VAN CANTO: Dawn Of The Brave

Immer noch gesungen, immer noch melodiös, aber sperriger und komplexer. Wo Kontinuität schnell Gleichförmigkeit hätte werden können, hat die Band ihr Songwriting umgekrempelt und versprüht nun eine intensive Dringlichkeit.

Auf ihrem fünften Album emanzipieren sich VAN CANTO von ihrer eigenen Vergangenheit. Natürlich singt die Band immer noch Gitarren und Bässe nach. Und ein Blick aufs Titelbild genügt um zu sehen, dass in Sachen gesundes Selbstvertrauen alles beim Alten ist. Doch an dem Punkt in der Bandgeschichte, an dem aus Kontinuität schnell Gleichförmigkeit hätte werden können, hat das Sextett sein Songwriting umgekrempelt und versprüht nun eine intensive Dringlichkeit.

Einzelne Bestandteile erkennt man freilich wieder, aber die Gesamtmischung wirkt komplexer und hungriger. Es gibt noch mehr Tempo- und Harmoniewechsel als früher. Dazu gesellen sich ausführlichere Mittelteile, die aufhorchen lassen (My Utopia!). Insgesamt wirkt die Produktion kontrastreicher und direkter. Der Rhythmusgesang wird häufiger in den Hintergrund gerückt, dafür sorgen immer wieder kurze Choreinwürfe für Abwechslung. Überhaupt wird das Konzept, dass der Leadgesang einer Person das ganze Lied als roten Faden durchzieht, immer wieder aufgebrochen. Die griffigen Mitsingrefrains bleiben dabei bisweilen auf der Strecke. Gleichzeitig bleibt die Musik so langfristig spannend – weniger Hits, mehr Tiefe. Vielleicht liegt das an der konzertfreien Regenerationsphase 2013, vielleicht haben die Musiker einfach eine Extra-Portion Kaffee getrunken, bevor sie sich an die Arbeit machten. Das Ergebnis ist für VAN CANTO so oder so ein Befreiungsschlag, mit dem die Band aus ihrem Stilkorsett mal eben fesche Superheldenkostüme geschneidert hat.

Diese Entwicklung kann besser verdaut werden, wenn man sich Steelbreaker und The Other Ones zu Gemüte führt. Steelbreaker ist ein klassischer, teutonischer Power Metal-Stampfer mit kräftigem Gesang und toller Hookline. Hier wird ausnahmsweise auf überraschende Songstrukturen verzichtet – und das ist auch gut so; das würde beim Headbangen nur stören. Die Ballade The Other Ones zeigt ebenfalls, dass VAN CANTO weiterhin fesselnde Melodien am Start haben. Das Schlagzeug mischt sich zwischendurch ein, was der mystischen Atmosphäre leider abträglich ist. Möglicherweise liegt dieser Einschätzung aber auch mein latenter Wunsch nach schlagzeugfreien Versionen der Stücke zu Grunde. Beide Stücke zeigen die Band jedenfalls in Hochform.

Neben den acht eigenen Songs (plus Intro) gibt es vier Cover-Versionen, die zwar einen gewissen Unterhaltungswert besitzen, aber allesamt an ihren übermächtigen Originalen scheitern. Paranoid (BLACK SABBATH) ist nett, gewinnt aber durch die Gesangsarrangements keine neuen Facetten hinzu. Bei The Final Countdown (EUROPE) bemüht sich die Band, dem Lied durch Uptempo-Einlagen ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Das passt freilich ebenso wenig zu dem Stück wie der (ansonsten exzellente) Metal-Gesang von Dennis Sly Schunke. Vermutlich sollte man diese Nummer einfach als Huldigung des bekennenden Joey-Tempest-Fans Stefan Schmidt verstehen und nicht weiter die Aussichtslosigkeit des ganzen Unterfangens breittreten. Bei Holding Out For A Hero (BONNIE TYLER; metallisch) und Into The West (ANNIE LENNOX; balladesk) steht Inga Scharf im Mittelpunkt, deren Gesang hier gut zur Geltung kommt. Kompositorisch sind beide Nummern allerdings eher weit vom typischen VAN CANTO-Stil entfernt, was beim mehrmaligen Hören zunehmend deutlich wird. Da ich bereits in der Vergangenheit die Cover-Versionen oft aus den Alben rausprogrammiert habe, stören mich diese vier Stücke wenig, zumal die restliche Heldendämmerung glücklicherweise genügend Substanz bietet, um einen Kauf zu rechtfertigen.

Veröffentlichungstermin: 07.02.2014

Spielzeit: 50:13 Min.

Line-Up:
Dennis Sly Schunke: Gesang
Inga Scharf: Gesang
Ross Thompson: Gesang
Stefan Schmidt: Gesang
Ingo Ike Sterzinger: Gesang
Bastian Emig: Schlagzeug

Label: Napalm Records

Homepage: http://www.vancanto.de

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/vancantoband

Tracklist:
1. Dawn Of The Brave
2. Fight For Your Life
3. To The Mountains
4. Badaboom
5. The Final Countdown
6. Steelbreaker
7. The Awakening
8. The Other Ones
9. Holding Out For A Hero
10. Unholy
11. Into The West
12. My Utopia
13. Paranoid

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