STENDAL BLAST: Schmutzige Hände

Das Adjektiv ´gewöhnlich´ rangiert bei den Herren von STENDAL BLAST vermutlich auf der gleichen Stufe wie ´abstoßend´ oder ´ekelhaft´. Denn auch "Schmutzige Hände" besticht durch unkonventionelle Ideen im 14er-Pack. STENDAL BLAST stehen weit und breit einsam an der Spitze, wenn es um Tiefgang, mitreißende Musik und die aussagekräftige Verbindung von beidem geht.

Das Adjektiv ´gewöhnlich´ rangiert bei den Herren von STENDAL BLAST vermutlich auf der gleichen Stufe wie ´abstoßend´ oder ´ekelhaft´. Denn auch Schmutzige Hände besticht durch unkonventionelle Ideen im 14er-Pack. Die Grundstimmung der Musik ist unverändert finster, die Texte gewohnt fies, schräg, satirisch und selbstironisch. Als bestes Beispiel der friedlich-kreativen Koexistenz von Genie und Wahnsinn dürfte wohl Im Monsun taugen, das als amorphe Klangcollage beginnt, über die Frontmann Kaaja Hoyda ein bedrohliches, fast schon expressionistisch anmutendes Sintflutszenario ausbreitet – nur um urplötzlich von einem Handyklingeln unterbrochen zu werden: Sein Vater fragt an, ob er zum Gulaschessen vorbeischauen möchte… Diese ständige Brechung von Ernstem und bitterböse Satirischem wird zum Leitmotiv des gesamten Albums, ständig schwankt man beim Hören zwischen Beklemmung und befreiendem Auflachen, das jedoch hinterrücks durch plötzliche Selbsterkenntnis in einer weiteren Textzeile erstickt wird. Eine witzige Parodie wie Wanze von Fette Beute findet man auf Schmutzige Hände nicht mehr. Dafür jedoch 14 kompromisslose Sittengemälde unserer Zeit, wie sie kein einziger der hochgejazzten Poppoeten in dieser Intensität hinbekommen hat. My Private Puff bringt all das auf den Punkt, was einen tagtäglich an der kommerzialisierten Umgebung und ihrer Kommunikationslosigkeit verzweifeln lässt, musikalisch unterstützt von oberflächlich eintönigen Klängen, die dann von wehmütigen David Gilmore-Gitarren entlarvt werden. Die totale Disko wiederum porträtiert unbarmherzig den Absturz einer zugedröhnten Diskotusse. Wie das klingt? Klar, dass STENDAL BLAST es sich nicht nehmen lassen, dazu einen absoluten Elektrometal-Tanzflächenklassiker zu schreiben, der sich wunderbar mit dem Text kabbelt. Spätestens hier wird klar, dass STENDAL BLAST mittlerweile nicht nur erstklassige Texte fernab aller Klischees im Repertoire haben, sondern auch extrem gute Musik mit enormer Bandbreite fabrizieren können. Kaaja Hoyda ist nach wie vor kein besonders guter Sänger, aber er benötigt dank seines einnehmenden Charismas keine großen Melodiebögen. Vielmehr genügt es ihm, mit verschiedenen Stimmfarben die unterschiedlichen Textstimmungen mit Gänsehautfaktor auszudrücken. Dazu kommen elektronisch dominierte Songs, die einfach, aber nie simpel gestrickt sind und im Zusammenspiel mit den Vocals ihre Durchschlagskraft entfalten. Mal geht es ruhig zu wie bei Fährmann, wo man sich schon in Charons Obhut auf Styx-Kreuzfahrt wähnt, mal werden die Gitarrenverzerrer ausgepackt, um beispielsweise Headshot die nötige Aggressivität zu verleihen, die der Text mit seiner Kriegsspiel-Thematik fordert. Und so sind es am Ende trotz der amtlichen Musik nach wie vor insbesonders die überragenden Texte von Hoyda, die Schmutzige Hände zu einem absoluten Highlight machen. Hoyda beherrscht sämtliche Register, kaum ein anderer Texter vermag Worte dermaßen treffsicher einzusetzen und gegeneinander auszuspielen wie er. Wenn er zu Beginn von Der Kuss einen Sonnenuntergang beschreibt, so hat man ihn in aller Pracht vorm inneren Auge, ja fast schon im Breitwandformat – und tappt volle Kante in die aufgestellte Falle. Und bei der bildreichen, verknappten Sprache von Paradies gibt es kein Entrinnen aus der hypnotischen Wirkung von Musik und Text, so wie es kein Entkommen zu geben scheint aus dem traurigen Fassadenspiel, das im Text schonungslos enttarnt wird. STENDAL BLAST stehen weit und breit einsam an der Spitze, wenn es um Tiefgang, mitreißende Musik und die aussagekräftige Verbindung von beidem geht.

Veröffentlichungstermin: 08.11.2004

Spielzeit: 62:50 Min.

Line-Up:
Kaaja Hoyda – Gesang

Bernhard Lottes – Gitarre

Valek Devkar – Keyboards
Label: Dark Dimensions/Schwarzrock/Soulfood

Homepage: http://www.stendalblast.de

Email: kaaja@stendalblast.de

Tracklist:
Trümmer

Schmutzige Hände

Der Präsident ist tot

My Private Puff

Fährmann

Die totale Disko

Pussy (Insert Coins)

Headshot

Im Monsun

Paradies

Die Frau im roten Kleid

Der Kuss

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