VENOM-Reunion hin, SEX-PISTOLS-Wiedervereinigung her. So interessant das Wiederauferstehen von Bands auch sein mag, gegen die Reunion von KISS im Original-Line-up kann im Moment Nichts und Niemand anstinken (höchstens die BEATLES im legendären Line-up. Oder Elvis!). Wer bei MTV den “Unplugged”-Auftritt von KISS gesehen hat, konnte sich überzeugen, welchen Kultstatus die Originalbesetzung des New Yorker Vierers immer noch hat. Auch wenn Ace Frehley seit mittlerweile fast 13 Jahren nicht mehr zur Band gehört, antworten achtzig Prozent der KISS-Fans mit “Ace Frehley”, wenn die Frage nach DEM KISS-Gitarristen gestellt wird. Bei mir sieht es ähnlich aus, auch wenn ich sagen muss, dass ich seinen Nachfolger Vinnie Vincent noch einen Tick besser finde. Dieses Interview mit Ace fand übrigens (auf eigene Kosten) per Telefon statt, obwohl Ace im Juni ´95 als Special Guest der KISS-Convention in Deutschland war, doch sein Manager entpuppte sich als eine der unfreundlichsten Personen, die ich in diesem Business in den letzten sechs Jahren getroffen habe. Er meinte, es wäre in Deutschland nicht möglich, Interviews zu führen und tat so, als ob Ace (immer noch) einen Michael Jackson-ähnlichen Superstar-Status innehat. Keine Fotos aus dem Publikum heraus, für jeden nur ein Autogramm (und das, obwohl bei der Veranstaltung in Hamburg nicht wirklich viele Leute anwesend waren) und eine dürftige knappe “Frage & Antwort”- Etappe. Schließlich ließ es dieser Mensch noch nicht mal zu, dass Ace für die KISS-Coverband (weder bei KISSEXY noch bei LOVE GUN) in die Saiten griff. Doch was beschwer´ ich mich? Ich durfte Ace backstage die Hand schütteln und “Hallo” sagen. Ich bekam sogar ein Autogramm bzw. ein Foto – und stand nach circa viereinhalb Minuten wieder im Regen. Hier also das teuerste Interview in der Geschichte des Animalize. Dieses Interview fand übrigens statt, bevor feststand, dass das Original-Line-up wieder zusammen ist. Deshalb logischerweise keine Fragen zu diesem Thema..
Hi Ace, schön, dass das Gespräch doch noch zustande gekommen ist. Meine erste Frage ist natürlich auf die aktuelle Situation bezogen. Wer gehört alles zu Deiner Band und wie wird das neue Material klingen?
Zu meiner Band gehören neben mir (ehrlich? – der Verf.) noch Richie Scarlet (Gitarre, war auch schon auf “Trouble Walkin'” zu hören), Karl Cochran am Bass sowie Steve Werner am Schlagzeug. Ich bin auch wieder der einzige Sänger, auch wenn mein neuer Basser eine wirklich exzellente Stimme hat. Mal sehen, vielleicht wird er ja ein Stück singen. Das neue Material wird sehr viel härter klingen als das letzte Album (“Trouble Walkin”, 1989). Lauter, roher und gitarrenorientierter.
Können wir den vierten Teil des Instrumentalwerkes “Fractured Mirror” erwarten?
Komisch, jeder fragt mich das. Kann ich im Moment aber noch nicht sagen. Wenn ja, dann ja. Wenn nicht, dann nicht. (Ach was? – der Verf.)
Und können wir vielleicht eine ähnliche Aktion erwarten wie bei Peter Criss (der Original-Drummer von KISS – der Verf.), der mit “Beth” einen alten KISS-Track neu aufgenommen hat?
Nein, das komplette Material ist neu.
Nun bist Du ja als Special Guest bei einigen Stücken des aktuellen Peter Criss – Album “Cat No 1” zu hören. Peter hat ja auch auf Deinem letzten Album mitgewirkt. Werden wir Peter auch auf Deinem neuen Album hören?
Ja, ich denke schon, dass das passieren wird.
Schön, dass in diesem Interview die Fragen länger sind als die Antworten, doch vielleicht erklärst Du mir mal, warum Peter und Du nicht eine Band zusammen gründen, zumal Ihr ja auch schon seit Jahren dicke Freunde seit?
Weil Peter eine eigene Band hat und weil ich eine eigene Band habe. Wir haben aber gerade eine Co-Headliner zu Ende gebracht, d.h. seine und meine Band zusammen, was eine sehr erfolgreiche Tour war (Ich weiss zwar jetzt nicht, wo beide Bands gespielt haben, aber wenn man in Clubs spielt, die die Grösse der Umkleidekabinen der KISS-Vergangenheit besitzen, dann ist man wohl über “ausverkauft” nicht allzu überrascht – der Verf.). Wir spielten in Kanada und an der Westküste. Meine Auffassung von Musik ist auch nicht unbedingt dieselbe wie Peter’s, d.h. wir haben andere Einflüsse und andere Arbeitsweisen. Du brauchst Dir doch nur unsere Soloalben anzuhören, dann wirst Du hören, dass es doch eher unterschiedliche Musik ist. Eine gemeinsame Band ist sicherlich eine sehr gute Idee, doch ich mach lieber mein “eigenes Ding” und bin dabei mein eigener Boss.
Auf dem Cover des “KISS my Ass”-Tributealbums ist nicht das Ace Frehley-Make-up zu sehen, sondern ein stark entfremdetes, dass nur entfernt an Dein Make-up erinnert. Was war der Grund dafür?
Als ich die Band 1983 verließ, trafen wir die Abmachung, dass Gene und Paul das Make-up weiter nutzen durften, allerdings nur auf alten Fotos. Sollte das Make-up auf neueren Fotos benutzt werden, wären Tantiemen an mich zu zahlen. Ich habe zwar auch schon die Version gehört, dass ich angeblich über meinen Anwalt versucht hätte, die Nutzung “meines” Make-up’s zu verhindern, doch das ist definitiv nicht wahr. Warum sollte ich so was auch versuchen, wenn ich doch für die Nutzung Geld bekomme. Das würde keinen Sinn machen, oder?
Hast Du schon von dem Indie-Release “KISS my Ace” gehört, auf dem ausschließlich Frehley-Songs zu hören sind?
Ja, ich besitze sogar ein Advancetape des Albums, das wirklich nicht schlecht ist. Mein Manager ist im Moment auch gerade mit einigen Labels in Verhandlungen, um ein Ace Frehley-Tributealbum herauszubringen.
Du sagtest zwar, dass es bereits dreizehn Jahre her ist, dass Du bei KISS draußen bist, nur gibt es bis heute nicht DEN Grund für Deinen Ausstieg/Rausschmiss. Es gibt verschiedene Versionen. Du sollst nicht mehr bei KISS sein, weil Du unter den Folgen eines schweren Autounfalls zu leiden hattest, weil Du Dich innerhalb der Band nicht mehr wohlgefühlt hast, seit Peter draußen ist. Du warst unzufrieden, weil Du Dein eigenes Material nicht einbringen konntest, wie Du wolltest. Was war denn nun aus Deiner Sicht DER Grund?
Wie Du gerade eben schon festgestellt hast, gab es viele verschiedene Gründe. Der Hauptgrund waren jedoch musikalische Differenzen (das darf nicht wahr sein, da rechne ich mit einer musikgeschichtlichen Sensation, da kommt mir Paul, so Ace’s richtiger Name, mit so etwas – der Verf.). Es machte einfach keinen Spaß mehr, mit Paul und Gene zusammenzuarbeiten, außerdem fehlte mir Peter doch sehr, denn ich hing immer mit ihm, aber nur ganz, ganz selten mit Gene oder Paul ab. Als Eric Carr, God bless his soul, in die Band kam, war die ganze Demokratie dahin, denn Eric war anfangs nur ein Angestellter der Band. So war die ganze Demokratie, die vorher herrschte, dahin. Es war also der Fall, dass Gene und Paul mich jederzeit überstimmen konnten, wenn irgendwelche wichtigen Bandentscheidungen anstanden. Sei es bei den Songs, Albumcovern oder bei der Wahl des Produzenten. So ließ natürlich auch meine Power irgendwann nach. Ich arbeitete dann aber u.a. mit Anton Fig (der Drummer aller Ace FrehleySoloscheiben. Ausnahme: “Second Sighting”) und sehr talentierten Musikern zusammen und bekam dadurch wieder Spaß am Musikmachen. Außerdem war es so, dass damals mein Soloalbum das Erfolgreichste war, erfolgreicher als das von Gene und Paul. Schließlich begann ich sehr stark zu trinken, weil ich einfach zu sehr durch die Zusammenarbeit mit Gene und Paul gefrustet war. Ich wurde alkoholabhängig, konnte aber noch realisieren, dass ich die Band verlassen musste, um mich nicht selbst zu zerstören. Ich war für zehn Jahre bei KISS und es war nun auch an der Zeit für neue Experimente und Herausforderungen. Ich wollte den Leuten auch zeigen, wer der wirkliche Ace Frehley ist, denn alle kannten mich bisher nur als den “Spaceman” in Kostüm und Make-up. Sie sollten mich aber als den Ace Frehley kennen lernen, der ich wirklich bin. I am what I am and what you see is what you get.
Du erwähntest gerade eben Eric Carr. Welche Art von Gefühlen hattest Du, als Du von seinem Tod am 24.11.91 erfuhrst?
Ich war sehr, sehr traurig, als ich von seinem Tod erfuhr. Ich sprach das letzte Mal mit Eric etwa drei Monate vor seinem Tod, als er in Florida Urlaub machte. Wir sprachen darüber gemeinsam an neuem Material zu arbeiten, und sein Gesang wird auch voraussichtlich auf meinem neuen Album zu hören sein. Er war zwar sehr verwirrt, weil er von Gene und Paul aus der Band geschmissen wurde, doch Eric war auch voller Zuversicht, zumal sein Doktor der Meinung war, es würde Ihm wieder besser gehen. Gene und Paul wussten allerdings, dass Eric sterben würde. Es gibt also viele Geschichten darüber, dass ich mir selber noch keine richtige Meinung darüber bilden konnte. Ich war wirklich sehr traurig und vermisse Ihn sehr, doch wenn deine Zeit kommt, musst du gehen. Wenn Gott dich haben will, holt er Dich …
Wie hast Du eigentlich reagiert, als Du hörtest, dass Gene und Paul zusammen mit Deinem Nachfolger Vinnie Vincent Songs für das letzte Studioalbum “Revenge” schrieben? Fragt man sich da nicht “Warum versuchen die es denn nicht mit mir”?
Warum sollten sie das tun, ich bin nicht mehr bei KISS. Außerdem ist Vinnie ein großartiger Songwriter. Ich kümmere mich nicht groß um solche Sachen. Ich hab´ KISS auch nicht einmal live gesehen, seit ich die Band verlassen habe.
Nun hast Du ja das (In Deutschland unverständlicherweise verbotene) Originallogo designt. Hast Du nach Deinem Ausstieg nie überlegt, Gene und Paul die Benutzung des Logos zu verbieten?
Nein, denn I don’t care about the KISS-Thing anymore. Dieses Logo bedeutet mir nicht wirklich viel. Außerdem hatte ich irgendwie nicht das Recht, ihnen das Logo zu nehmen. Selbst wenn, ich glaube nicht, dass sich ein anderes Logo irgendwie auf den Fortbestand der Band ausgewirkt hätte. Ich hab es übrigens bis heute nicht verstanden, warum bei euch in Deutschland das Originallogo verboten ist. Ich dachte bestimmt nicht an das “SS” der Nazis, es sollten lediglich zwei Blitze sein.
Wie siehst Du eigentlich heute, mit dem Abstand von einigen Jahren, Deine bisherige Solokarriere. Welches Album ist das, was dem, wofür Ace Frehley steht, am nächsten kommt?
I think “Trouble Walkin'” is a great record. Ich denke, meine besten Soloscheiben waren “Trouble Walkin'” und das Soloalbum, dass ich machte, als ich noch bei KISS war.
Was macht Ace Frehley heute neben “seiner” Musik? Produzierst oder managst Du andere Bands? Oder hast Du schon mal Gitarrenbücher/ -videos rausgebracht?
Ich habe schon einige Bands produziert. Gemanagt habe ich dagegen noch keine Band. Es ist eine Menge Arbeit und außerdem glaube ich, dass ich nicht der Typ bin, der als Manager arbeiten kann. Ich stecke eigentlich die ganze Arbeit in meine eigene Band. Womit ich mich sonst wirklich viel beschäftige sind Computergrafiken, die ich zu Hause erstelle. Ich werde wohl auch das nächste Albumcover designen und einige Videoanimationen für das nächste Video erstellen.
Wenn man jetzt nur als Beispiel die Solokarrieren ehemaliger KISS-Mitglieder nimmt, warum denkst Du, ist es so schwer, als ehemaliges Bandmitglied einer wirklich großen Band eine erfolgreiche Solokarriere zu starten?
Du weißt aber auch schon, dass auch KISS, nachdem Peter und ich draußen waren, nie wieder den Erfolg hatten, den sie hatten, als wir noch in der Band waren?!
Du bist auf “Alive” und “Alive II” zu hören. Was hälst Du von “Alive III”?
Not much! (lacht)
Welche KISS-Stücke spielst Du denn live mit Deiner Band?
“Detroit Rock City”, “Deuce”, “Gold Gin” und noch einige Andere.
Und welche Gimmicks verwendest Du noch, wenn Du live spielst?
Nun, die brennende Gitarre ist mit Sicherheit da.
Es gibt ja auch Gerüchte, dass Du zwar auf dem Cover der Alben “KISS Killers” und “Creatures of the Night” abgebildet bist, auf dem Album aber nicht zu hören sein sollst … ?!
Ja, das stimmt. Vinnie Vincent hat einen Großteil der Gitarren für die “Creatures of the Night”-Scheibe eingespielt, da ich kurz vor den Aufnahmen einen schweren Autounfall hatte. Wenn ich auch ehrlich bin, kann ich heute auch gar nicht mehr sagen, was ich auf dem Album gespielt habe. Es ist einfach zulange her.
Du bist für viele Leute und Musiker immer noch DER KISS-Gitarrist, obwohl Du vom technischen Aspekt her sicherlich nicht die Klasse eines Vinnie Vincent erreichst. Trotzdem hören Dich viele Gitarristen unter Tausenden heraus. Was ist das Spezielle, das Dich aus der Masse hervorhebt?
Ich weiss nicht. Gott hat mich halt mit diesem Talent beschenkt. I am what I am. Viele Leute halten mich bestimmt für einen der besten Gitarristen der Welt. Ich selbst denke, dass ich ein ganz passabler Gitarrist bin. Es gibt bestimmt viele Leute, die vom Technischen her viel, viel besser sind als ich. Ich spiele aber mit sehr viel feeling and emotion, was Andere, die vielleicht schneller und technischer spielen als ich, nicht haben. I play from my Heart …
Interview: Oliver Loffhagen
Layout: Uwe Möllers