Manche Bands wollen mit der Zeit reifer, härter und/oder innovativer werden. INDECENT BEHAVIOR hingegen wechseln auf die Überholspur und lassen alten Ballast zurück – nicht reifer, sondern frisch nostalgisch; nicht härter, sondern kraftvoll eingängig; nicht innovativer, sondern mit großem Talent dafür, bekannte Zutaten nach bekannten Rezepten fein abgeschmeckt zu servieren. Das saarländische Quartett zelebriert auf seinem vierten Album den poppigen Punk, der bei Puristen den Verdacht aufkommen lässt, dass Punk in den 90ern an einer Überdosis Zucker gestorben ist. Garniert wird „Sick“ von einer arschtighten Produktion, die sporadisch Richtung Nu Core schielt. Im Gegensatz zu früher bleibt es aber bei Andeutungen (am meisten noch bei „Shoot“).
„Sick“ verbreitet gute Laune.
Wenn Sänger Henrik Bergmann zu „Sick“ anmerkt, dass die Band die ganze Negativität leid sei, dann wirkt „Sick“ wie die logische Konsequenz. Alle Songs kommen kompakt auf den Punkt. Der kraftvolle, eher hohe Gesang wird regelmäßig von Breitwand-Backing-Vocals untermalt. Mir gefällt das sehr gut! Vermutlich lässt sich das in der Live-Situation nur ansatzweise reproduzieren – dort dürfte dann aber die Energie und das Tempo der Songs (noch) besser zur Geltung kommen.
Der Opener „Grown Up“ gibt Vollgas. Bei der glatt polierten Produktion wirkt das leider ein wenig wieder 90er-Billig-Trance, da das Schlagzeug sich kaum mehr von Techno-Programmierung unterscheiden lässt. Glücklicherweise wird das Album gleich im Anschluss deutlich ausgeglichener und eben richtig gut. Die Mehrheit der Songs wirkt positiv gestimmt. Das Tempo wird etwas rausgenommen, ohne dass es an Drive fehlt. Selbst die Radio-taugliche Nummer „I Fell In Love Every Weekend“ versprüht Elan und Energie. Nur beim ebenso hörenswerten „Pointless“ wird die Stimmung kurzzeitig etwas melancholischer. Dadurch wird das Hörerlebnis zum richtigen Zeitpunkt aufgelockert.
INDECENT BEHAVIOR konzentrieren sich auf direkten, tight gespielten Pop-Punk.
Beim Gesang schimmert vereinzelt die deutsche Herkunft durch, doch ansonsten handelt es sich bei „Sick“ um eine auch international konkurrenzfähige Produktion. Das Songwriting ist abwechslungsreich. Die Songqualität auch. Letztlich tun sich INDECENT BEHAVIOR damit jedoch einen Gefallen. Fünf verschiedene Hörer haben am Ende wohl fünf verschiedene Lieblingssongs. Mein persönliches Highlight ist der Titelsong „Sick“. Das fröhliche „If I Had Two Lives“ macht einfach gute Laune. Hingegen springt bei „Black Water“ der Funke einfach nicht über. Immerhin bleiben alle Songs unter der Vier-Minuten-Grenze, so dass Mittelmäßiges nicht unnötig in die Länge gezogen wird, während die gelungenen Momenten dazu animieren, das Album einfach noch mal zu hören.
Zuletzt könnte ich jetzt die fehlende Originalität beklagen. Stilistisch wäre so ein Album auch vor 20 Jahren zeitgemäß gewesen. Ein Pflichtkauf ist es somit nicht. Aber Dank der oben genannten Stärken, wird man den Kauf nicht bereuen, wenn man eben auf kraftvoll vorgetragenen Pop-Punk steht, der bei aller Energie eher wenig Ecken und Kanten hat (aus Punk-Sicht). „Sick“ kann freilich dadurch punkten, dass es derart stringente Alben von anderen Bands selten und von INDECENT BEHAVIOR selbst bislang noch nicht gegeben hat.
Veröffentlichungsdatum: 26.09.2025
Spielzeit: 37:56
Line-Up:
Henrik Bergmann: Gesang
Christian Noß: Gitarre
Denis Selzer: Bass
Florian Heintz: Schlagzeug
Label: Long Branch Records
Homepage: https://www.indecent-behavior.com
INDECENT BEHAVIOR „Sick“ Tracklist:
- Grown Up (1:46) (Video bei YouTube)
- Not In A Lifetime (3:07) (Video bei YouTube)
- Chaos (3:25) (Video bei YouTube)
- Sick (2:49)
- Give Me Everything (ft. Air Drawn Dagger) (3:20) (Video bei YouTube)
- I Fell In Love Every Weekend (3:24) (Video bei YouTube)
- Shoot (3:44) (Video bei YouTube)
- Pointless (3:50)
- Black Water (2:57)
- No Direction (3:33)
- If I Had Two Lives (2:50)
- The Story Never Ends (ft. All To Get Her) (3:06) (Video bei YouTube)