Das Krach-Punk-Quartett KRACHN!X feierte Ende September in der Reutlinger Zelle seinen 5. Bandgeburtstag. Leider mussten zwei der angekündigten Bands, GAFFA und WÄRTERS SCHLECHTE, kurzfristig absagen. Dafür sprangen als neuer Opener KÜSTE ein. In akustischer Duo-Besetzung mit Gitarre und Keyboard begann der musikalische Teil der Feier recht gewöhnungsbedürftig. Klar, die Musik verströmte das Unangepasste und Unperfekte des Punkrocks. Doch an der Küste wehte letztlich nur eine laue Brise. Mit „Mein Nachbar Boris P.“ gab es gegen Ende noch eine Portion Lokalkolorit zu Ehren des Tübinger Oberbürgermeisters. Die eher hohen Gesangslinien waren live eine Herausforderung für Band und Publikum gleichermaßen. Ein paar Dutzend Leute spendeten wohlwollend Applaus. Man war schließlich zum Feiern gekommen.
Mit ihrem energiegeladenen Abgeh-Rock waren die DUMB BATS der erste Höhepunkt des Abends.
Der Wirbelsturm folgte dann im Anschluss in Form der DUMB BATS. Mit reichlich Energie rockte das Stuttgarter Quartett los. Frontfrau Malu fegte über die Bühnenbretter und röhrte kraftvoll den Opener „Natural Born“. Gitarrist Fabi zockte geradlinige, flotte Riffs. Bassist Mo war ähnlich aktiv wie die Sängerin und liefert zugleich das klangliche Fundament der Songs. Schlagzeuger Cornelius brauchte dann nur noch auf die Trommeln zu hauen – und schon ging die Party so richtig los. Natürlich brauchten die Anwesenden ein paar Momente, um sich auf das Klangbild und die Show einzulassen. Doch schon bald war die vordere Hälfte der Zelle eifrig in Bewegung. Auch weiter hinten wippte man anerkennend mit.
Die Band nennt ihren Stil High-Energy-Actionrock. In seiner Form hat er etwas Zeitloses. Klar, es ist Rockmusik. Sie ist geradlinig, mal rotzig, mal treibend. Abseits jeglicher Trends genoss ich einfach die energiegeladene Performance. Der Gesang, mal eher schreiend, mal eher singend, passte prima zu den Liedern. Als bekennender Mitsing-Refrain-Fan fehlte mir an manchen Stelle ein wenig die Catchiness. Doch dafür konnte man eine knappe Stunde lang durchrocken. Balladen? Fehlanzeige. Nur die Ansagepausen boten kurze Gelegenheiten zum Luftholen. Und mit „Tame the Panther“ und der Zugabe „Left Lane“ gab es zumindest ein paar Songs mit hohem Wiedererkennungswert.
Als kurz vor Schluss kurzzeitig der Bass ausfiel, wurde erst so richtig klar, welche zentrale Rolle das Instrument bei den DUMB BATS spielt. Wuchtig, teils treibend, teils verspielt gab er oft den Ton an. Wie am ganzen Abend war der Sound wirklich gut ausgesteuert, so dass man den Auftritt einfach – aktiv oder passiv – genießen konnte. So bekam das Reutlinger Publikum die ungezügelte Kraft des Rocks direkt zu spüren, die direkte Nähe, die Verbindung aus Klangrausch und Bewegung. Dabei fügte sich das TURBONEGRO-Cover „All My Friends Are Dead“ bestens ins Programm ein.
Bei KRACHN!X war der Name Programm.
Die Bandabsagen hatten immerhin den Vorteil, dass KRACHN!X sich bei der Umbaupause Zeit lassen konnten. Fans und Freunde bejubelten den Soundcheck dabei bereits wie den richtigen Auftritt. Der begann dann unvermittelt. Dem Bandnamen entsprechend hauten die vier Musiker laute, schnelle Punkrock-Songs raus, die zum Mitschreien, Mitpogen und Mittrinken animierten. Inzwischen standen gut 100 Leute vor der Bühne und spendeten nach den Songs kräftig Applaus. In solch einem gemütlichen Rahmen war natürlich Platz für persönliche Begrüßungen und zahlreichen Danksagungen. Manchmal erinnerte die Mucke an eine ungestüme Variante von NORMAHL. Dann wurde das Tempo wieder angezogen und die Instrumente mussten ob der groben Behandlung leiden.
Die Ludwigsburger Punker spielten alle Songs ihres Debüts „Macht nix!“. Dazu wurde noch „Ein Tag im Bier“ von den FUCKIN‘ FACES gecovert. Die Stimmung war erste Sahne im Publikum wie auch auf der Bühne. Man trank, grölte, tanzte. Sänger Fabi brüllte sich die Seele aus dem Leib und war ständig in Bewegung. Melodien musste man mit der Lupe suchen. Dafür gab es Spielfreude und eben die ausgelassene Stimmung, die den ganzen Abend über eher eine fröhliche Feier als ein bierernstes Konzert war.
DORFTERROR verbanden Energie und Melodie mit gesellschaftskritischen Hooklines.
Zuletzt stimmten kurz nach 22 Uhr DORFTERROR etwas melodischere Töne an. Freilich zockt auch das Quartett aus der Gegend hinter Trier Punkrock mit reichlich Wumms und ordentlich Geschwindigkeit. Allerdings erklangen erstmalig an diesem Abend richtige Lead-Gitarren-Klänge! Frontmann und Gitarrist Fussel hat sicher nicht die klarste Gesangsstimme. Doch durch das erfreulich eingängige Songwriting und den bereits erwähnten, gut ausgesteuerten Sound kamen die Eigenkompositionen bestens beim Publikum an. Von Vorteil war sicher, dass man von der häufig gesellschaftskritische und politisch klar antifaschistische Ausrichtung der Texte durchaus etwas mitbekam. Dass ich das Debütalbum „Zivilisation & Abgrund“ bereits kannte, schadete natürlich nicht. Aufgelockerte wurde der Auftritt durch die neue Ska-Nummer „Am Arsch die Römer“ sowie durch zwei Cover-Versionen. „Trampen nach Norden“ von PASCOW passte musikalisch reibungslos zu den Eigenkompositionen, auch wenn der Song textlich woanders unterwegs ist als DORFTERROR üblicherweise. Bei „Willst du“ von ALLIGATOAH teilten sich Fussel und Bassistin Chili (die an diesem Abend auch ihren Geburtstag feierte) den Gesang. Heraus kam eine herrlich dynamische Punk-Fassung des Rap-Songs, der ungleich organischer und schmissiger klang als das jüngste E-Gitarren-Album „off“ des ursprünglichen Urhebers.
Die Zeit verflog im Nu. Es gab Pogo und vereinzelte Mitsingspielchen. Dazu kamen noch ein paar neue Songs, die 2026 auf dem Zweitwerk erscheinen sollen. DORFTERROR bleiben sich und ihrem Stil dabei treu. An diesem Abend jedenfalls traf die Band den Geschmack des Publikums, das schließlich noch zwei Zugaben bekam. Zur Heimathymne „Oberbillig“ kam Fabi von KRACHN!X nochmals auf die Bühne und sang kräftig mit. Als Rausschmeißer folgte noch „Blaue Haare“, dessen Sehnsucht und Leidenschaft einen wunderbaren Höhe- und Schlusspunkt setzten. So war nach gut einer Stunde der letzte Live-Auftritt des Abends vorüber und man sah viele zufriedene Gesichter, die einen fröhlichen Punk-Abend genossen hatten.
Der Spaß war mit 7 Euro im Vorverkauf zudem unglaublich günstig, so dass ich eifrig versuchte, durch Getränkekonsum noch mehr beizusteuern. Bei 1,50 Euro pro nichtalkoholischem Getränk war das nicht so einfach. So profitierten eben die Bands bzw. deren Merch-Stände.
Setlist DUMB BATS:
Natural Born
Rolling Thunder
Sick of You
Maniac
Rocket
Tame the Panther
All My Friends
Savior
Friday Night
Don´t Care
Ride Free
Zugabe: Left Lane und ein unbekannter Song
Setlist KRACHN!X:
Es eskaliert!
Giraffe
DePhMaToa
Der Anspruch
Walter Frosch
Soll ich’s wagen?
Keine Zeit
Kauft Leute Kauft!
Skate and Violence
Ein Tag im Bier (Fuckin Faces)
Macht nix!
Mexikaner
Alles muss kaputt sein
Zugaben: Blanker Grenzwahn und Medley
Setlist DORFTERROR:
Kill Your Idols
Lotterie des Lebens
Dünnes Eis
Drei Akkorde, trotzdem nice
Am Arsch die Römer
Frisst mich an
Welt zu klein
Trampen nach Norden
Herrchenrasse
Kopfweh
The Kids United
Never Divided
Willst du
Fassaden
Kein Fuß breit
People Hate Us
No Future Kid
Zugaben: Oberbillig und Blaue Haare