Als vor 20 Jahren SUNN o))) mit ihrem Drone-Epos „White 2“ die Imker auf das Cover packten, überkam den damals blutjungen Verfasser ein leichtes Gruseln – zumindest so lange, bis der Name des originären Kupferstichs ins Auge stach: die Bienenzüchter. Ach so, natürlich, wie dumm von mir. Aber ein bisschen unheimlich blieb das Artwork doch, und dank THEY CAME FROM VISIONS fühlt sich der Verfasser nun nicht mehr ganz so naiv: Statt Corpsepaint oder schwarzen Kapuzen präsentiert sich das Trio als mittelalterliche, creepy Imker. Das passt natürlich zum „Folk Horror“-Konzept der Band, und auch zur Musik. „The Twilight Robes“ ist ein rohes Black Metal-Album mit mittelalterlichem Flair.
„The Twilight Robes“ vermengt mittelalterlichen Black Metal mit folkloristischem Horror: THEY CAME FROM VISION leben vor allem von ihrer Ästhetik.
Da drängen sich einige Namen natürlich sogleich auf: VÉHÉMENCE, OBSEQUIAE, ihre Labelkollegen UNGFELL und FLUISTERAARS oder die Landsleute DRUDKH. Doch THEY CAME FROM VISIONS lassen sich in keine dieser Richtungen verorten. Das ukrainische Trio prügelt beherzt, aber undefiniert, bleibt dabei größtenteils LoFi, aber auch stets recht melodiös. Statt mittelalterlicher Instrumente oder Keyboardteppichen ziehen sich die Leadgitarren durch das Album, ebenso die teils schrillen Tremoloriffs und gekrächzten Vocals, während die in Sachen Variabilität eher zurückhaltende Rhythmuseinheit eher im Hintergrund bleibt.
Mit den vier oben genannten Bands haben THEY CAME FROM VISIONS eher weniger gemein – zu wenig Profil hat das Trio, die Alleinstellungsmerkmale fehlen, auch wenn sich die anonymen Ukrainer redlich bemühen, epische Songs zu schreiben. Dabei beginnt „The Twilight Robes“ mit dem rasanten und doch irgendwie eingängigen „Equinox Ablaze“ recht schmissig. Doch schon das konfuse „Burning Eyes Blackened Claws“ und das zähe „The Blissful Defeat“ geraten dann recht zäh, retten sich aber immer wieder durch Momente, in denen THEY CAME FROM VISIONS kurze, mitreißende Momente präsentieren.
Auch die Liebe für die Ästhetik von „Midsommar“ bis „The Wicker Man“ rettet „The Twilight Robes“ nicht: THEY CAME FROM VISIONS können ihr Potenzial nicht ausschöpfen.
Genau deshalb ist es so schwierig, THEY CAME FROM VISIONS zu mögen, oder auch nicht zu mögen. Denn seien wir ehrlich, der Mummenschanz ist bei aller Liebe für die Ästhetik von „Midsommar“ bis „The Wicker Man“ etwas albern, und versucht nicht nur die Menschen hinter der Band zu verschleiern, sondern auch, dass in Sachen Songwriting hier wenig Aufregendes geboten wird. Andererseits wird das Album mit den beiden abschließenden Songs „The Sign Of Damnation“ und „Twilight Robes“ packender. Auch die Umstände, aus denen „The Twilight Robes“ resultiert, müssen berücksichtigt werden. Die Ukrainer konnten aufgrund des Krieges in keinem professionellen Studio aufnehmen, sondern mussten zu Hause und im Proberaum tätig werden.
Das Trio aus Kiew hat also gewisses Potenzial, doch abgesehen von den Bandfotos sticht der mittelalterlich angehauchte, rohe Black Metal nicht aus der Masse an Releases heraus. Unter anderen Bedingungen – beim Golf spräche man von einem besseren Handicap –, würden THEY CAME FROM VISIONS einen vielleicht anderen Eindruck hinterlassen. Kurz gesagt: Fans von unpoliertem Black Metal können ein Ohr riskieren, insgesamt ist „The Twilight Robes“ aber eher ein Album für Komplettisten.
Wertung: 3,5 von 7 Honigernten
VÖ: 23. Februar 2024
Spielzeit: 44:08
Label: Eisenwald
THEY CAME FROM VISIONS „The Twilight Robes“ Tracklist:
1. Lughnasadh
2. Equinox Ablaze (Official Audio bei Youtube)
3. Burning Eyes Blackened Claws (Official Audio bei Youtube)
4. The Blissful Defeat
5. Petrified Immortality
6. The Sign Of Damnation
7. Twilight Robes
THEY CAME FROM VISIONS „The Twilight Robes“ Official Full Album Stream
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