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VIRGO: Virgo

Ein fraglos abwechslungsreiches Album, das leider über weite Strecken der Klasse seiner Protagonisten – mit Ausnahme einiger weniger Songs – nicht gerecht wird und in stilistischer Vielfalt versumpft, die in ihrer massiven Belanglosigkeit fast schon erschreckend anmutet.

Die Nachricht, daß ex-ANGRA-Sänger Andre Matos und HEAVEN’S GATE-Gitarrist Sascha Paeth (der dank seiner Studio-Arbeiten mit KAMELOT, RHAPSODY, BRAINSTORM und eben ANGRA längst auch zum renommierten Produzenten aufgestiegen ist) gemeinsame Sache machen, geistert schon seit langem durch die Szene. Die dringlichste Frage in diesem Zusammenhang war natürlich: Wie wird VIRGO, so der Name ihres Projektes, wohl klingen? Wer in Gedanken an ähnlich anmutende Unternehmen wie DEMONS & WIZARDS erwartet hatte, eine eher ideenlose Kreuzung aus dem Klangspektrum der beiden “Mutterbands” vorgesetzt zu bekommen, sieht sich nun getäuscht.

Denn: Stilistisch haben sich die beiden Protagonisten keine einengenden Auflagen zugemutet. Den Kern des Albums mag man zwar mit Rock bis hin zu gemäßigtem Hardrock noch erfassen können, doch rund um die Gitarren drapieren Paeth und Matos zahlreiche Versatzstücke aus der Geschichte der U-Musik. Von leichtgewichtiger Klassik und Flamenco-Flair über jazzig-funkige Einlagen, Gospel- und Soul-Chöre, Hammond-Nostalgie bis hin zu reinem Pop reicht die Bandbreite. Natürlich garantiert ein derart breiter Ansatz ein abwechslungsreiches Album, doch er birgt auch stets die Gefahr in sich, ziellos, allzu heterogen zu wirken. Und in der Tat: Hier und da hätte eine klarere Linie gut getan, um eine scharf umrissene musikalische Identität zu entwickeln. Zumal VIRGO nicht nur in stilistischer Hinsicht Vielfalt beweisen, sondern auch die songwriterische Anspruchshaltung ebenso schwankt wie die Gesamtqualität der Songs.

Der Einstieg ist hingegen gelungen: Der Opener ‘To Be’ erinnert an eine gelungene Kreuzung aus QUEENs ‘Innuendo’ und Seals ‘Kissed By A Rose’, und das folgende ‘Crazy Me?’ baut mit pumpenden Bass und schwelenden Gitarren geschickt Spannung und Atmosphäre auf, um sich in einem opulenten, aber beschwingten Refrain zu entladen, der einmal mehr an diverse QUEEN-Momente erinnert. ‘Take Me Home’ erweitert dieses dialektische Prinzip, indem es in den Strophen mit tanzbarem Groove und fast schon bluesigen Gitarrenleads arbeitet, während der Refrain an eine Light-Ausgabe der Chorus-Kunstwerke von SHADOW GALLERY erinnert und mit extrem eingängiger Melodieführung glänzt, die von der Instrumentalfraktion gekonnt aufgegriffen wird.

Mit ‘Baby Doll’, einem entsetzlich belanglosen, fast schon sleazigen Gute Laune-Rocker, folgt der erste Einbruch, den die ausgesprochen stimmungsvolle Ballade ‘No Need To Answer’ rasch wieder gut macht. Ein klarer Höhepunkte, leider aber auch der letzte. Nicht, daß die zweite Alben-Hälfte wirklich schlecht wäre, nein, keineswegs. Es mangelt ihr nur derart eklatant an formeller und melodischer Tiefe, daß sie selbst bei stiloffenen Geschmäckern nicht viel mehr als ratloses Schulterzucken hinterläßt.

Das Dilemma beginnt endgültig mit ‘Discovery’, einem netten Popsong mit Mundharmonika, Simpel-Rhythmus und entsprechendem Mitklatschpotential, aber ohne Nährwert. ‘Street To Babylon’ hingegen beginnt zwar verheißungsvoll, bleibt aber über weite Strecken allzu farb-, da zu bisslos, und gerät in den Momenten, in denen sich 70er Jahre-Disco-Sounds in das Klangbild mischen, eher ärgerlich. Danach kombiniert ‘River’ süßliches YES-Balladen-Songwriting mit standardisiertem Gospel-Flair, bei ‘Blowing Away’ darf immerhin ein einziges Mal flott und irgendwo zwischen HELLOWEEN, URIAH HEEP und CHEAP TRICK, aber auch ohne nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen nach vorne gerockt werden, und ‘I Want You To Know’ klingt beschwingt, harmlos und nach Poprock, der ebenso schnell ins Ohr flutscht, wie er wieder der nächsten eingängigen Melodie-Folge Platz macht. Das abschließende Fiction überrascht dann noch ein letztes Mal, indem es schwülstigen Doo Wop-Flair mit Las Vegas-Entertainer-Schmalz, Schmalspur-Soul und Glockenspiel-Einlagen aus Heintjes schönsten Weihnachtsmelodien mit ‘Easy’ (COMMODORES/Lionel Richie) durch den Reißwolf dreht und etwas ziemlich Unappetitlich-schmieriges ausspuckt. Würdiger Abschluß eines über weite Strecken unwürdigen Albums, das der Klasse seiner Protagonisten mit Ausnahme einiger weniger Songs leider nicht gerecht wird und in stilistischer Vielfalt versumpft, die in ihrer massiven Belanglosigkeit fast schon erschreckend anmutet.

Veröffentlichungstermin: 01.10.2001

Spielzeit: 49:42 Min.

Line-Up:
Andre Matos – Gesang, Klavier

Sascha Paeth – Gitarren

Miro – Keyboards

Olaf Reitmeier – Bass

Robert Hunneke-Rizzo – Drums

Produziert von Sascha Paeth
Label: SPV

Hompage: http://www.virgo-online.de

Tracklist:
To Be

Crazy Me?

Take Me Home

Baby Doll

No Need To Have An Answer

Discovery

Street To Babylon

River

Blowing Away

I Want You To Know

Fiction

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