DIE APOKALYPTISCHEN REITER: Immer Feuer – Gespräch mit Volk-Man über die gute Reise Leben, das Business und die Musik

Weimar ist die Kulturhauptstadt Deutschlands, wofür zum Beweis allein die Tatsache genügen muß, daß DIE APOKALYPTISCHEN REITER von dort kommen – bzw. aus Apolda, aber da hat Goethe bestimmt auch mal vorbeigeschaut…

Weimar ist die Kulturhauptstadt Deutschlands, wofür zum Beweis allein die Tatsache genügen muss,
dass DIE APOKALYPTISCHEN REITER von dort kommen, bzw. aus Apolda, aber da hat Goethe bestimmt auch
mal vorbeigeschaut. Wie dem auch sei, jeder Mensch, der mit einem gewissen Faible für härtere Klänge
ausgestattet ist, dürfte die vier sympathischen Musiker inzwischen in sein Herz geschlossen haben,
sei es aus Liebe oder aus Hass, was ja auch irgendwie das gleiche ist. Am 17.3.2003 veröffentlicht
die Band mit dem bibelfesten Namen nun ihr mittlerweile viertes Langspielalbum namens “Have A Nice
Trip
“, und es ist, wie sollte es auch anders sein, großartig geworden und dürfte die Metalwelt
gehörig durcheinander wirbeln. Am 25.02.2003 nun wählte Bassist und Schreihals Volk-Man die Nummer
des vor Aufregung zitternden Verfassers und sprach mit ihm über ein paar wichtige Dinge das Leben
betreffend. Bitte schön:

Fangen wir mal an mit einem Zitat aus “Unter der Asche”; da hieß es “Unter der Asche ist noch
Glut”. Wenn man nun das neue Album hört, könnte man glatt der Meinung sein, daraus sei nun wieder
Feuer geworden. Siehst du das ähnlich?

Interessanter Ansatz. Es ist ja immer Feuer und Asche und Glut, es schwelt ja permanent. Es ist
schon auch ein Eindruck von mir, dass die Reiter sich in den drei Jahren selbst wieder ein bisschen
gefunden haben, obwohl wir ja eigentlich nie weg waren. Durch diese ganzen Probleme, durch
Krankheiten, ist die Band irgendwie zusammengewachsen, denn wir hatten noch nie vorher eine Phase,
die wir als wirklich schlecht bezeichnen konnten. Aber wenn du nicht proben kannst, wenn einer nach
dem anderen krank wird, du irgendwelche Kopfstände machen musst, damit du überhaupt spielen kannst,
oder wenn du irgendwas canceln mußt, dann ist das schon frustrierend.

Ist dann dieses neue Album, dieses kraftvolle, gewaltige Album, auch irgendwo als Statement
zu verstehen, so nach dem Motto “Seht her, uns gibt’s immer noch!”?

Das denke ich eigentlich eher nicht. Es ist halt so verschieden geworden und so unterschiedlich,
weil der Zeitraum, in dem es geschrieben worden ist, sehr lang gewesen ist. Die Songs aus den
unterschiedlichen Phasen kann man auch ziemlich stark raushören, z.B. “Vier Reiter stehen bereit”,
der ist zwei Monate nach “All you need is love” entstanden. Und gerade die ruhigeren Sachen, die hat
Fuchs (seines Zeichens Sänger und Gitarrist der Reiter – Anm. d. Verf.) geschrieben, als er in
Australien war.

Also gab es keine konkreten Wendungen in eurem oder Fuchsens Leben, die diese neue positive
Haltung ausgelöst haben?

Doch, sicherlich schon. Das ist vor allem etwas, was er persönlich für sich festgestellt hat.
Ich kann das nur als Beobachter sehen, der ihn ja schon seit Schultagen her kennt; er ist halt
wesentlich offener, positiver und freundlicher dem Leben gegenüber eingestellt, und er ist nicht
mehr in der Position, in der er nur Kraft dafür aufwendet, nur immer das Schlechte zu bekämpfen,
sondern zu sagen: okay, ich muss irgendwo auch meinen eigenen Weg sehen, sehen, wie ich klar komme,
und für mich auch aus dem Leben irgendwo auch ein paar positive Dinge rausziehen und die auch
anderen vermitteln. Der Meinung bin ich auch; dass man halt ziemlich schnell verleitet wird, immer
nur das Negative zu sehen und sich dadurch auch schnell total kaputt zu machen und eine graue,
miesepetrige Maus zu werden, die schon so viele geworden sind.

Und da wollt ihr gegen steuern…

Wenn es irgendwo einen Anspruch gibt, dann wirklich den, dass die Reiter sagen: okay, wir
predigen zwar nichts vor, sondern wir zeigen einfach nur, dass man vielleicht einfach bestimmte
Sachen überdenken sollte. Wenn man die Leute dazu bringt, ein bisschen mehr einfach nur über sich
selbst nachzudenken, wo sie stehen, wo sie hin wollen, dann wäre eigentlich schon eine Menge
passiert.

Also könntet ihr euch auch nicht vorstellen, mal konkret politische Lieder zu machen, z.B.
gegen den drohenden Irak-Krieg?

Das ist immer so eine heikle Sache, weil man bei der Politik schnell aufs falsche Pferd setzen
kann. Dann dauert es keine zwei-drei Jahre, und die Politiker fallen einen hinterrücks an, weil sie
sich plötzlich wieder gekehrt und gewendet haben. So ganz offensichtlich politisch sind die Reiter
sicherlich nicht, aber ich halte auch nicht viel davon, wenn Leute jetzt sagen: “Mit Politik hat das
nichts zu tun, und ich halte mich jetzt einfach mal fein raus.” Denn die Reiter verkörpern ja vier
Menschen, und wir haben natürlich Ansichten, und gerade weil wir auch bemüht sind, nur das zu
vertonen, was uns selbst bewegt, so dass wir sagen, wir wollen uns mitteilen, spielt natürlich auch
irgendwo im Hintergrund eine Rolle, was gerade in der Welt passiert.

Noch einmal zu dem Positiven, was in einigen Stücken zum Ausdruck kommt – wie passt das
zusammen mit dem doch sehr starken Menschenhass, den ihr immer schon ausgedrückt habt und auch immer
noch ausdrückt?

Ja, das ist vielleicht einfach so eine Sache mit den zwei Seelen, die in der Brust schlagen: auf
der einen Seite ist es natürlich immer noch so, dass man bestimmte Dinge einfach immer verurteilt und
deshalb dagegen auch immer eine Art Anti-Haltung da ist. Ich denke aber, dass es trotzdem erlaubt
sein muss, diesen Pfad mal zu verlassen und zu sagen: okay, ich bin jetzt in dem Moment nicht immer
nur darauf fixiert, ich versuche einfach auch mal Dinge zu entdecken, die mir Kraft geben und die
mir helfen, darüber hinweg zu kommen. Wenn man halt immer nur vor sich hin lebt mit den ganzen
schlechten Einflüssen und nur frustriert auf der Couch sitzt, dann erzeugt das eine gewisse
Grundstimmung, die sich in allen Lebensbereichen niederschlägt.

So dass man auch selbst nichts mehr tun kann…

Man ist dann irgendwo ein passiver Konsument von negativen Dingen, und das ist einfach das, was
zu vielen Leuten passiert. Wir sagen selbst, wir waren auch in dieser Situation, dass man einfach
gedacht hat, man müsse da immer anti sein und gegensteuern, was man sicherlich auch machen darf und
sollte, aber man muß halt auch selbst lernen, wenn irgendwann der eigene Geist oder der eigene
Körper sagt, dass es so nicht weitergehen kann, dass man einfach für sich irgendwelche Dinge entdeckt,
wo man sagt, die sind jetzt ganz für mich, das ist so mein kleines persönliches Heim, wo ich mir
jetzt ein bisschen Kraft suche, um dann daraus gestärkt hervorzugehen und wieder diese Dinge
anzusprechen, ohne dass es mir selbst gleich wieder viel schlechter geht.

Ja, dazu passt ja auch eure phantastische Reitermania-Philosophie, dieses “lachend in den
Untergang tanzen”, das ihr jetzt ja auf “Ride On” fortgesetzt habt mit “Take the evil with a smile”.
Ist das vielleicht auch ein bisschen eine Art von Zynismus, die da durchschimmert?

Also, gerade dieser Song ist eigentlich ein Stück, in dem es inhaltlich einfach nur darum ging,
dass die Reiter nach wie vor unverstanden sind in dem Sinne, dass man halt auch grübelt, was wir sind
und was wir machen, wer wir sind und warum wir so aussehen und dies und das tun. Und dieser Song ist
eine Art positive und lustige Abrechnung damit. Wir finden es natürlich auch cool, wenn sich viele
Leute den Kopf über uns zerbrechen und sich fragen, wo man uns denn jetzt einordnen könnte, weil sie
halt alles irgendwo einordnen müssen. Aber gerade der letzte Satz “We like to see you asking why”,
das ist so das Typische, was jetzt so die Band ausmacht, wo wir sagen, wir müssen nicht alles im
Detail erklären, weil es wahrscheinlich auch gar nicht geht – ich könnte es selber nicht, es ist
völlig unmöglich.

Es ist einfach ein Lebensgefühl…

Ja. Es sind vier Leute, die zusammengekommen sind, die in erster Linie menschlich auf einem
Level sind, die sagen, wir können auch ohne Musik miteinander. Und natürlich in musikalischer
Hinsicht vier richtige Musikfreaks, die sich einen ganzen Abend damit beschäftigen können,
irgendwelche CDs zu hören und wirklich auseinanderzunehmen, sei es nun Metal oder Klassik oder Pop
oder irgendwas und einfach zu schauen, wie haben die arrangiert, was haben die gemacht; einfach ein
grundsätzlicher Fanatismus für Musik im Generellen. Und das ist schon etwas, was uns verbindet. Und
natürlich ein gewisser derber, schwarzer Humor und Ironie.

Betreibt ihr vielleicht auch eine gewisse Überspitzung dessen, was Heavy Metal immer
ausgemacht hat?

Ja, es ist sicher auch so eine Sache, dass man sagt, die Reiter tun vielleicht mehr Klischee rein
als es nötig ist, ist das jetzt ironisch gemeint oder meinen die es noch ernster… da haben wir uns
aber auch gar keine richtigen Gedanken zu gemacht, wenn wir jetzt z.B. sowas wie “Metal will never
die” geschrieben haben, das entstand wirklich in dem tief verwurzelten Wunsch, dem Metal eine Hymne
darzubringen, weil es für uns DIE Musik ist. Wenn man Metal hört, hat man die größten Emotionen; ich
meine, ich kann auch irgendwelchen alten Rock’n’Roll hören, was sicherlich auch allein manchmal von
der Stimmung her cool ist, aber es wird einfach nicht so das selbe Gefühl erzeugt wie bei Metal. Und
deswegen war die ganze Geschichte, auch das “Heavy Metal” auf “Allegro Barbaro“, das war wirklich
klischeefrei gemeint, das war keine Ironie in irgendeiner Form, sondern das war wirklich ein
ernstgemeintes Statement von den Reitern, in dem Sinne, dass wir sagen, okay, wir sind Metalfans, wir
möchten das auch dahingehend auskosten, dass wir sagen, wir machen mal so einen Song, obwohl es ja
gerade vom Stil her, vor allem in den Anfangstagen, was Fremdes gewesen ist.

Viele Leute haben das allerdings auch als Satire aufgefasst, vielleicht auch, weil der Sound
noch nicht so gut war, weil Eumel noch nicht so gut singen konnte oder was weiß ich auch immer.

Ja, das gab’s immer.

Habt ihr auch einen rebellischen Anspruch? Und wie passt dieser zu dem Musik-Business, in dem
ihr euch ja bewegt?

Ja, der rebellische Anspruch ist eigentlich immer noch da, in dem Sinne, dass wir versuchen, so
viel wie möglich immer noch selbst zu tun; wir haben nach wie vor, obwohl wir zig Angebote haben,
kein Management, weil wir die Fäden selbst in der Hand haben wollen, genausowenig wie irgendeine
Bookingfirma. Das soll alles schon immer so ein bisschen individuell bleiben, dass man sagt, wir
entscheiden das, wir machen das, und nicht dass irgendwelche Leute irgendwelche Verträge aushandeln
und ich dann irgendeine Rechtfertigung irgendwo hinschicken muss, weil vielleicht irgendwo
Schindluder getrieben worden ist. Bis dato, also bis zu dem Zeitpunkt, wo wir bei Nuclear Blast
unterschrieben haben, war das auch wirklich so, da war das wirklich so eine richtige
Einzelkämpferaktion, also wir haben echt um jeden Gig und um jeden Auftritt gekämpft; es ist jetzt
das erste Mal, dass es mit dem Label im Rücken mitunter leichter ist, irgendwo zu spielen, das erste
Mal, wo wir merken, dass da noch jemand mit im Boot sitzt. Bislang war das immer so, dass wir alles
alleine durchgezogen haben und uns gewundert haben, wie das bei anderen Bands läuft, die überall
Anzeigen kriegen. Vielleicht ist das ja dieses Rebellische, oder auch ein bisschen Trotz, zu sagen:
es geht auch ohne.

Ja, nun habt ihr’s ja geschafft, von wegen Anzeigen und Werbung und so. Was sagt ihr denn zu
den Vorwürfen, die ja garantiert kommen werden, in Bezug auf Geldgier und Ausverkauf?

Da verweise ich einfach mal auf mein Bankkonto, ich glaube, dann wirft mir keiner mehr
Ausverkauf und Geldgier vor. Wir kämpfen seit 1995 für den Traum, dass wir die Reiter irgendwann so
weit haben, dass wir einfach das, was uns wirklich am meisten Spaß macht, nämlich Musik zu machen,
dass wir das den lieben langen Tag machen können, dass wir nicht irgendwo auf’m Bau schuften müssen
oder monatelang die Band auf Eis legen, weil es sonst finanziell nicht funktioniert. Es kommt ja
auch irgendwo den Fans zugute, wenn man die ganze Zeit wirklich an Songs arbeiten kann.

Also lebt ihr nur für die Musik…?

Ja, also… in gewisser Weise ist das natürlich schon so, dass man abhängig ist von den
Verkäufen, aber auf der anderen Seite ist es natürlich auch uncool, wenn du vielleicht 2000 € auf’m
Bau verdienst und nebenbei deine Underground-Band hast. Dann kannst du natürlich leicht über
irgendwas mutmaßen, weil du ja gar nicht den finanziellen Druck hast. Wir haben einfach alle in der
Band das Risiko aufgenommen. Dr. Pest (Keyboarder der Reiter – Anm. d. Verf.) z.B. ist Bauingenieur,
der hat wirklich sehr viel Geld im Monat verdient, und ich habe programmiert, und wir haben wirklich
teilweise die Jobs aufgegeben, weil wir halt sagen, dieser typische 9-to-5-Job ist nicht das, was
wir machen wollen.

Es war also wirklich nötig, die Jobs aufzugeben?

Ja, es wäre sonst alles gar nicht machbar, gerade jetzt mit den ganzen Touren, das ist mit einem
normalen Urlaub gar nicht hinzukriegen.

Gut, Themawechsel. Wo siehst du denn die wichtigsten Markenzeichen der Reiter? Ist das die
Verrücktheit, die Vielfältigkeit…? Was braucht ein Reiter-Album, damit es ein Reiter-Album
ist?

Hm… also, ich denke, es gibt eine ganz spezielle Art von Songwriting, die man einfach
raushört, es gibt einen typischen Beat, der eigentlich relativ straight ist, ein paar krasse Breaks,
und es gibt eigentlich sehr oft sehr prägnante Melodien, die von Gitarre oder Keyboard kommen, wobei
beide sich auch miteinander duellieren, und dazu noch ein sehr markanter Gesang, würde ich sagen…
das sind so Sachen, die die Band in einer eigenen Art und Weise repräsentieren.

Werden wir denn irgendwann auf hasserfüllte Ausbrüche verzichten müssen? Es sieht ja schon so
aus, dass alles ein bisschen normaler geworden ist. Wie sieht das aus in der Zukunft?

Das lässt sich immer schwer sagen… ich denke, es wird nicht ganz verschwinden, das geht
eigentlich gar nicht. Ich hab jetzt gerade erst zwei neue Songs angefangen zu schreiben, und die
sind nun wirklich wieder sehr rabiat. Ich glaube, was die Reiter ausmacht, ist dieses Auf und Ab,
diese Gegensätze; das ist was, was vielleicht als imaginäres Ziel, als Anspruch für jede Platte, da
ist. Man möchte ein stimmungsvolles Album mit den Höhen und Tiefen der Emotionen, und ich denke,
wenn wir jetzt fünf oder sechs Songs geschrieben haben, die melodisch ein bisschen tragend sind, dann
bin ich mir sicher, dass noch ein Song, der in die selbe Kerbe schlägt, es schwerer haben wird. Ich
denke, diese Abwechslung wird immer da sein, und es ist ja mittlerweile sehr an den Grenzen
angelangt; schneller ist sehr schwer möglich, und was Songs wie “Das Paradies” angeht, da wird es
sicherlich auch nicht noch weiter in die Richtung gehen. Das Terrain ist mittlerweile so groß, darin
kann man sich locker bewegen.

Weitere Innovationen dürfen wir aber auch erwarten?

Ja, sicher… es werden Dinge passieren, die wir jetzt noch gar nicht abschätzen können. Das
hängt einfach damit zusammen, was in der nächsten Zeit so passiert. Welche Richtung das nun nehmen
wird, das läßt sich schwer sagen, aber man hat einfach so seinen Stil, und Fuchs hat seinen
typischen Gitarrenstil, wie er Songs schreibt, genau wie ich und Dr. Pest auch, das sind so
Konstanten, die einfach so gewachsen sind, und man kann ja vor sich selbst auch kaum fliehen.
Solange da kein Neuer in die Band reinkommt, z.B. ein fester neuer Gitarrist, der mit uns Songs
schreibt, dann könnte man schon sagen, daß noch was neues reinkommen wird, aber so sehe ich uns
mittlerweile schon an einem Punkt, an dem wir bleiben werden.

Gut… um nochmal auf Nuclear Blast zurückzukommen: würdet ihr denn sagen, dass ihr in deren
Konzept passt?

Ich weiß nicht… vor zwei Jahren hätte ich sicherlich gesagt eher nicht , aber ich glaube, das
Label ist momentan ein bisschen auf der Suche, und es öffnet sich eigentlich zu allen Seiten hin,
weil bei so gängigen Konzepten wie Power Metal á la HAMMERFALL oder Black Metal á la DIMMU BORGIR
mittlerweile ein Level erreicht ist, an dem es nicht mehr weiter hoch geht, das ist definitiv klar.
Es wird vielleicht immer eine Konstante sein, aber so als Label hat man ja immer den Anspruch, Dinge
aufzuschnappen, die gerade passieren und die relativ unpopulär sind. Und deswegen sehe ich die
Reiter als Band, die so für das neue Blast-Denken stehen.

Und wie würdest du “das neue Blast-Denken” jetzt konkret definieren?

Wie ich es gesagt habe, ich denke, sie suchen einfach nach neuen Bands, die möglicherweise noch
nicht so typisch ausgelatscht sind, bei denen die Leute sagen: “Nicht schon wieder so eine Band…”
So könnte ich mir das vorstellen, ich meine, es ist natürlich schwierig, wenn man überhaupt keinen
Sound definieren kann…

Okay, nun zu eurem Produzenten. Welchen Anteil hatte Andy Classen an den Songs? Hatte er
überhaupt einen Anteil?

Vom Songwriting her eigentlich gar nicht. Es ist manchmal so, was das Arrangement angeht, dass
wir einzelne, prägnante Parts, z.B. ein Keyboardsolo, ursprünglich mit einem Gitarrensolo geplant
hatten und der Andy dann sagt, er würde das vielleicht nicht ganz so machen, weil zwei Melodien
zusammen sich beißen könnten; aber das sind eben nur Feinheiten, ansonsten sind die Songs wirklich
zu 100% fertig komponiert, wenn wir ins Studio gehen. Der Andy hatte natürlich diesmal den Vorteil,
dass er wusste, was mit den Reitern auf ihn zukommt. Bei der “All you need is love” wusste er ja nun
gar nicht, was wir wollten. Er hat sich jetzt auch sehr gefreut, dass wir wieder zu ihm gekommen
sind, und er hatte sich ja auch schon vorher mit der Band wieder befasst, und deswegen haben wir auch
gesagt, wir machen das doch wieder beim Andy, weil es dort auch ein sehr schönes, konzentriertes
Arbeiten ist. Wenn du merkst, dass der Produzent die Musik wirklich gern hat und sich dann auch
gleich eine CD für seine Wohnung oder sein Auto brennt, dann merkst du einfach, dass er mit Herzblut
dabei ist. Er hat wirklich viele Überstunden gemacht, um bestimmte Dinge auszuprobieren; alles in
allem ist das wirklich ein sehr schönes Arbeiten dort.

Also ist er quasi der perfekte Produzent für euch, oder werdet ihr in Zukunft auch mal andere
Leute ausprobieren?

Das ist so eine Diskussion, die wir sicherlich machen müssen. Ich kann mir vorstellen, dass wir
immer irgendwie mit dem Andy eine Verbindung haben werden, und das wir sicher wieder ein Album dort
aufnehmen werden, aber jeder Musiker kommt irgendwann an einen Punkt, an dem er sagt, lass uns mal
was anderes ausprobieren, einfach so aus Interesse. Ich würde z.B. wahnsinnig gerne mal mit Devin
Townsend
zusammenarbeiten… auch wenn man da nur zwei Songs aufnimmt, es muss ja nicht gleich ein
ganzes Album sein… um mal ein Gefühl dafür zu kriegen, wie das ist bei jemand anderem, weil ja
auch immer gesagt wird, bei Produzenten könne man eine Menge lernen. Gut, das sind jetzt meine
Gedanken, da habe ich noch mit keinem aus der Band drüber gesprochen, aber ich denke mal, dass wir
bestimmt irgendwann jemand anderen ausprobieren werden, sei es auch nur für eine Coverversion.

Gut, nun zum Cover des Albums: da ist ja eine Umkehrung der vier apokalyptischen Reiter drauf
zu finden (Hunger ist Völlerei, Krieg ist Frieden etc.). Wer hatte denn die Idee, und was soll damit
ausgedrückt werden?

Die Idee hatten Fuchs und ich. Ein Cover ist ja immer eine ganz schwierige Geschichte, weil wir
da innerhalb der Band auch sehr unterschiedliche Ansichten haben, bevor wir überhaupt eine Idee
fixieren können. Was von Anfang an da war, war dieses Pferdethema, damit es irgendwie zu den Reitern
passt und auch eine Art roter Faden gegeben ist. Nun hatten wir beim letzten Mal ja die biblische
Vorgabe in einem etwas moderneren Gewand, und dann kam jetzt halt bei einem Gespräch die Idee auf,
dass man die Charaktere doch einfach ins Gegenteil verkehren könnte. Das war auch zu einem Zeitpunkt,
an dem Fuchs schon aus Australien wieder da war und viele der positiveren Songs bereits fertig
waren. Wir dachten uns, das passt ganz gut, dass wir nun nicht das Verderben darstellen, sondern eher
das Licht, vor dem der Schatten und das Dunkel zurückweicht. Ich hab das dem Alf (Svensson, der hat
das Cover gemalt Anm. d. Verf.) dann einfach erzählt, der hat daraufhin eine Bleistiftskizze
gefertigt, und dann war klar, dass wir das nehmen.

Ihr habt ja auch einige Folklore-Einflüsse auf dem Album, insbesondere bei zwei Songs, “Baila
Conmígo” und “Fatima”. Sind das Liebeslieder?

Das sind auf alle Fälle Liebeslieder. “Baila Conmígo” ist ein richtiges Liebeslied, das Fuchs
geschrieben hat, und “Fatima” ist im Studio eigentlich erst ein Liebeslied geworden. Das ist der
einzige Text, den wir dann im Studio nochmal total umgehauen haben, weil wir gemerkt haben, dass wir
den ursprünglichen Text gar nicht verwenden konnten. Ursprünglich war geplant, dass der Song eine Art
Erzählung aus tausendundeiner Nacht wird, aber das passte dann nicht, da sind nur ein paar Fragmente
übrig geblieben, und jetzt ist “Fatima” eben diese imaginäre Frau, die vermutlich jeder Mann (na ja
– Anm. d. Verf.) irgendwo im Kopf hat, die er aber nie kriegen kann. Es ist einfach ein Sinnbild für
eine unerreichbare Frau.

Werden die Folklore-Einflüsse denn noch weiter ausgebaut werden?

Das ist schwierig zu sagen. Wir haben jetzt einen Song, der sich ein bisschen nach der “Moldau”
anhört. Gerade so slawische (russische, ungarische, tschechische) Komponisten stehen besonders bei
Dr. Pest sehr hoch im Kurs. Das ist schon so, dass wir auch bestimmte Arrangements danach ausrichten.
Und uns gefällt auch so ganz normale Folklore, gerade auch skandinavische oder östlich-slawische
Folklore. Oder auch spanische, ich denke, das hört man schon raus.

Nun gut… was ist eigentlich aus dem ersten Teil des ursprünglichen Albumtitels geworden,
“Everything is true”? Warum habt ihr das verworfen?

Na ja, der ist irgendwie dem Ganzen zum Opfer gefallen, das war einfach zu lang. Das hätte sich
dann keiner merken können, und wir wollen ja schon, dass ein Albumtitel prägnant ist. Zumal “Have A
Nice Trip
” auch besser zum ganzen Albumkonzept passt, weil dieser Wunsch der guten Reise eigentlich
ja über allem steht.

Was hältst du vom Internet im Allgemeinen und von Webzines im Speziellen?

Es ist ein völlig neues Medium; ich hab da ein bisschen das Problem, dass ich nicht immer weiß,
wann die jeweiligen Seiten Updates haben, zumal es ja mittlerweile ja auch so super viele gibt, so
dass der Zeitaufwand relativ hoch ist, um im Netz viel zu lesen. Ich bin wohl eher so ein
Print-Medium-Freak, weil ich am Bildschirm höchstens ein paar Zeilen lesen kann; ich kann auch keine
Bücher als PDF lesen. Aber nichtsdestotrotz ist es natürlich cool, weil jeder völlig unabhängig was
ins Netz stellen kann, und schon hat man zumindest eine gewisse Popularität. Es ist sicher wichtig,
dass es nicht nur Hammer, Legacy und Rock Hard als Meinung gibt, sondern es muss auch im Underground
so eine Art gegenläufige Strömung geben. Du hast ja als Webzine den Vorteil, dass du halt nicht
diesen immensen Druckkostenaufwand wie bei einem Print-Fanzine hast. Print-Fanzines sind ja
mittlerweile auch fast komplett verschwunden, gerade weil das Internet hier echt eine Alternative
geworden ist.

Ihr seid ja sehr fan-nah. Gibt es eigentlich irgend etwas, was die Fans nicht von euch wissen
sollten?

Ne, da fällt mir jetzt nichts ein. Da müsste ich dann nach Leichen im Keller suchen. Keine
Ahnung…

Okay… und welche drei Alben hörst du momentan am liebsten?

Ich höre gerade eine Band namens RUINS, das ist eine japanische Jazz-Band, die so ein bißchen in
Richtung JOHN ZORN geht, ziemlich abgefahren… dann die neue SOLEFALD ( “In Harmonia Universali” –
Anm. d. Verf.) und die letzte GOD DETHRONED ( “Into The Lungs Of Hell” – Anm. d. Verf.).

Okay, dann wären wir auch schon am Ende. Irgendwelche letzten Worte?

Natürlich beste Grüße an die Reiter-Fans und an alle, die sich mit der Band beschäftigen.
Möglicherweise sieht man den einen oder anderen ja auf Tour, im April (bei den NO MERCY-FESTIVALS –
Anm. d. Verf.) oder dann bei den großen Festivals (z.B. Wacken oder Summer Breeze – Anm. d. Verf.)
im Sommer. Und ganz uneigennützig möchte ich noch darauf hinweisen, dass es ab dem 17.3., dem
Veröffentlichungstag des neuen Albums, auch den neuen Reiter-Online-Shop auf www.reitermania.de
gibt, wo man eine Menge Shirts und Gimmicks bekommen wird, die man sonst nirgendwo bekommt.

Danke und tschüß.

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