Tour-Finale in München: Es gibt wahrlich schlechtere Orte, die Feierlichkeiten zum 30. Jubiläum zu beenden. Zumal DARKEST HOUR in diesen Gefilden keine Unbekannten sind, lebte doch Sänger John Henry selbst einige Jahre in der bayerischen Landeshauptstadt. Insofern ist der heutige Abend in Teilen auch ein Wiedersehen mit alten Gefährten, so sie denn nicht bereits die vergangenen Wochen an der Seite der Metalcore- / Melodic Death Metal-Urgesteine verbracht haben: Die Bande zwischen dem Quintett und BLEEDING THROUGH reichen ganze zwei Dekaden zurück und auch mit SHAI HULUD verbindet der Headliner eine mehrjährige Freundschaft. Ganz so lange existieren DENIAL OF LIFE zwar noch nicht, die Chemie scheint allerdings auch hier zu stimmen.
DENIAL OF LIFE
Das jedenfalls legt die Unbeschwertheit nahe, mit der die US-Amerikaner die Bühne betreten. Zwar ist der Andrang in der Backstage Halle am frühen Abend noch sehr überschaubar, mit ihrem oldschooligen Thrash- / Hardcore-Mix aktivieren DENIAL OF LIFE die wenigen früh angereisten Besucher:innen jedenfalls zuverlässig.
Zurückzuführen ist das natürlich auch auf den Groove von Stücken wie „God’s Favorite“ oder die rohe Kante von „Bloodsaint“. Eine kurze SLAYER-Hommage wiederum fungiert als sicherer Eisbrecher, so dass die Stimmung in der sich langsam füllenden Location gemächlich an Fahrt aufnimmt.
DENIAL OF LIFE haben sichtlich Spaß auf der Bühne
Klar, stilistisch trifft das thrashige Riffing von „Shadow Self“ nicht alle Geschmäcker im Raum, direkt vor der Bühne aber sammelt sich bald ein engagierter harter Kern, der in punkto Körpereinsatz wohl nur von der Band selbst in den Schatten gestellt wird: Sängerin Brenda scheint auf der Bühne voll in ihrem Element und schenkt der Darbietung genau das Maß an Rockstar-Attitüde, welches wir vom klassisch beeinflussten Gespann erwartet haben.
Fotogalerie: DENIAL OF LIFE











SHAI HULUD
Seltene Gäste in München: Seit dem letzten Besuch SHAI HULUDs auf deutschem Boden sind bereits einige Jährchen ins Land gezogen. Dementsprechend groß waren die Erwartungen manch treuer Begleiter der Metal- / Hardcore-Urgesteine: Teils von weither angereist, zumeist in Würde mit der Band gealtert, spiegelt sich der Veteranenstatus der Band auch im Publikum wider.
Dass die für das Genre übliche jugendliche Euphorie im Pit im Folgenden nur in Ansätzen zu erkennen ist, können wir aber nur in Teilen auf den Altersdurchschnitt schieben: Musikalisch aufgrund zahlreicher Tempo- und Rhythmuswechsel durchaus fordernd, sorgt der eher mäßig balancierte Soundmix für ein wenig Sand im Getriebe. Gerade die Lead-Gitarre, die sonst die Kompositionen zusammenführt und Neulingen einen roten Faden schenkt, geht im Backstage völlig unter, so dass SHAI HULUD abseits der eigenen Fangemeinde einen schweren Stand haben.
Trotz einiger eigens angereister Fans haben SHAI HULUD heute Abend nicht den leichtesten Stand
Wenigstens Frontmann Geert van der Velde bewahrt sich jedoch seinen Elan, indem er selbst heute noch unermüdlich über die Bretter turnt, sich dabei die Seele aus dem Leib brüllt und für „Two And Twenty Misfortunes“ sogar das Mikro zwischenzeitlich bereitwillig an die erste Reihe weiterreicht. An Intensität oder gar Motivation mangelt es folglich nicht. Schade ist es dennoch, dass der Funke nicht vollends überspringen will: „This Song: For The True And Passionate Lovers Of Music” muss daher ohne den gewünschten Circle Pit auskommen. Ein Trostpflaster gibt’s dafür zum Schluss, als DARKEST HOUR-Gitarrist Mike Schleibaum in „Solely Concentrating On The Negative Aspects Of Life” zum Instrument greift, um den letzten Breakdown gemeinsam mit seinen guten Freunden zu zelebrieren.
Fotogalerie: SHAI HULUD








BLEEDING THROUGH
Charmant, charmant: “Wenn ihr heute hier seid, um uns zu sehen, bedeutet das, dass ihr alt seid.“ Brandan Schieppati ist sich der eigenen Lenze auf dem Buckel augenscheinlich bewusst, will davon die kommende Dreiviertelstunde aber dennoch rein gar nichts mehr wissen. Der BLEEDING THROUGH-Frontmann entert folglich direkt beim Opener „Love Lost In A Hail of Gun Fire” höchstpersönlich den Pit und krempelt auch im folgenden „Orange County Blonde And Blue“ die – zugegebenermaßen nicht vorhandenen – Ärmel hoch, um die vom Circle Pit verschreckten Leute eigenhändig zurück in die vorderen Reihen zu holen.
Das ist sympathisch und zeugt von der unbändigen Spielfreude, die das Gespann an den Tag legt, zumal es nicht der letzte Ausflug des Shouters in die Menge bleiben soll. Überhaupt ist die Publikumsinteraktion ein integraler Bestandteil der Show: Während „For Love And Failing“ gibt Schieppati gar das Mikro für einige Augenblicke aus der Hand, um anschließend die textsicheren Fans für ihre Leistung zu würdigen.
Den ungezügelten Einsatz Brandan Schieppatis weiß das Publikum zu würdigen
Der ungezügelte Einsatz der Formation ist es letztlich auch, der die ungeschliffenen Seiten der Darbietung gekonnt zu überspielen weiß. Marta Demmels Keyboard geht im brachialen Soundgewitter völlig unter, während die klar gesungenen Passagen in „Dead But So Alive“ oder „Lost In Isolation“ gerade so zweckmäßig ausfallen. Ein wenig sicherer wirkt der weibliche Gegenpart, der in „On Wings Of Lead“ immerhin die erste Strophe allein stemmen darf.
Hochenergetisch und mit dem Gaspedal am Anschlag bleibt im Finale „Kill To Believe“ jedoch sowieso keine Zeit, groß darüber nachzudenken. Das Gesamtpaket funktioniert und wirkt dabei deutlich ehrlicher als ein Großteil der zeitgenössischen Genrekollegen. Schön, dass auch das Münchner Publikum das zu honorieren weiß.
Fotogalerie: BLEEDING THROUGH











DARKEST HOUR
Eine Schlacht müssen DARKEST HOUR heute Abend glücklicherweise nicht schlagen: Abgemischt ist der Klang des Headliners nahezu makellos, so dass wir nicht nur die flinken Soli und die oftmals eingängigen Riffs im Detail nachverfolgen können, auch die Bassspuren treten immer wieder in Erscheinung. Eine Feinheit, der man im Zentrum der Backstage Halle allerdings wohl wenig Beachtung schenkt, versammelt man sich doch dort ab den ersten Klängen von „With A Thousand Words To Say But One“ zum abendlichen Kardiotraining.
Den Circle Pit im furiosen „The Sadist Nation” toppt indes allein Gitarrist Mike Schleibaum, der irgendwann im Hintergrund die Bass-Drum des Schlagzeugs erklommen zu haben scheint und diese sodann als Sprungturm umfunktioniert. Überhaupt ist der Musiker im Verlaufe des Auftritts kaum zu bändigen, wuselt über die Bretter und erlaubt sich dabei regelmäßig kleine Späßchen. Rampensau? Aber bitte!
Für ihr Jubiläum haben DARKEST HOUR eine Art Best-of-Set geschnürt
Bei so viel Bewegungsdrang fällt es den Münchner:innen schwer, nicht selbst nachzuziehen, zumal DARKEST HOUR für die diesjährige Tour eine Art Best-of-Set geschnürt haben. Natürlich kann man nicht jeden Hit spielen und natürlich finden sich dadurch auch viele der üblichen Verdächtigen auf der Setliste, doch der Stimmung tut das selbstverständlich keinen Abbruch, wie der Pit zu „Convalescence“ belegt. Den eingängigen Refrain von“ Demon(s)“ singen derweil nicht nur die vorderen Reihen am Bühnenrand inbrünstig mit: Keine Frage, hier kennt man und versteht man sich.
In Teilen mag das durchaus an Frontmann John Henry liegen, der bis zuletzt selbst einige Jahre in der bayerischen Landeshauptstadt gelebt hat und folglich auch einige Bekanntschaften im Publikum begrüßen darf. Doch selbst abseits Henrys Umfeld ist es für den Großteil nicht die erste Begegnung mit den US-Amerikanern, weshalb mit „An Epitaph“ sowie „For The Soul Of The Savior“ selbst die beiden Stücke aus Anfangstagen umjubelt aufgenommen werden.
Das Finale verwandeln die Vorbands spontan in eine Art Geburtstagsparty
Beifall gibt es darüber hinaus für Gitarrist Nico Santora, der gemeinsam mit Schleibaum die Soli in „Sound The Surrender“ zu einem kleinen Event werden lässt, nur um mit viel Gefühl das instrumentale „Amor Fati“ nachzulegen. Den Höhepunkt des Auftritts markiert jedoch „Goddess Of War, Give Me Something To Die For“, bei dem plötzlich die komplette Musikerriege die Bühne stürmt: Bewaffnet mit Luftrüssel-Tröten und dem Jubiläumsjahr in Ballonform bringt das Tour-Line-up nicht nur ausgelassene Party-Stimmung mit sich, sondern zeigt auch nochmals den Zusammenhalt untereinander.
Ihr 30-jähriges Bestehen dürfen DARKEST HOUR auf diese Weise unter Freunden feiern: mit den langjährigen Weggefährten BLEEDING THROUGH, den Metalcore-Veteranen SHAI HULUD, den Newcomern DENIAL OF LIFE und der treuen Fangemeinde in München. Wie aufrichtig dieser Augenblick wirkt, zeigt uns – wer denn auch sonst – Mike Schleibaum, der uns ein paar Takte lang demonstriert, dass man sogar während einer innigen Umarmung noch famose Melodeath-Riffs aus dem Ärmel schütteln kann.
DARKEST HOUR sorgen für ein kurzes, aber intensives Vergnügen
Die zwei nachgelegten Zugaben „Knife In The Safe Room“ sowie „Tranquil“ wirken dann eher wie Kür denn Pflicht, obwohl das Set mit 60 Minuten eher spärlich kurz ausfällt und durchaus noch ein bis zwei Stücke vertragen hätte. Es wäre eine schöne Geste zum Ende dieser Tour gewesen, aber wir verstehen auch, dass man so nun schneller zum entspannten Teil des Abends übergehen kann. Schließlich gibt es deutlich schlechtere Orte als München und das Backstage, um nach getaner Arbeit auf drei gemeinsame Jahrzehnte anzustoßen – nicht nur DARKEST HOUR-Frontmann John Henry weiß, wovon wir sprechen.
DARKEST HOUR Setlist – ca. 60 Min.
1. With A Thousand Words To Say But One
2. The Sadist Nation
3. Convalescence
4. Rapture In Exile
5. A Paradox With Flies – The Light
6. Demon(s)
7. Sound The Surrender
8. Amor Fati
9. Doomsayer (The Beginning Of The End)
10. An Epitaph
11. For The Soul Of The Savior
12. Goddess Of War, Give Me Something To Die For
————————
13. Knife In The Safe Room
14. Tranquil
Fotogalerie: DARKEST HOUR












Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)