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ARCADEA: The Exodus Of Gravity

Core Atoms und Brann Dailor schalten für ihre zweite intergalaktische Mission auf Warp 10: ARCADEA spielen auf „The Exodus Of Gravity“ Progrock mit Synthesizern statt Gitarren, aber jede Menge Power – bedienen dabei ein breites Spektrum von krautigen Soundscapes bis waschechten Hits.

Wer Kinder hat, die glitzernde Leuchtfilzstifte entdecken, weiß, dass Farben anstrengend sein können. Das trifft auch auf das Artwork von ARCADEAs zweitem Album „The Exodus Of Gravity“ zu. Das selbstbetitelte Debüt des Trios aus Atlanta war schon bunt, „The Exodus Of Gravity“ ist bunter. Und so sind ARCADEA, hört man nicht so genau hin, stilistisch schnell umrissen: Als würden MASTODON der „Once More Round The Sun“-Phase auf CARPENTER BRUT und ZOMBI im grellsten Neonlicht treffen. Doch das Trio um MASTODON-Drummer und Sänger Brann Dailor und Synth-Zauberer Core Atoms macht es den Zuhörern nicht ganz so einfach.

Die cute Textzeile „My fuzzy heart unwinds“ ist bereits sehr vielsagend und fasst die Euphorie, die von dieser Musik ausgeht, schön zusammen. Ergo ist „The Exodus Of Gravity“ eine Wundertüte, voll mit buntem Spielzeug; Plastikramsch ist da allerdings nicht darunter. ARCADEA beherrschen ihr Songwriting, kleiden die Songs mit zahlreichen Schichten und vielen Ideen aus, und verschleiern so, dass das jeweilige Grundgerüst so außergewöhnlich gar nicht ist. Im Gegenteil: Verglichen mit dem ersten Album sind die Stücke berechenbarer, runder und im richtigen Moment sogar poppig – man möchte an der einen oder anderen Stelle von kleinen Hits sprechen. Und das, trotz der grellen Synthesizer, des wie üblich sehr ausdrucksstarken Drummings Brann Dailors und der generellen Quirligkeit der Musik.

Nicht gaga, sondern mega: ARCADEA geben sich auf „The Exodus Of Gravity“ dem Progressive Rock der frühen Siebziger hin, diverse Metaebenen inklusive.

Es dauert trotz der Maskerade nicht sonderlich lange, um zu erkennen, dass ARCADEA ihr Herz an den Prog Rock der frühen Siebziger verloren haben, selbst wenn sie ganz auf Gitarren verzichten. Frühe GENESIS bis APHRODITE’S CHILD stecken in der DNA der Songs, gleichzeitig fußt die retrofuturistische Herangehensweise auf der harten Realität des Hier und Jetzt, wie der Albumtitel verrät: „The Exodus Of Gravity“ bezieht sich darauf, dass gewisse gesellschaftliche und politische Konstanten von vor einigen Jahren schlicht hinfällig sind. Umso schöner, dass ARCADEA diesen scheinbar aus der Zeit gefallenen Synth Rock als Basis nehmen, um zu feiern.

Insofern stimmt sowohl Metaebene als auch die Musik direkt: Die Musiker zeigen sich spielfreudig, eine Fülle an Details schleicht sich in die Songs ein – seien es Synthesizer, Samples, kleinere Spielereien, die eine oder andere überraschende Wendung oder Dynamik. Und doch bleiben die Songs so catchy, dass ARCADEA sofort mitreißen. „Dark Star“ hat als Opener eine Menge Power und strahlt auch ohne Gitarren eine gewisse Heaviness aus. So geht „The Exodus Of Gravity“ in medias res, ohne Zeit zu verschwenden. Das Energieniveau ist durch die 50 Minuten hindurch meistens hoch. Somit ist es kein Wunder, dass mit „Fuzzy Planet“ ein Hit mit leicht melancholischem Gesang zu hören ist, dass „Lake Of Rust“ mit düsterem Furor, „Gilded Eye“ mit Atmosphäre und „Starry Messenger“ mit krautigen Versatzstücken punkten kann. Viel Abwechslung ist also geboten, und ARCADEA bemühen sich zudem, das Album hörbar zu halten und hektische Momente mit etwas spährischeren Teilen zu mischen.

„The Exodus Of Gravity“ hat viele Facetten und zeigt: ARCADEA pendeln voller Spielfreude zwischen Hits und Experimenten.

Dennoch geht dem US-Trio zwischendurch und am Ende ein wenig die Luft aus: „2 Shells“ fällt im Vergleich etwas ab und bei „Planet Pounder“ ist am Ende die Luft schon ein wenig raus. Dennoch ist „The Exodus Of Gravity“ ein Schritt nach vorne für ARCADEA: Die Songs sind generell besser ausgereift als auf dem Debütalbum und sauberer produziert, aber auch vielseitiger. Denn „The Exodus Of Gravity“ bietet auch Cineastisches: Der epische Titelsong, die spacy Nummer „Silent Spores“ und das dramatisch-dynamische „The Hand That Holds The Milky Way“ zeigen, dass ARCADEA ein Händchen für Dramatik und Dynamik mitbringen.

Sicher, man könnte sagen, dass ARCADEA ein wenig wie MASTODON, mit kaum Gitarren, aber mit zahlreichen Synthesizern klingen – so sehr prägt Brann Dailor das Klangbild. Sein Drumming kommt hier sehr gut zur Geltung und ist entfesselter als zuletzt bei seiner Hauptband, und auch als Frontmann hält er seine Stimme so variabel wie möglich. Ihn als Star von ARCADEA zu zeigen wäre unfair in Bezug auf Songwriter Core Atoms, der als Multiinstrumentalist das Album so bunt und vielfältig gestaltet, wie das Cover es vermuten lässt – nur eben ohne Filzstifte, aber mit zahllosen instrumentalen Schichten. Insofern ist „The Exodus Of Gravity“ eine faszinierende Freakshow, die den Wahnsinn feiert, ein farbenfrohes, teils arg gezuckertes Bonbon, das die graue und düstere Realität einerseits kommentiert, gleichzeitig zumindest für 50 Minuten das Anderssein feiern lässt und zu einer Realitätsflucht einlädt. Kurz: Wer Retro-Synthesizer liebt und dennoch Heaviness braucht, hört hier guten Gewissens rein.

Wertung: 9 von 12 Neonfarbstifte

VÖ: 22. August 2025

Spielzeit: 49:46

Brann Dailor – Vocals, Drums, Acoustic percussion, Toy piano
Core Atoms – Synthesizers, Guitars, Bass, Vocoder, Taurus pedals, Mellotron, Hammond, Theremin, Samples
João Nogueira – Synthesizers

Label: Relapse Records

ARCADEA „The Exodus of Gravity“ Tracklist:

1. Dark Star
2. Exodus of Gravity (Official Visualizer bei YouTube) 
3. Fuzzy Planet (Official Music Video bei YouTube) 
4. Lake of Rust (Official Lyric Video bei YouTube) 
5. Gilded Eye
6. 2 Shells
7. Galactic Lighthouse
8. Starry Messenger
9. Silent Spores
10. The Hand That Holds the Milky Way
11. Sparks
12. Planet Pounder

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