sprachupdate und sangen in der Bridge weiter laut und deutlich „ned so mis Ding“ statt „nicht so mein Ding“.

HECHT können alles außer hochdeutsch?

Weiter ging es mit „Fiji“. Band wie Publikum waren vom ersten Ton an in Bewegung. Keyboarder Gisi tobte sich im Mittelteil mit einem Keytar-Solo aus, indem er mit Karacho quer über die Bühne und schließlich ins Publikum raste. Frenetischer Jubel! So muss ansteckende Live-Musik klingen! Sänger Buck war danach beinahe sprachlos. Erst vier Songs gespielt und die Stimmung war schon konstant am Siedepunkt. Zeit für eine Verschnaufpause in Form von „Nur 1 Minute“. Bei der Ballade war Gänsehaut angesagt. Kritiker der Band werfen ihr bisweilen einen eindimensionalen Fokus auf basale Emotionen mit zuviel Anglizismen vor. Wen kümmert’s? Sicher nicht die ausverkaufte Hütte in Stuttgart. Alles was Stimmbänder hatte sang mit. Ich hatte Tränen in den Augen, so berührend war das Lied.

Nahezu alle Songs auf den bisherigen vier HECHT-Studioalben sind kürzer als vier Minuten. Diese Direktheit half mir als Neu-Fan. Und sie schadet auch nicht, wenn mit „Amigo“ mal ein Song gespielt wird, der mir weniger zusagte. Mit „Sommervögel“ war danach aber schon wieder Hitalarm angesagt. Noch fetziger wurde es mit „Gymnastique“. Laut Ansage mache der Text überhaupt keinen Sinn, aber es mache mächtig Spaß ihn zu live spielen. Und live zu hören, muss ich ergänzen!

Tanzen! Tanzen!

Für die besungene Tanzeinlage fehlte auf der Club-Bühne freilich der Platz. Also begab sich die Band (minus Schlagzeuger) kurzerhand ins Publikum und zeigte die Moves, die man auch im Musikvideo sehen kann. Keine Frage, HECHT machen das Gegenteil von Standfußball-Musik. Stuttgart tanzte und sang mit. Egal ob härtere Töne wie „Prosecco“ – live mutierte der Pop-Song zur Rock-Nummer – oder das ruhige (hochdeutsch gesungene) „Liebesbewiis“, der Publikumschor machte keine Kompromisse. Morgen keine Stimme mehr? Egal. Irgendwie hatte ich gehofft, dass es ein tolles Konzert werden würde. Mit wunderbaren Erinnerungen kann ich nun berichten, dass es eine der schweißtreibendsten Live-Shows meines Lebens war, auf einer Höhe mit den HOOTERS zu ihren Hoch-Zeiten oder auch VON WEGEN LISBETH anno 2015 im Potsdamer Waschhaus.

Die Zeit verflog, nach dem leidenschaftlichen „Heicho“, für das die Band sich auf eine Minimalstnebenbühne beim Mischpult quetschte, gab es noch einmal „Kawasaki“ in voller Länger, nur eben diesmal mit Originaltext. Da sprang nicht nur ein Funke über, sondern ein ganzer Funkenregen an Begeisterung, an Leidenschaft, an Melodie, an Lebensfreude. Die Band verließ dann die Bühne und es folgten lautstarke Zugabe-Rufe. Die Band kam zurück und spielte die Ballade „Min Name“. Zum Luftholen blieb aber wenig Zeit, wir mussten ja schließlich alle mitsingen. Das Finale aus „Adam + Eva“ und „Charlotta“ war ein einziges Fest. Überall strahlende Gesichter! Es war einfach wunderschön mitzuerleben, wie die fünf Musiker auf der Bühne zu einer Einheit verschmolzen und wie zugleich auch das Publikum für zwei Stunden zu einer Herzensgemeinschaft wurde.

So überraschte es niemand, dass Stuttgart sich noch eine weitere Zugabe erjubelte. Zu meiner großen Freude gab es mit „Tanze Tanze“ an diesem Abend wenigstens noch einen Song vom 2012er Debüt „Wer zerscht s’Meer gsehd“. Stefan Buck begann alleine an E-Gitarre und Gesang. Die anderen vier Musiker schwangen ihre Hüften, ehe sie nach und nach zu ihren Instrumenten griffen. Wahrscheinlich hätten die Anwesenden die Schweizer Musiker nicht ziehen lassen, wenn HECHT nicht mehrmals deutlich signalisiert hätten, dass dies sicher nicht ihr letztes Konzert in Stuttgart bleiben würde. Zumal es in der benachbarten Wizemann-Halle ja auch Platz für diejenigen gibt, die diesmal keine Eintrittskarte mehr bekommen hatten. Ich werde auf alle Fälle am Start sein!

Warum HECHT bei Vampster?

Natürlich spielen HECHT keinen Heavy Metal. Aber die Band begeisterte mich nachhaltig mit ihrer großartigen, energiegeladenen Live-Performance. Daran will ich die (Metal-)Welt teilhaben lassen. Außerdem ist die einzige andere Poprock-Band mit schwizerdütschen Texten, die ich zuvor kannte, LOCKSTOFF – und die kannte ich auch nur, weil ihr Bassist Al zu den einstigen Vampster-Gründern gehört. Und wenn HECHT in ein, zwei Jahren auch in Deutschland Mainstream-Erfolg haben, kann die Vampster-Leserschaft sich sagen: Ich wusste schon davon, als es gerade erst losging. Passend dazu ermöglichte der kleine Rahmen, dass die Band nach dem Auftritt noch für Gespräche, Autogramme und Fotos in die Halle zurückkehrte – und mühelos die mitgebrachten T-Shirts und CDs komplett an die Fans brachten.

HECHT Setlist

  1. Besch ready für die Liebi vo mer?
  2. Gheie
  3. Kawasaki (deutsch)
  4. Fiji
  5. Nur 1 Minute (deutsch)
  6. Nimm mech i Arm
  7. Amigo
  8. Sommervögel
  9. Gymnastique
  10. Prosecco
  11. Tontauben (deutsch)
  12. Liebesbewiis (deutsch)
  13. Heicho
  14. Kawasaki
  15. Min Name
  16. Adam + Eva
  17. Charlotta
  18. Tanze Tanze