Samael – Interview mit Xy am 29.7.99

Interessant war es, mit dem Keyboarder der Wallisser Band SAMAEL zu reden. Lest selbst!

Nun kann ich schon mal ein Interview mit einer Schweizer Band machen, und dann das: Keiner in der Band spricht Deutsch. Für diejenigen, die das nicht wissen: Die Schweiz ist quasi dreigeteilt, der östliche Teil spricht deutsch, der westliche französisch und der südliche, das Tessin, italienisch. So kommt es, dass die im Wallis beheimatete Band vornehmlich französisch spricht.

Zum Glück konnte mein Interviewpartner dann doch Englisch. Schon schade, wenn man mit einem Landsmann nicht in der Landessprache reden kann….

Pünktlich auf die Minute klingelte das Telefon und ein etwas frankophon klingender Xy sprach mir entgegen. Xy begann nach einem kleinen Schwätzchen über obengenannte Sprachprobleme, etwas über ihr neues, tolles Album ETERNAL zu erzählen:

Als ersten Song für das neue Album schrieben wir „Nautilus & Zeppelin“. „I“ ist der erste Song, den wir im Studio aufnahmen. Es ist nun nicht so, dass die Songs erst im Studio entstehen, wie das bei anderen Bands der Fall ist. Wir machen immer so ein Preproduction-Tape, auf dem dann alle Songs schon etwa so stehen, wie sie später sein werden, die Feinheiten vielleicht mal ausgenommen.

Weshalb habt Ihr denn dieses Mal ohne einen Producer gearbeitet?

Dieses mal war alles anders: Wir hatten ein anderes Studio, wir produzierten das ganze mit der Band zusammen.

Aber wir hatten David Richards am Mischpult, der ja selber Producer ist, und so fühlte ich mich recht sicher, weil da jemand war, dem man immer noch das Kommando übergeben konnte, falls etwas daneben lief. Ich hatte mit ihm schon die Produktion von Xytras’ PASSAGE übernommen, und kannte und vertraute ihm daher sehr. Man kann sowieso erst ca. 6 Monate nach den Aufnahmen sagen, ob man zufrieden mit der Platte ist, und was man hätte besser machen können.

Wenn man sich die letzten beiden Songs zu Gemüte führt, „Being“ und „Radiant Star“, dann klingt das wesentlich experimentierfreudiger als früher.

Die Band hat auch einen gewissen Einfluss, und so kam es dazu, diese Songs ein bisschen andersartig zu gestalten. Es ist manchmal gut, etwas anderes und überraschendes in einem vollen Album zu haben. Zu überraschen ist das Hauptziel. (lacht)

Wie läuft denn das mit dem Schreiben von Songs? Machst Du das am Computer?

Ja, einen ziemlichen Teil davon, vor allem weil wir eine Drum-Machine und viele Keyboard-Sachen benützen. Ich spiele aber auch Gitarre, naja, nicht so gut, aber es reicht, um Ideen auszufeilen.

Es ist oft so, dass wir darüber sprechen, wie ein Song klingen soll, in welche Richtung er gehen soll, und dann versuche ich, eine Songidee um unsere Idee von einem Song zu bauen. So können sich sowohl Vorph (Guit/Vox – anm.d.Ver.) als auch Masmiseim (Bass – anm.d.Ver.) und Kaos (Guit – anm.d.Ver.) in den Prozess mit einbringen. Ich schreibe effektiv die Songs, aber die anderen haben sowohl davor als auch danach die Möglichkeit, das ganze Stück zu beeinflussen. Manchmal kommen Vorph, Masmiseim oder Kaos mit einem Titel oder sie zeigen mir Zeug, das sie sich anhören, welches ich mir sonst auch nicht einfach so anhören würde – sie geben mir eine Richtung, wohin ich mit dem Song gehen soll.

Aber Ihr habt keine richtige Bandprobe oder sowas in der Richtung?

Wir üben ziemlich viel mit Tapes, jeder sieht dann mal für sich, dass er seinen Teil spielen kann, aber klar, dann machen wir eine Probe ab, um neue Songs zu üben. Das ganze machen wir auch während diesem Preproduction-Prozess, also noch lange, bevor wir ins Studio gehen.

Im Studio geht dann alles verhältnismässig normal zu und her: Wir nehmen als erstes das Schlagzeug auf, das ja von der Harddisk kommt, insofern ist das schon eine grosse Zeitersparnis. Danach geht es ziemlich traditionell weiter: Zuerst kommt der Bass, die Gitarren, darüber die Keyboards und der Gesang.

Für dieses Album nahmen wir noch zusätzlich ein Bisschen „Ambience Drums“ drauf – vor allem Cymbals und solche Sachen, die aus der Dose nie wirklich gut klingen.

Obwohl wohl der Trend mehr in die Richtung „Nur noch im Studio mischen“ geht, nehmen wir immer noch alles im Studio auf und nicht im Proberaum, um es dann zu mischen. Wir müssen ja auch die Drums nicht selber einspielen, von daher haben wir schon viel Zeit gespart. Dann ist es halt das Ziel, etwas am Leben zu erhalten, um den Mix zwischen Programmierung und Technologie und menschlichem Gefühl hochzuhalten. Wenn wir anstatt der Gitarren und dem Bass Samples oder so verwenden würden, dann könnte das Ergebnis anders klingen…

Eine Frage, die ich mir schon gestellt habe: Spielst Du all Deine Keyboards selber ein, oder lässt Du das vom Sequencer erledigen? Ich spreche vor allem von deinem Projekt Xytras.

Klar, auf dem PASSAGE-Remix ist ziemlich viel durch den Computer gemacht, was auch offensichtlich sein dürfte.

Mit Samael hingegen hab ich bisher alles selbst gespielt. Auch auf der Bühne spiele ich bisher alle Keyboard-Parts selber, ausser den Drums kommt nichts von der Harddisk. Gut, in den neuen Songs haben wir zum Teil auch Techno-Loops verwendet, die kommen dann auf der Bühne auch von der Scheibe, aber das sehe ich eher als Samples oder eben Loops, die ich schlecht selber spielen könnte. Die Songs von Passage konnte ich Live alle selber spielen, und ich denke, dass das mit den neuen auch möglich ist.

Ihr habt ja nun für etwa 4 Jahre ohne Drummer aus Fleisch und Blut gespielt, welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht? Würdet Ihr den Schritt weg vom traditionellen wieder machen?

Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir den gleichen Schritt wieder tun würden. Heute auf jeden Fall, vor ein paar Jahren hätten wir vielleicht einen Drummer gesucht. Wir kannten halt auch niemanden, mit dem wir uns vorstellen konnten, ihn dabei zu haben. In einer Band zu spielen ist mehr als nur zusammen zu spielen, weisst Du? Mann muss zusammen leben können, und es ist wirklich wichtig, jemanden zu finden, der da rein passt.

Aber alles in allem: Ja, wir würden den Schritt wieder tun, wir bedauern nichts.

Ich hab Euch vor ein paar Wochen in Pratteln das erste mal spielen sehen, und ich war wirklich beeindruckt, wie gut das live ohne Schlagzeuger funktioniert.

Wir versuchen ja auch mit etwas Perkussion ein bisschen richtiges Schlagzeug auf der Bühne zu behalten. Auch da muss ich wieder sagen: Wir bedauern nichts. Denn dadurch, dass wir keinen menschlichen Schlagzeuger in der Band haben, besitzen wir die Chance, anders zu klingen und anders auszusehen als andere Bands. Es gibt natürlich auch Leute, die dagegen sind. Ich hab aber erst viel mehr Widerstand erwartet, der dann doch weitgehend ausblieb.

Auch als wir die erste Tour ohne Schlagzeuger spielten, war das ganze ziemlich normal.

Gibt es denn einen Grund für den Wechsel der Show? Früher hattet Ihr eine total kalte, sterile Ausstrahlung, und dieses Jahr ist Eure Präsenz völlig warm, wenn man das so sagen kann.

Es ist auch nicht mehr genau dasselbe Gefühl innerhalb der Band da, und wir brauchten halt auch einmal eine Abwechslung. Es wäre langweilig, noch mal dasselbe zu machen. Es ist immer gut, wenn man überraschen kann und wenn man überrascht werden kann.

Hab Ihr Eure momentane Show selber gestaltet, mit all dem Feuer und so?

Nein. Oder ja und nein. Mir ist die Idee gekommen, als wir diese Leute in der Nähe von Lausanne gesehen haben. Wir mögen das ganze sehr, und wir werden die Show in dieser Art sicher noch eine ganze Weile behalten.

Themenwechsel. In der Schweiz gab und gibt es etwa drei bekannte Metalbands (die Tessiner Rockband Gotthard mal ausgenommen): Celtic Frost, Gurd und Samael. Hast Du eine Idee, warum die Metalszene in der Schweiz so klein ist?

Wir sind ja auch ein kleines Land, oder? (lacht)

Schon, aber an dem kann es ja nicht nur liegen.

Es sieht heute doch schon fast so aus, als ob die Szene in der Schweiz besser wird. Die Leute werden wieder etwas offener.

Die andere Seite ist sicher, dass bei uns Bands nicht vom Staat unterstützt werden. In Frankreich zum Beispiel bekommt man als Band Unterstützung vom Staat. Man muss irgendwie zeigen, dass man interessiert daran ist, nur Musik zu machen, ich weiss nicht genau wie, z.B. mit so-und-so-vielen Gigs pro Jahr oder so. Wenn man schon nahe dran ist, genug mit der Musik zu verdienen um damit leben zu können, dann sieht der Staat, dass man versucht, etwas zu machen und greift einem finanziell noch etwas unter die Arme.

Oder nimm Schweden: Musik ist da ein Teil der Ausbildung. Drum gibt es da so viele so gute Bands. In der Schweiz ist das halt anders. In beiden Belangen.

Darum geht es auch in „The Cross“, es geht um die Verbindung, zwischen dem, was in der Religion passiert, und dem, was in der Schweizer Politik passiert. Sehr konservativ und engstirnig.

Mag Vorph es eigentlich, in englisch zu schreiben und zu singen, als französisch sprechender? Hast Du da eine Ahnung?

Ich finde, dass Englisch eine schöne Sprache ist. Als wir mit Samael angefangen haben, war es gar keine Frage, wir wollten in Englisch singen, weil Englisch die Sprache der Rockmusik ist. Klar, man hätte das auch in Deutsch oder in Französisch machen können, aber uns kam die Idee gar nicht. Vielleicht machen wir das aber noch.

Hast Du eigentlich vor, noch mal so etwas wie das „Xytras“-Ding zu machen?

Wenn ich mir ETERNAL anhöre, kommen mir eigentlich schon Ideen, was man damit noch machen könnte. Es ist noch nichts sicher.

Und mit anderem Material, wenn’s nicht das von ETERNAL wäre?

Ich habe nicht wirklich geplant, so etwas wie den PASSAGE-Remix zu machen, aber manchmal geschehen solche Dinge einfach. Es ist lustig, es kommen sehr viele Leute zu mir und fragen danach. Anscheinend hat die Platte Eindruck gemacht.

Auf jeden Fall, ich mochte sie sehr!

Ja, ich dachte schon, dass es einigen Leuten wahrscheinlich gefallen würde.

Gibt es ein Samael-Konzept? Ich schaue mir nur gerade die letzten drei Platten von Euch an, und überall ist da sowas mit dem Weltraum drauf.

Wir werden halt einfach angezogen vom Mysterium Weltraum. Wir sind alle ziemlich beeindruckt vom Gedanken daran.

Glaubst Du also an andere Zivilisationen auf fremden Planeten?

Ich wäre gar nicht erstaunt, wenn es andere Leute gäbe, die da irgendwo leben. Zu sagen, es gäbe keine anderes intelligentes Leben im Weltraum, wäre relativ… hmmm…. ich finde das Wort nicht.

Sag es auf französisch.

Hmmm…. Da finde ich es auch nicht. Naja, ich meinte, man kann sich nicht sicher sein.

Ok, dann kommen wir noch zu den vampster-Standard-Fragen:

Die erste ist einfach: Was waren die letzten drei Platten, die Du Dir gekauft/besorgt hast?

Wow! Hmmm… Die neue Amorphis, dann die letzte Tiamat und… man, das ist eine gute Frage… Ich habe mir letzthin die CD einer französischen Band namens Carnival in Corpse besorgt. It’s ok!

Was hörst Du Dir denn sonst so an?

Neurosis oder Ocean Machine zum Beispiel.

Endlich mal jemand mit gescheitem Musikgeschmack!

Hast Du Neurosis schon mal live gesehen? Ein echter Killer!

Nein, leider nicht, die waren doch noch nie in der Schweiz…

Doch, die haben letzthin in der Roten Halle in Bern gespielt.

Aber Bern ist ziemlich weit weg, für Schweizer Verhältnisse und dafür, dass ich kein Auto hab. Und am Bahnhof schlafen ist auch nicht sooo cool.

Ah, daran erinnere ich mich! (lacht)

Ok, nächste Frage: Denkst Du, dass Internet und CD-ROM-Tracks auf normalen Audio-CDs ein wichtiges Instrument für Bands sein wird?

Internet sicherlich, das ist jetzt ja schon wichtig.

Wen würdest Du gerne mal treffen?

Nietzsche. Oder ähnliche Leute, die zuviel denken.

Gut, jetzt bist Du durch. Dann danke ich Dir vielmals für das Interview!

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