CHAMBERLAIN: Exit 263

Nicht wirklich vampster-relevant, aber irgendwie schon wieder cool…

Die Landschaft rechts und links der Fahrbahn verschwimmt zu einem grünbraunen Streifen, als der altersschwache Chevy mit letzter Kraft seine Insassen den Freeway irgendwo im Mittleren Westen der USA – fernab der Glitzerwelt Hollywoods und der weltpolitischen Geschehnisse an der Ostküste – hinunterkutschiert. Einige Rostpartikel hängen noch in der Luft an der Stelle, wo der Wagen die Ausfahrt Nummer 263 rausgefahren ist, um in eines dieser gesichtslosen Dörfer zu rollen, in denen die Cowboyhüte groß, die Frühstückspfannkuchen fettig und der Himmel endlos weit sind. Während die einstige Schönheitskönigin des Countys mürrisch Kaffee einschenkt und dabei verpassten Gelegenheiten nachsinniert und man selbst gedankenverloren einige Dimes in die Jukebox wirft, um einen Song von Bruce Springsteen zu hören – noch das modernste, was neben Garth Brooks und Hank Williams zu finden ist -, schwirren einige Fliegen um den beständig kreisenden Ventilator. Irgendwann sind die Kaffeebecher wiederholt geleert, die Omelettes mit Bratkartoffeln verspeist und das Trinkgeld an die verdorrte Schönheit gezahlt, man überquert die Main Street, um in die einzige Bar des Ortes zu gehen, die einzige Möglichkeit, dem ewig gleichen Motelzimmer mit seinen 75 unnützen Fernsehkanälen zu entgehen. Während man den ersten Whisky on the rocks ordert, erklingen aus dem dunkelsten Eck der schon länger nicht mehr geputzten Kaschemme einige Akkorde. Eine Band, vermutlich aus Nirgendwo, Nebraska, schickt sich an, den sieben anwesenden Hillbillies so etwas wie Unterhaltung und Abwechslung zu bieten. Und siehe da, CHAMBERLAIN gelingt es, denn in den schlichten, oberflächlich relaxten Kompositionen schlummern die Sehnsüchte nach Freiheit und Liebe genauso wie diese gewisse Melancholie des einsamen Biertrinkens an einem von vergangenen Gelagen gezeichneten Tresen. Der Sänger schaut grimmig-entschlossen ins Nichts, der Drummer nützt eine kurze Pause zum Auffrischen des Budweiser-Vorrats, der Basser flirtet halbherzig mit der inzwischen hinzugekommenen Ex-Beauty Queen, der Gitarrist flüchtet sich in schlichte Blueslicks, die dennoch den dieser Monotonie innewohnenden Weltschmerz – ebenso wie den dabei empfundenen Stolz – zum Ausdruck bringen und einem verblasste Szenen des eigenen Lebens nochmals vor Augen führen: das Ende einer Beziehung mit einer Partnerin, deren Name einem nur schwer noch einfallen will, der Fahrtwind im Gesicht bei einem Ausflug an die Westküste, ein verloren gegangener Brief eines Freundes…Das Leben hätte an dieser oder jener Stelle eine andere Wendung nehmen können, und doch verschafft sich nach einer Weile des CHAMBERLAIN-Lauschens die Frage Raum, ob man nicht gerade durch das Leben im inneren wie äußeren Niemandsland ein ganz besonderes Gespür für das, was unser Leben ausmacht, entwickelt. Als der letzte Ton verklungen, das letzte Bier getrunken ist, macht man sich auf den Weg ins Motel, um sich von den 75 Kanälen in den Schlaf lullen zu lassen und morgen wieder etliche Meilen auf dem Freeway herunterzuspulen. Und doch, irgendwo im Unterbewusstsein findet sich die Gewissheit, dass dieser Abend an der Ausfahrt 263 sich nie ganz aus der Erinnerung vertreiben lassen wird, wie unspektakulär er vordergründig auch gewesen sein mag.

Spielzeit: 49:13 Min.

Line-Up:
David Moore – Gesang, Gitarre
Adam Rubenstein – Gitarre
Seth Greathouse – Bass
Wade Parish – Schlagzeug

Produziert von David Weber
Label: Ignition Records

Homepage: http://www.chamberlain1.com

Tracklist:
Lovely and Alone
On My Side of the Street
That Was the Best
Hey Louise
The Last Time
Steady Tryin´ to Holler
Strange Days
Santa Fe
Chivalry
Wherever I´m Standing Now
You can´t Have It All
Masterpiece

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