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WAIDELOTTE: Celestial Shrine

Hoffnung in der dunkelsten Stunde: Die ukrainische Extreme Metal-Formation WAIDELOTTE beschreitet auf „Celestial Shrine“ den schmerzhaften Weg ins Licht.

Wer schon mal eine Therapie gemacht hat weiß, dass es unbequem wird, wenn man in den dunklen Ecken des Selbst beginnt, aufzuräumen. WAIDELOTTE nennen das Ganze ein wenig klischeebeladen: „Nach dem Licht suchen, indem man durch die Dunkelheit geht.“ Passenderweise beginnt die erste Hälfte von „Celestial Shrine“ mit dem Intro „Descending“, während die zweite Hälfte mit „Ascending“ beginnt. Dass sowas kein Spaziergang ist, sollten auch diejenigen wissen, die keine unmittelbare Erfahrung mit Therapien gemacht haben. Doch die Band um Bassist und Komponist Oleksii „Zlatoyar“ Kobel lädt das Thema mit weiterem Subtext auf – und vermeidet auch ansonsten jegliches Klischee.

WAIDELOTTE – FYI: Waidelotten waren vorchristliche Priester aus der prußischen Religion – stammen aus der Ukraine, und die Menschen dort, sind wohl die, die wissen, wie sich Dunkelheit anfühlt. Schon der Titel „Celestial Shrine“ klingt wie ein Flehen um Hoffnung, so als würden sie einen Platz zum Verorten brauchen, an dem gebetet wird, und an dem alle dunklen Gefühle einen Platz haben dürfen. Oleksii Kobel, der vor allem durch seine Bassistentätigkeit bei SOEN bekannt ist, bündelt all das im Extrem Metal-Kontext. WAIDELOTTE sitzen an der Schwelle von Post Black Metal und progressive Death Metal und erweiter ihr Soundbild durch viele folkloristische Elemente.

Post Black Metal, Progressive Death Metal und folkloristische Elemente sorgen auf WAIDELOTTEs Debüt „Celestial Shrine“ für Facettenreichtum.

„Celestial Shrine“ besteht aus einem großen Ensemble aus Musiker*innen, von denen die Kernbesetzung vergleichsweise kompakt ist. Zusammen mit Sänger Andrii Pechatin (WHITE WARD) und Gitarrist Mykhailo Bogaichuk (I MISS MY DEATH) erschafft Oleksii Kobel griffige, impulsive Songs, die dank des an Jeroen Thesseling erinnernden Bassspiels ein wenig komplexer wirken, als sie in Wirklichkeit sind. „The Era Of Stagnant Gods“ und „The Mortality Archway“ gehen dabei gut ins Ohr, vermengen die brutale Verzweiflung der Metalseite der Band mit vielen folkloristischen Elementen wie Bandura, Tsymbaly (eine Art ukrainisches Hackbrett) und Hurdy-Gurdy.

Generell sind WAIDELOTTE vor allem in ihren folkigen Momenten am besten. Einerseits, weil es kein bierseliger Kitsch-Folk ist, wie bei 90% der Pagan-Bands, andererseits, weil hier wirklich auf authentische Instrumentierung geachtet und billiges Keyboard-Geschmiere vermieden wird. Passend dazu sind viele verschiedene Stimmen auf „Celestial Shrine“ zu hören, die der Musik ein unaufdringliches, aber prägnantes Ethno-Flair einhauchen. WAIDELOTTE dürfen sich also mit Fug und Recht als Ensemble bezeichnen, selbst wenn die Metal-Basis dominiert. In Songs wie „Todestrieb“ und „Opulent Mirage“ sind die folkloristischen Elemente aber der wahre Hinhörer, auch weil für etwas Ruhe im ansonsten recht gedrängten Soundbild sorgen.

Vor allem die folkloristische Seite an „Celestial Shrine“ überzeugt: WAIDELOTTE glänzen mit Authentizität.

Es gibt also viel zu entdecken auf dem Debütalbum der ukrainischen Band, und gerade in der zweiten Hälfte gehen WAIDELOTTE mit „Lightkeeper“ und dem epischen Titelsong besonders unter die Haut. Insgesamt ist „Celestial Shrine“ kein einfaches Album: Die Kante zwischen dem extremen Metal und den leisen Momenten, ist oftmals unbequem, Pechatins vehementer Gesang geht an die Schmerzgrenze und der Sound ist sehr komprimiert, mit Ausnahme der ruhigen Parts. Passend zur zum schmerzhaften Kontext und der bitteren Realität in ihrer Heimat, ist diese Vehemenz nur folgerichtig. Gleichzeitig mag es irritieren, dass mit dem abschließenden „Dissolving“ ein achtminütiger Ambient-Track von SOLAR KOLLAPSE das Album beschließt, doch „Celestial Shrine“ erfährt so am Ende eine ganz eigene Conclusio, die ein wenig an die Death-Doom-Experimente der Peaceville III erinnert. Fabelhaft!

„Celestial Shrine“ ist kein einfaches Album, weder musikalisch noch konzeptuell. Bandgründer Oleksii Kobel beweist aber, dass er weder mit den Kompositionen noch mit der Instrumentierung überfordert ist und bietet nach einer düsteren, etwas gehetzten ersten Hälfte bemerkenswertes Finale. WAIDELOTTE packen in weniger als 40 Minuten eine Menge Musik, viele Klänge und Stimmungen und erzeugen so ein forderndes, aber auch lohnendes Debütalbum für diejenigen, die in der Schnittmenge aus Black und Death Metal neue Wege beschritten sehen wollen. Wer schon die Labelkollegen ERSHETU und deren Debütalbum „Xibalba“ mochte, wird vermutlich auch „Celestial Shrine“ feiern und findet damit vielleicht sogar die Inspiration, die Dunkelheit zu vertreiben.

Wertung: 8 von 10 Aufstiege

VÖ: 29. März 2024

Spielzeit: 38:05

Line-Up:
Andrii Pechatkin – Vocals
Mykhailo Bogaichuk – Guitars
Oleksii „Zlatoyar“ Kobel – Bass guitar
Cody Lee Ford – Guitar solo (Track 8)
Nata Hrytsenko – Ethnic vocals (Track 2, 3)
Sofiya Ruban – Ethnic vocals (Track 2, 3)
Olena Pavlovska – Ethnic vocals (Track 7)
Igor Roshenets – Vocals (Track 4, 8)
Anna Buziian – Vocals (Track 7)
Serhiy Vasyliuk – Spoken words (Track 3)
Gordiy Starukh – Hurdy-gurdy (Track 3)
Vlad Vakolyuk – Bandura (Track 6, 8)
Ivan Hnativ – Tsymbaly (Track 7, 8)
Solar Kollapse – Composer (Track 9)

Label: Debemur Morti Productions

WAIDELOTTE „Celestial Shrine“ Tracklist:

1. Descending
2. The Era Of Stagnant Gods (Official Visualizer bei Youtube)
3. Todestrieb
4. Opulent Mirage
5. The Mortality Archway
6. Ascending
7. Lightkeeper
8. Celestial Shrine (Official Video bei Youtube)
9. Dissolving (feat. SOLAR KOLLAPSE)

WAIDELOTTE „Celestial Shrine“ Full Album Stream bei Youtube

Mehr im Netz:

https://waidelottemusic.bandcamp.com
https://www.facebook.com/waidelottemusic
https://www.instagram.com/waidelotteofficial

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