EIDOLA zeigen Erbarmen: Nachdem uns das erstaunlich gallige „Eviscerate“ (2024) gebeutelt zurückgelassen hatte, versorgt die progressive Post-Hardcore-Band nun unsere Wunden mit sorgsamer Behutsamkeit. „Mend“ ist nicht nur dem Namen nach das Gegenstück zum Vorgänger, es zeigt auch musikalisch die Kehrseite der Medaille. Die Aggression und den Biss, welche die US-Amerikaner zuletzt noch zeigten, tauschen sie gegen feinfühlige Arrangements, flauschig-schöne Augenblicke und verspielte Gitarrenläufe, die mehr als einmal in progressive Gefilde abdriften.
Gewöhnungsbedürftig ist das anfangs allein schon wegen unserer eigenen Erwartungshaltung, die sich für die zweite Hälfte des Quasi-Doppelalbums naturgemäß ein ungleich größeres, episches Finale ausgemalt hatte. Was nach den Fanfaren des Intros „Brahman: Garden Of Eden“ jedoch folgt, steuert zunächst in die entgegengesetzte Richtung. Unverzerrte Gitarren, lockerleichte Rhythmen und ein fluffiger Groove durchziehen „Prodigy“, das wie später „Restore Me“ zwischendurch mit Pop-Harmonien flirtet und doch so viel mehr zu bieten hat.
„Mend“ zeichnet sein unerwartetes Wachstumspotenzial aus
Darauf muss man sich natürlich einlassen, um zum Kern des Werks vorstoßen zu können. Denn was „Mend“ auch auszeichnet, ist sein unerwartetes Wachstumspotenzial. Reagierten wir anfangs noch mit größtenteils verhaltenem Schulterzucken, erschloss sich uns mit jedem neuen Durchlauf ein weiterer Aspekt der Platte. Trotz des soften, melodiebetonten Fundaments, geizen Stücke wie „My Father’s House“ oder „Empire Of Light“ keineswegs mit vielschichtigen Arrangements, die vor allem in der zweiten Ebene viele Feinheiten versteckt halten.
Gitarre, Bass und Schlagzeug verzieren die sonst geradlinig angelegten Stücke mit liebevoller Kleinstarbeit, während uns Sänger Andrew Wells mit einfühlsamer und doch selbstbewusster Stimme durch das Album führt. Screams und härtere Ausbrüche wie im detailverliebten „Kaleidoscope“ sind auf „Mend“ folglich rar gesät, dafür setzt „A Pearl In A Dead Sea“ auf Synthesizer und verwobene Soundscapes. Hier erinnern EIDOLA auch mal entfernt an eine gestriegelte Inkarnation INVENT ANIMATEs, obgleich Referenzen im Falle des Sextetts immer nur einen groben Richtwert bieten können.
Kreativität ist weiterhin die treibende Kraft EIDOLAs
POLYPHIA, TESSERACT, PERIPHERY sind allesamt Querverweise, die man an unterschiedlichen Stellen in unterschiedlichem Ausmaß anbringen könnte, nur um dann in „What It Means To Be Alone“ mit einem 80er Synth-Rock-Vibe überrascht zu werden. Die Piano-Ballade „Renaissance“ wiederum zeigt EIDOLA von ihrer introspektiven Seite, wohingegen das rockige „The Faustian Spirit“ die Harmonie mit einem chaotischen Break durchbricht.
Die Kreativität, welche schon „Eviscerate“ (2024) auszeichnete, ist also weiterhin treibende Kraft dieses Schlusskapitels. „Goodbye for now“, gibt uns Frontmann Andrew Wells in“ Revelation: The Infinite Beauty Of Oneness” mit auf den Weg, um uns den Abschied ein wenig zu versüßen. „Mend“ vollendet die sechs Alben umspannende Konzeptstory, die EIDOLA gesponnen haben, nicht ohne Lichtblick. Eine Rückkehr der Band in ferner Zukunft scheint somit zumindest nicht ausgeschlossen, zumal das Konzept der Wiedergeburt auch in den Songtexten ein wiederkehrendes Motiv darstellt. Nur ein wenig Geduld sollten wir bis dahin einplanen, immerhin dürften EIDOLA – als auch wir selbst – mit dem (vorläufigen) Ende mehr als zufrieden sein.
Veröffentlichungstermin: 17.01.2025
Spielzeit: 48:28
Line-Up
Andrew Wells – Vocals
Matthew Dommer – Vocals, Gitarre
Sergio Medina – Gitarre
Skylar Caporicci – Gitarre
Reese Ortenberg – Bass
Matthew Hansen – Schlagzeug
Label: Rise Records / Blue Swan
Homepage: https://eidolaband.com/
Facebook: https://www.facebook.com/eidolaUT
Instagram: https://www.instagram.com/eidola
EIDOLA “Mend” Tracklist
1. Brahman: Garden Of Eden
2. Prodigy (Video bei YouTube)
3. Empire Of Light
4. My Father’s House
5. Kaleidoscope
6. A Pearl In A Dead Sea
7. Blood In The Water
8. Renaissance
9. What It Means To Be Alone
10. Restore Me
11. The Faustian Spirit (Video bei YouTube)
12. Godhead: Final Temple
13. Revelation: The Infinite Beauty Of Oneness (Lyric-Video bei YouTube)