Dem Verfasser ist keine negative Stimme zum postmodernen Wunderwerk „Black Medium Current“ bekannt, andererseits: Nörgler gibt es immer. Und in der Tat haben sich DØDHEIMSGARD auf ihrem letztjährigen Album, verglichen mit ihren früheren Arbeiten, ziemlich verändert. Kurz gesagt: weniger Weirdness, mehr Emotion. Da in Vicotnik noch immer der Wahnsinn brodelt, entlädt sich dieser nun in Form von „Omniverse Consciousness“, dem Debütalbum des Outlets DOEDSMAGHIRD. Dass Vicotnik mit diesem Anagramm eine Verbindung zu DØDHEIMSGARD schaffen will, ist dabei nur zu logisch und zeigt auf spielerische Art und Weise, dass neu angeordnete Stilmittel ein stimmiges Ganzes ergeben. Wem also „Black Medium Current“ zu nachvollziehbar und brav war, kann seine Herztabletten wieder absetzen.
So ist natürlich schnell klar, dass „Omniverse Consciousness“ für Freunde der konventionelleren Klänge unverdaulich sein dürfte. Und in der Tat, wer den ungebremsten Wahnsinn von „A Umbra Omega“ vermisste, wem die Industrial-Spielereien von „666 International“ oder „Satanic Art“ zuletzt bei DØDHEIMSGARD fehlten, dem sei gesagt: Baby, hier ist alles drin, was deinen Meltdown verursachen kann. Aber halt, nicht so schnell. Denn DOEDSMAGHIRD, bei denen Vicotnik als Sparringspartner Camille Giraudeau an Bord geholt hat, profitieren von der Kunst des klaren Songwritings. Das mag beim ersten Hören noch nicht auffallen, das Duo beschränkt sich trotz der überbordenden Kreativität auf Songlängen bis maximal acht Minuten und packt viel in die Kompositionen, aber eben niemals zu viel.
Die Kunst des klaren Songwritings im Paralleluniversum der ADHS-Weirdness beherrscht Vicotnik auch auf DOEDSMAGHIRDs Debütalbum „Omniverse Consciousness“.
Schon der Opener „Heart Of Hell“ ist ein ausgezeichneter Stellvertreter für das gesamte Album an sich: Neben all der Manie platzieren DOEDSMAGHIRD auch Melancholie und traurige Momente in dem Stück, das zwischen Aggression und Verzweiflung oszilliert. Ein abenteuerlicher Ritt, dessen emotionale Stärke mit jedem weiteren Hören deutlicher wird. Gerade die zweite Hälfte des Albums führt mit dem von ARCTURUS-Chören unterlegten, epischen „Death Of Time“, das auch mal das Gas rausnimmt, mit dem von Flöten unterlegten, hypnotischen „Min Tid Er Omme“ und dem gleichermaßen spacigen wie aggressiven „Adrift Into Collapse“ mit seinen wunderbaren Klaviereinsprengseln dieses Prinzip fort. Ein wahrer Sturm der Emotionen bricht aus, mal bitter, mal befreiend. Doch DOEDSMAGHIRD lassen weitere Facetten zu, die Dissonanzen in „Sparker inn en åpen dør“ mitsamt Sounds, die nach unartigen Filmen klingen (hoffentlich war das kein freudscher Test) oder mit dem elektronisch erweiterten „Endless Distance“, das stilistisch nah an „A Umbra Omega“ ist. Das kurze, aber äußerst brutale „Then, To Darkness Return“ passt schon ins Gesamtkonzept, ist aber letzten Endes etwas bieder.
Und natürlich ist „Omniverse Conciousness“ gespickt mit Querverweisen zu „Black Medium Current“: Die beiden Pianotracks heißen „Endeavor“ (statt „Voyager“) und „Requiem Transiens“ (statt „Requiem Aeternum“) und fühlen sich wie komprimierte Varianten der Stücke auf dem DØDHEIMSGARD-Album an. Auch generell sind die Songs von DOEDSMAGHIRD leichtfüßiger und spitzbübischer geworden. Das ist so augenfällig, dass sich manches Individuum fragen könnte: Hätte „Black Medium Current“ ein Doppelalbum werden können? Gibt es DOEDSMAGHIRD nur, damit DØDHEIMSGARD bei ihrem Acht-Jahres-Rhythmus bleiben können? Das vielleicht nicht, denn es schleichen sich auch externe Einflüsse in die Musik ein: MYSTICUMs drogenvernebelte Weltsicht schimmert ebenso durch wie der kalte Industrial Black Metal von THORNS.
DOEDSMAGHIRD funktionieren perfekt als Antithese zu DØDHEIMSGARD und hebeln mit „Omniverse Consciousness“ die Gesetze von „Black Medium Current“ bisweilen aus.
DØDHEIMSGARD sind seit über 25 Jahren vielleicht die Antithese zum Black Metal made in Norway. Wenn nun deren Mastermind Vicotnik dazu wiederum eine Antithese aufstellt, sind wir dann wieder beim Genrestandard? Selbstverständlich nicht, möchte man aus vollem Herzen brüllen. „Omniverse Consciousness“ ist eine laute, wilde und wundersame Höllenfahrt, die den Black Metal ebenso hinter sich gelassen hat, wie das Mutterschiff. DOEDSMAGHIRD überzeugen mit ihrer spontaneren, wilderen und mindestens ebenso unberechenbaren Herangehensweise wie DØDHEIMSGARD, aber genau daran ist auch festzustellen, dass doch ein kleines, qualitatives Delta zwischen beiden Acts liegt – nur ein kleines, aber immerhin. Dennoch, wo Vicotnik draufsteht, ist auch Vicotnik drin, egal in welchem Paralleluniversum wir uns gerade befinden.
Wertung: 7,5 von 9 String-Theorien
VÖ: 11. Oktober 2024
Spielzeit: 49:11
Line-Up:
Vicotnik – Vocals, Guitar, Bass, Synths
Camille Giraudeau – Synths, Drums, Bass, Guitar
Label: Peaceville Records
DOEDSMAGHIRD „Omniverse Consciousness“ Tracklist:
1. Heart Of Hell (Official Lyric Video bei Youtube)
2. Sparker inn en åpen dør (Official Audio bei Youtube)
3. Then, To Darkness Return (Official Audio bei Youtube)
4. Endless Distance (Official Audio bei Youtube)
5. Endeavor (Official Audio bei Youtube)
6. Death Of Time (Official Audio bei Youtube)
7. Min tid er omme (Official Audio bei Youtube)
8. Adrift Into Collapse (Official Audio bei Youtube)
9. Requiem Transiens (Official Audio bei Youtube)
Mehr im Netz:
https://peaceville.bandcamp.com/album/omniverse-consciousness