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KILLSWITCH ENGAGE: Lebenshilfe und Produktion, oder: This Song sucks!

Ein kurzes Gespräch mit ADAM DUTKIEWICZ über Psychologie und Produktion

Die mit Spannung erwartete neue Platte As Daylight dies ist, neben seiner Tätigkeit als Produzent, nur eines der Gesprächsthemen in einer äußerst kurzen Konversation, die ein äußerst gut gelaunter Gitarrist namens ADAM DUTKIEWICZ mit mir in einem äußerst kleinen Zimmer des Kölner Hilton Hotels bespricht, während aus der I-Pod Station im Hintergrund ein äußerst buntes Gemisch von IRON MAIDEN bis PANTERA erschallt. Der Mann liebt es klassisch. In Musik und Auftreten. Ein Cape hat er heute allerdings nicht an.
Und ein Klassiker könnte auch die neue Platte werden, die vorher im Auto der Promoterin schnell nochmal gehört werden konnte. Nach dem ersten Eindruck erstirbt das Tageslicht in den bei KILLSWITCH ENGAGE bewährten Bahnen, aber warum auch etwas ändern, das hervorragend funktioniert. Neues kann ja immer noch an einem anderen Tag sterben.

Ist es provozierend, wenn ich sage, die neue Platte ist keine Überraschung, aber auch deswegen so gut?

Oh, nein, überhaupt nicht. Viele haben ja eher Veränderungen erwartet. Aber wir tun was wir tun, und wir tun nicht, was wir nicht tun. Auch wenn das jetzt äußerst seltsam und bescheuert klingt, aber so ist es nunmal.

Naja, ein funktionierendes System sollte man ja auch nicht ändern.

Genau. Wenn etwas nicht kaputt ist, repariere es nicht.

Wart ihr denn beim Schreiben der Songs nicht manchmal in der Versuchung, gerade nach dem Erfolg mit dem letzten Album, etwas mehr in Richtung Single oder auf Nummer Sicher zu gehen?

Killswitch
Wir mögen die Platte wirklich, aber wo ist denn die Radio-Single? – Das neue Album entsprach nicht hunderprozentig den Erwartungen von Roadrunner USA.

Es ist witzig, dass du das fragst. Als wir die Platte fertig hatten und sie Roadrunner vorgespielt haben, sagten sie: Wir mögen die Platte wirklich, aber wo ist denn die Radio-Single? Wir brauchen eine Radio-Single! Nachdem die Aufnahmen im Studio beendet waren, spielten wir das Reading- und das Leeds-Festival in England und sie haben uns ersthaft gesagt, wir sollten diese Auftritte canceln und zurück ins Studio gehen, um eine Radio-Single aufzunehmen. Wir haben das zuerst für eine Witz gehalten. Die Festival-Tickets sind teuer für die Fans und wir sollen wegen so etwas absagen? Wir sagten ihnen: 1. Fuck You! Wir spielen die Festivals! und 2. Wir schreiben nicht fürs Radio. Wir sind nicht diese Art von Band. Wir hatten zwar viel Erfolg, der mehr oder weniger aus dem Nichts kam, aber jetzt übertreiben sie, wenn sie denken wir wären eine Radio-Band. Das ist nicht unsere Stärke.

Ich frage mich immer ob es denn überhaupt möglich ist, geplant Musik für Radio oder Single zu schreiben, die dann auch wirklich erfolgreich ist. Vor allem im Metal-Bereich…

Absolut nicht. Das kommt noch dazu.

Eure Texte sind immerhin im Großen und Ganzen radiotauglich, denn sie sind sehr positiv. Legt ihr besonderen Wert auf eine positive Grundstimmung?

Naja, also für mich kann ich nur sagen, dass es so viele Bands gibt, die dieses böse Ding machen, das Negative. Also Leute töten, ihr Blut trinken und dann die Leichen vergewaltigen und so. Das ist so typisch und so unreif. Wir sind mit Hardcore aufgewachsen, also haben wir lieber Texte mit Inhalt und positiver Stimmung. Es gibt aber auch negative Momente in unserer Musik, vor allem im Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen, aber auch die haben irgendwo eine positive Wendung.

Es geht eher um das Überwinden von negativen Gefühlen, so wie ich es verstehe…

Ja, genau. Es gibt ja negative Gefühle und schlimme Zeiten für jeden. Das kann ja keiner ignorieren. Aber der Weg damit umzugehen und darüber hinwegzukommen ist der entscheidende. Man hat keine Wahl, als es zu überwinden.

Das heißt aber immer auch, dass man persönliche Texte schreiben muss, denn Texte über Gefühle handeln ja immer von den eigenen Gefühlen, wenn sie glaubhaft sind…

Oh ja. Vielleicht sind manche dazu zu ängstlich.

Sprecht ihr innerhalb der Band über die Texte und deren Ausrichtung?

Auf jeden Fall.

Gab es schonmal eine Punkt, bei dem Howard oder ihr gesagt habt: Das können wir auf der Bühne nicht machen, das ist zu persönlichoder Das singst du nicht, wenn ich mit auf der Bühne stehe!?

Nein. Dazu sind die Texte auch zu offen und allgemein gehalten. Howard berücksichtigt das schon beim Schreiben. Man weiß nie genau, wovon oder von wem der Text konkret handelt. Manchmal können wir anderen in der Band das ahnen, aber meistens nicht. Letzen Endes ist aber so: Wenn Howard etwas schreibt, das gut ist, ist es wunderbar für alle und wenn er Mist schreibt, werfen wir es weg (lacht – der Verf.). Normalerweise ist er aber sehr gut.

Wie wichtig sind dir als Gitarrist denn die Texte deiner Band?

Da ich unsere Platten ja auch produziere, muss ich mich intensiv mit dem Gesang und den Texten beschäftigen. Als Musiker ist das tatsächlich nicht so wichtig. Aber als Produzent ist es sehr wichtig, denn viele Leute hören Musik gerade wegen der Texte.

Killswitch
Wir sind keine wirklich politische Band. Es gibt vielleicht politische Kommentare auf der Platte, aber dann eher daraus, dass sie uns persönlich berühren.

Die Texte auf dieser Platte, die mir immerhin schon vorlagen, haben außerdem einen appelativen, fast kämperischen, teilweise kritischen Charakter, fast wie MAX CAVALERA light…

Ohne die Shit!´s und Fuck!´s

Und außerdem noch in ganzen Sätzen. Aber die Grundstimmung ist ähnlich.

Ein bisschen vielleicht. Aber wir sind keine wirklich politische Band. Es gibt vielleicht politische Kommentare auf der Platte, aber dann eher daraus, dass sie uns persönlich berühren. Ansonsten wäre es auch zu negativ. Wir wollen immer, dass das Licht am Ende des Tunnels noch sichtbar bleibt.

Man kann natürlich zweifeln, dass es sowas wie ein Licht am Ende des Tunnels noch gibt und dann kann man euch vorwerfen, oberflächlich zu sein.

Das kommt immer darauf an, wie du das Leben siehst. Siehst du es ausschließlich negativ, dann schreibst du auch: Das Ende ist nah und wir werden alle sterben. Wir erleben aber auch eine Menge positives, selbst in unseren schlechten Zeiten verlieren wir das nie aus den Augen. So sind wir gestrickt. Daran glauben wir. Es ist nicht unser Job, anderen Leuten zu sagen, wie sie denken sollen. Aber wir sind glücklich mit unserer positiven Art das Leben anzunehmen. Viele Leute suchen ja in der Musik und in den Texten nach etwas, das ihnen hilft und ich denke, dass es in unseren Texten die Möglichkeit gibt, etwas zu finden.

Es gibt ja auch Dunkles und Zweifel in euren Texten, wenn auch eher in den Heartbreak-Songs, was mir aber persönlich sehr gut gefällt, denn es ist im Metal schon außergewöhnlich…

Ja, das ist so etwas wie unsere Spezialität. Aber das ist eben auch wichtig.

Du hast ja schon erwähnt, dass du eure Platten produzierst und bist ja auch sonst ein gefragter Produzent. Außerdem hast du an der Berkley School of Music studiert. Hilft dir dein Studium oder ist es eher hinderlich?

Es hilft. Aber ich verstehe, was du meinst. Ich bin aber nicht der Typ, der Musik jetzt nur noch wissenschaftlich wahrnehmen kann und alles tot-analysiert. Das wichtigste beim Songwriting ist immer noch, dass der Song sich richtig anfühlt, dass das Gefühl stimmt.

Kannst du denn als Produzent genug Distanz zu deiner eigenen Musik herstellen, um sie objektiv beurteilen zu können? Ist nicht ein gewisse Blick von außen notwendig für eine Produzenten?

In gewissem Sinne ist das nötig. Man muss das Gesamtbild im Auge haben und nicht nur den einzelnen Song oder Part. Es ist schon manchmal merkwürdig. Aber als Band haben wir eine Vision und jemand von außen würde seine Vision mit einbringen. Wir sehen uns aber als Team, das eine gemeinsame, eigene Vision verwirklichen will.

Viele Bands brauchen aber gerade diesen Blick oder diese Vision von außerhalb, um bessere Platten zu machen. Manchmal kann jemand von außen auch Kritik besser anbringen…

Ich kann jederzeit alles zu jedem andern in der Band sagen, jede Kritik. Zumindestens so lange ich es auch begründen kann. Wenn ich das nicht kann, gibt es auch keine Kritik. Dann gibt es auch keinen Grund zur Kritik. Wenn ich aber merke, dass etwas in einem Song nicht passt und das hat bestimmte Gründe oder ich kann eine Alternative vorschlagen, sage ich es. Auf diesem Weg findet man zusammen immer die beste Lösung für einen Song.

Wenn du andere Bands produzierst, wie schwer ist es KILLSWITCH ENGAGE da raus zu halten?

Jede Band ist anders, einzigartig. Und diesen Punkt zu finden, der eine Band zu etwas Besonderem macht, ist mit das wichtigste beim Produzieren. Auch die Schwachstellen zu entdecken und zu verbessern ist wichtig.

Das hört sich alles eher nach einem Job für einen Psychologen an…

Das ist es auch, Mann! Echte Lebenshilfe (lacht – der Verf.). Vor allem wenn man was Negatives sagen will, ist es sehr wichtig auf die Art zu achten, wie man es anbringt. Ich würde nie sagen: Der Song ist Scheiße! Ich würde eher darauf einwirken, vielleicht noch etwas an dem Song zu arbeiten, um ihn zu vollen Entfaltung seiner Blüte bringen zu können (lacht – der Verf.). Naja, also ähnlich zumindestens.

Nehmen wir mal an, alles psychologische Geschick versagt, und der Musiker besteht darauf, dass seine Snaredrum wie ein Eimer Sandpapier klingt, was dann? Schließlich stehst du ja auch mit deinem Namen für die Produktion ein.

Naja, sollte ich es nicht schaffen, ihn zu überzeugen, werde ich es eben so machen müssen. Ich mache dann schon klar, dass es mir nicht gefällt, aber es ist ja schließlich seine Platte. Die Band bezahlt mich dafür, ihre Platte zu produzieren und nicht meine.

Killswitch
Wir sind mit Hardcore aufgewachsen, also haben wir lieber Texte mit Inhalt und positiver Stimmung.

Wie kamst du eigentlich zum Produzieren? Ich nehme mal nicht an, dass du als Kind anstatt mit einem Tennisschläger vorm Spiegel wie alle anderen Gitarrist zu spielen, so getan hast, als würdest etwas etwas abmischen…

Nein (lacht – der Verf,) Ich habe erst angefangen mich für diese Seite der Musik zu interessieren. als ich eigene Lieder geschrieben habe und diese aufnehmen wollte. Das hat mir wirklich Spaß gemacht und ich habe gedacht, dass das doch ein toller Job sei.

Hat dir denn der Erfolg deiner eigenen Band als Produzent genutzt oder kommen die Leute eher an und wollen klingen wie KILLSWITCH ENGAGE?

Eigentlich eher weniger. Man verbindet mich natürlich als Produzent mit KILLSWITCH ENGAGE, aber das ist auch in Ordnung. Aber keiner will so klingen wie wir (lacht – der Verf.).

Wäre es für dich denn denkbar mit einem fremden Produzenten zu arbeiten?

Oh ja. Eigentlich hatten wir das schon für diese Platte überlegt. Aber letztendlich fühlten sich die anderen in der Band mit mir als Produzenten besser. Es ist sehr wichtig sich im Studio und mit dem Produzenten heimisch und wohl zu fühlen. Es sollte eine kreative Atmosphäre herrschen, ohne Druck.

Druck von Seiten der Plattenfirma hattest du ja schon erwähnt und Roadrunner USA hat da ja nicht den besten Ruf…

Ja, aber im Studio gab es den noch nicht. Es gab auch abgesehen von dieser Radio-Single-Geschichte keinen weiteren Druck, obwohl das schon ein starkes Stück war. Die Leute haben das Herz am richtigen Fleck, aber es sind eben auch Geschäftsleute.

Immerhin konnte man dieses Mal die Platte vor dem Interview komplett hören. Also lass uns mal etwas über Musik sprechen. Das Stück Absolution scheint mir äußerst progressiv zu sein…

Oh ja, es ist etwas verrückt. Es gibt eine Menge Noten.

Also etwas mehr Berkley College? Oder Weiterentwicklung?

(lacht – der Verf.) Nein, es ist wohl eher Entwicklung. Wir sind selbstbewusster geworden.

Ist so ein Song schwieriger für einen Produzenten, oder ist es einfacher als ein simpler Song?

Es ist natürlich schwieriger, etwas kompliziertes zu spielen.

Das ihr die Songs spielen könnt, wenn ihr ins Studio geht, davon gehe ich mal aus. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ein ganz simpler Songs, bei dem sich die Struktur und der Sound nicht hinter technischen Kabinettstückchen verstecken können, für einen Produzenten schwieriger ist…

Oh ja, das stimmt allerdings. Manchmal sind die einfachsten Songs oder Parts die schlimmsten. Oder die langsamen.

Leider lief die Zeit in der sehr eng gesteckten Interview-Planung von Roadrunner in diesem Moment aus, so dass einmal mehr der Communicatos Interruptus ein Interview beendete, bevor es richtig begonnen hatte. Also warten wir weiter, bis das Tageslicht stirbt…

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