boygenius ist ein US-amerikanisches Indie-Trio, bestehend aus den drei Songwriterinnen Lucy Dacus, Julien Baker und Phoebe Bridgers. Am 31. März 2023 erscheint ihr mit Spannung erwartetes Debütalbum „The Record“. Das Rolling Stone Magazin widmete boygenius nicht nur seine aktuelle Titelstory, sondern jazzte die drei Damen in ebendieser mit einer beispiellosen Fangirl-Huldigung gleich auch noch zur „aufregendsten Supergroup der Welt“ hoch. Entsprechend neugierig geworden, landete ich beim neuen boygenius-Musikvideo „Not Strong Enough“ – und der alternde Metalhead in mir freute sich, dass Phoebe Bridgers darin ein schickes altes CORONER-Leibchen von der „No More Color“-Tour 1990 trägt.
Eine wie auch immer geartete Affinität zu harter Musik und der dazugehörigen Subkultur sollen die drei Damen dem Vernehmen nach ja haben – schreiben sie doch nicht nur ihre Band als Anspielung auf die Straight-Edge-Hardcore-Szene gerne mal xboygeniusx, sondern haben auch T-Shirt-Designs in stilisierter Heavy-Metal-Optik im Verkauf.
Von Phoebe Bridgers gibt es einen nicen „Musicians on Musicians“-Deeptalk mit METALLICAs Lars Ulrich. Zudem ist die Künstlerin auf der exklusiven The Metallica Blacklist vertreten.
Dem boygenius-Worshipping im neuen Rolling Stone Magazin kann man unter anderem entnehmen, dass die christlich aufgewachsene Julien Baker mit der norwegischen Black-Metal-Legende MAYHEM vertraut ist.
In Interviews und in ihrem Werk geben sich die drei Damen von boygenius regelmäßig sattelfest, was die Pop- und Rockgeschichte angeht – kein Wunder, schließlich haben wir es hier mit ernstzunehmenden Künstlerinnen zu tun und nicht etwa mit einer Trulla wie dem Pop-Sternchen ZARA LARSSON. Das stöckelte kürzlich bei einer Preisverleihung in Schweden in einem kurzen Designer-Cocktailkleidchen herum, auf dem das Artwork von BURZUMs „Filosofem“-Album zitiert wurde (der Count lacht noch immer in seinem französischen Versteck). LARSSONs Kommentar: „Oopsie, ich hatte keine Ahnung. Ich fand einfach, meine Klamotten sehen cool aus.“
boygenius sind da aus einem anderen Holz geschnitzt. Man kann davon ausgehen, dass die drei meinungsstarken Musikerinnen genau wissen, was sie tun und wen sie feiern und supporten.
Umso verstörender, wenn man im selben Musikclip von „Not Strong Enough“ Julien Baker eine Leiter herabklettern sieht und der Blick frontal auf den Aufnäher fällt, den sie auf ihrer Jacke trägt. „Deutscher Schwarz Metall Untergrund“ steht da zu lesen, darüber gekreuzt ein Henkerbeil und ein Dolch oder Bajonett und der in Frakturschrift und Versalien geschriebene Bandname WEHRHAMMER. Und dabei handelt es sich nicht um irgendeine Finstercombo.
Dieses gleichermaßen bedeutungslose wie ärgerliche Ein-Mann-Projekt aus dem rheinischen Oberhausen ist eine NSBM-Band – und wir sprechen hier von lupenreinem Nazi Black Metal. Metal Archives sortiert das umtriebige Projekt ganz klar unter „War, Hate, National Socialism, Anti-Judeo-Christianity, Racism“ ein, was bei Albumtiteln wie „Blut und Ehre“, „Deutsche Sturmtruppen“, „Ein Reich wird kommen“ und „In Ehren Deutscher Krieger“ wenig überrascht.
Die seit 1993 aktiven WEHRHAMMER haben Kollaborationen mit anderen offen rechtsradikalen Bands wie TOTENBURG und DER STÜRMER gemacht und covern gerne mal Lieder von Gruppen wie LANDSER und STÖRKRAFT.
Songtitel wie „Nigger“, „White Power“, „Heinrich Himmler“ und „Heil Black Metal“ sprechen Klartext, der auch an einer möglichen Sprachbarriere nicht scheitern sollte.
Weitere Beiträge von WEHRHAMMER lauten etwa „Deutsches Reich“, „Arische Kämpfer“, „Herrenrasse“, „Deutsche Treue“, „Heilgruß dem deutschen Reich“, „Wenn wir die Herrscher sind“ und „Abfahrt an Gleis 8“.
Es wäre sicher mal nett gewesen, mit Phoebe Bridgers bei einem gegrillten Heilbutt an Kokosnussreis mit Yuzu-Aioli und einem frisch gepressten Orangensaft über CORONER und die Schweizer Old-School-Metal Szene zu quatschen und zu erfahren, wie sie über das „Death Cult“-Demo denkt, das seinerzeit von Tom G. Warrior eingesungen wurde; und ob auch sie im Rückblick enttäuscht war über das Gastspiel von Tommy Vetterli bei KREATOR, das sich auf dem Papier so vielversprechend angelassen hatte …
Noch interessanter wäre freilich zu wissen, was Julien Baker dazu bewogen hat, sich den Patch einer widerwärtigen deutschen Nazi-Black-Metal-Kapelle auf ihre Jacke zu nähen. Auf unsere Anfrage vor Veröffentlichung dieses Beitrags haben sich aber leider weder Julien Baker noch boygenius dazu geäußert – am 23. März erreichte uns eine Stellungnahme vom Label Universal Music.
Stellungnahme von Universal Music
Julien Baker hat den Aufnäher unwissentlich in einem schwedischen Indie-Plattenladen gekauft, ohne etwas über die Band oder ihre politische Einstellung zu wissen – als Fan von Metal-Musik fiel ihr lediglich das Design ins Auge. Als sie von uns, den deutschen Labelpartner*innen, auf die Bedeutung des Aufnähers aufmerksam gemacht wurde, hat sich die Band sofort dazu entschlossen, das Video zu „not strong enough“ bearbeiten zu lassen, um den ursprünglichen Wortlaut und das Design des Patches zu ändern. Als lebenslange Unterstützerinnen von Anti-Nazi-Bewegungen sind Julien und boygenius eindeutig gegen Nazis. Sie waren überrascht und bestürzt, als sie erfahren haben, dass der Plattenladen Neo-Nazi-Band-Merchandise im Sortiment führt. Der Aufnäher in seiner ursprünglichen Form wird derzeit aus dem Video – und natürlich von der Jacke selbst! – entfernt.
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