NO PRESSURE
Davon dürfte so ziemlich jeder Frontmann träumen: Als Opener beim zweiten Song mit dem Zeigefinger einen Circle Pit andirigieren – und alle machen mit. Die Emo Pop Punker NO PRESSURE sind viel, viel, viiiiiiiel melodischer als die beiden anderen Bands des Abends und wollten deshalb für mich gar nicht so gut auf das Billing passen. Den vielen Fans war das aber vollkommen egal, der Nürnberger Löwensaal kocht schon nach wenigen Minuten. Dass wirklich viele (auch) wegen NO PRESSURE da waren, sah man daran, wie textsicher das Publikum mitgesungen hat. NO PRESSURE-Sänger Parker Cannon freut sich jedenfalls sichtlich über die euphorischen Reaktionen. Die stimmliche Unterstützung dürfte ihm auch nicht ungelegen gekommen sein, denn so richtig gut bei Stimme war der Sänger, der auch bei THE STORY SO FAR aktiv ist, an diesem Abend nicht. Er klang stellenweise schon sehr dünn.

Fast wirkte es so, als ob Parker ein wenig zu beeindruckt vom ungestümen Publikum war, immer wieder legte er seinen Arm schützend um seinen Oberkörper und sank in sich zusammen. Der jüngste Fronter des Abends hatte übrigens auch den kleinsten Aktionsradius, mehr Testosteron und Action brachten da schon die beiden Gitarristen mit auf die Bühne. Wegen ihrer Backingvocal-Einsätze waren sie allerdings sozusagen vor ihren Mikros ortsgebunden. So musste halt das Publikum ein- und von der Bühne springen, die ersten Stagediver ließen sich nicht lange bitten. Und gegen Mitte des Sets übertrug sich auch endlich die Energie des Publikums auf die Band, das arg statische Posing wurde dynamischer, wenn gleich sich NO PRESSURE weiterhin recht reserviert gaben. Insgesamt war deutlich mehr Stimmung und Bewegungen vor als auf der Bühne, das sieht man auch nicht alle Tage.
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TERROR
Ganz anders als die etwas drucklosen NO PRESSURE präsentierten sich TERROR. Spätestens bei „Return To Strengh“ wurde der Löwensaal zum Kraftwerk, vor und diesmal auch auf der Bühne. Weitaus ruppiger mit ihren Songs und weitaus nahbarer im Kontakt zur Audience, zeigte die zweite Generation der Hardcore-Bewegung, wie das früher war und auch heute noch sein kann. Sänger Scott Vogel gönnte sich am Bühnenrand vor dem ersten Song ein kurzes Warm-up, wie ein Boxer hieb er seine Fäuste in die Luft, um anschließend das komplette Set mit hochgezogenen Schultern auf der Bühne umherzutigern, quasi immer auf dem Sprung. „Let’s create some energy“ ermunterte er das Publikum und die aufgeheizte Menge folgte bereitwillig seiner Aufforderung. „Always The Hard Way“ lautete das Motto im Moshpit. Rauh aber herzlich ging’s zur Sache, aber eben auch komplett ohne Crowdkilling. Im Gegenteil, jeder Diver – und vor allem die beiden unermüdlichen DiverINNEN – wurden auf der Bühne mit ebenso viel Respekt und Aufmerksamkeit empfangen wie beim Abflug in die Menge.

Den Zusammenhalt bestärkte Vogel mit langen Ansagen, wo er betonte, dass hier alle gleich sind, dass alle nur ein Ziel (nämlich eine gute Zeit in einer abgefuckten Welt) haben. Das war ehrlich und überzeugend, wie auch sein Appell, aufeinander achtzugeben. Und so wurde das muntere Rumgeschubse im Publikum zum achtsamen Handgemenge, und immer mehr (noch weitere Frauen) folgten seiner Einladung, den (Foto)Graben zu überwinden, zu ihm hochzukommen, mitzusingen und seine Bühne einzunehmen, die er bereitwillig mit allen teilte. TERROR zeigten sich damit weitaus inklusiver, gemeinschaftlicher und toleranter als Bands, die auf Social Media Verhaltensregeln für ihre Konzerte teilen. „It’s not our show, it’s your show“ rief er, und genau das war dieses Konzert: eine kurze, heftige Auszeit, in der jede und jeder seinen Platz, vor, auf, neben Bühne fand. Dazu eine ausgesprochen stabile Setlist und eine Band, die unglaublich Bock darauf hatte, live zu spielen und diese Freude mit ihrem Publikum zu teilen.
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Tracklist TERROR

GORILLA BISCUITS
Dii-didididi-diii. Natürlich darf die Fanfare nicht fehlen, wenn GORILLA BISCUITS sich anschicken, die Luftfeuchte in einem Club über die 90% Marke zu drücken. Ein Album und zwei EPs – mehr haben die Hardcore-Pioniere damals nicht veröffentlicht. Viel Auswahl für die Setlist ist da nicht, es sind alles Klassiker. Die Option „Stand Still“ kam nun wirklich für niemanden mehr in Frage, denn die New Yorker schafften das Unmögliche und heizten die Stimmung weiter an. „It’s Ladies‘ Night in Nuremburg“ stellte Sänger Anthony „Civ“ Civarelli erstaunt fest, denn die beiden Diverinnen, die schon bei TERROR nicht aufzuhalten waren, legten jetzt so richtig los und schmetterten mit unfassbarer Sicherheit auch im Flug jede Textzeilen mit, sobald sie ein Mikro zu fassen bekamen. Und das teile Civ bereitwillig mit allen, die mitmachen wollten. Für die Security war’s Schwerstarbeit, die vielen, vielen Fans zu handeln, denn die kamen jetzt von allen Seiten auf die Bühne. Und sicher hatte auch der Security-Mann im DRLG-Shirt nicht damit gerechnet, so viele Diver aus den Wogen der ersten Reihen fischen zu müssen.

Wer auf der Suche nach einem Rezept für ewige Jugend ist (oder neudeutsch und trendy: Longevity) ist, sollte sich Anthony Civarelli und Gitarrist Walter Schreifels ansehen, Straight Edge könnte die Antwort sein. Die beiden altern ebenso wenig wie die Songs „No Reason Why“, „Hold Your Ground“, „Good Intentions“, „Competition“ (auch live perfekt gepfiffen!) und all die anderen Hardcore-Hymnen dieser Band. Dieses Konzert weckte so viele Erinnerungen an bessere Tage („Memories of better days“ – diese Textzeile gibt’s als Ohrwurm hier gratis, gerne geshehen!). GORILLA BISCUITS stecken live immer viele Bands in die Tasche, deren Mitglieder noch gar nicht geboren waren, als 1989 das GB-Album „Start Today“ erschien. So viel ehrliche Spielfreude, so viel Tightness, so viel freundliche Interaktion mit dem Publikum – mit „Start Today“ endete ein absolut erinnerungswürdiger Konzertabend, bei dem Bands aus drei Generationen zeigten, dass es auch Mit- statt Gegeneinander sehr gut funktionieren kann.
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Tracklist GORILLA BISCUITS
