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Birgit Fuß – R.E.M. – Life And How To Live It

Ich muss dieser Besprechung vorausschicken, dass ich (Überraschung!) nicht der größte R.E.M. Fan bin. Dieses Buch stellt sich für Alternative Rock Freunde oder R.E.M. Aficionados also eventuell in einem anderen Licht dar.

Andererseits lese ich fast alles an Musikbüchern, was mir in die Hände fällt. Und Werke über thematisch völlig Metal-unverdächtiges wie James Last, Tom Jones oder Chuck Berry sind großartige Unterhaltung und auch für den Liebhaber völlig anderer Stilrichtungen wertvoll.

Mit „Life And How To Live It“ habe ich mich allerdings sehr geplagt. Bereits der Untertitel „Die Geschichte einer Rockband, die (fast) keine Fehler machte“ weist den Weg, der auf über 300 Seiten beschritten wird.

Es fehlt kritische Distanz

Denn kritische Distanz fehlt hier fast durchgängig und lässt den Leser relativ schnell ermüden. Die Dauerbejubelung der Vier als sozial engagiert, unkommerziell, musikalisch kompromisslos, empathisch, edel und gut liest sich doch recht unglaubwürdig und unterhält auch nur spärlich. Widersprüche dabei werden nicht beleuchtet. Dass die angeblich so wenig an Erfolg orientierte Band einen der fettesten Plattenverträge der Neunziger Jahre aushandelt zum Beispiel. Oder dass trotz des Mantras, nur als Quartett existieren zu können der Ausstieg von Schlagzeuger Billy Berry nicht zum Ende R.E.M.s führt.

Liebenswerte Nerd-Listen

Dass Birgit Fuß sattelfest in der Materie und ein langjähriger Fan ist findet sich natürlich in liebenswert nerdigen Listen wie einer Aufzählung der Tiere und Pflanzen in R.E.M.-Songs, einer Liste der Coverversionen oder einer Auflistung der Nebenprojekte oder Alben mit R.E.M.-Beteiligung wieder. Wirklich interessant auch für den Nicht-Fan ist das Kapitel über Michael Stipes Lyrics, gut geschrieben und analytisch.

Was der Leser von einem Bandporträt in meinen Augen erwartet, wäre aber auch die eine oder andere saftige Anekdote, einen empathischen Umgang mit den Schwächen der Musiker (was hier nicht möglich ist, weil Bill Berry, Peter Buck, Mike Mills und Michael Stipe scheinbar keine nennenswerten Schwächen haben), eine Portion Humor, eventuell auch Ironie.

Das alles gibt es hier nicht. Das Buch liest sich wie etwas, was auch der Band selbst gefallen soll, eine Begleitung der Vier, ohne aus der wohl vorhandenen Nähe mehr zu ziehen als signierte Fotos oder die Berücksichtigung der Musikwünsche auf Konzerten. Nämlich tiefere Einsichten oder flüssige Unterhaltung.

Formal kommt dazu, dass durchgängig gegendert wird. Für mich entwertet das jeden Text sprachlich und ästhetisch, setzt die praktische Lesbarkeit herab und ist für mich ein Verbrechen an der deutschen Sprache. Aber das nur am Rande.

Für R.E.M.-Fans gewiss eine Fundgrube

Die Gestaltung des Buches aus dem Andreas Reiffer-Verlag mit Hardcover-Einband, der Band als Titelmotiv und ausgiebigem Bildteil ist wie gewohnt hochwertig. Was bleibt als Fazit? Für R.E.M. Fans ist „Life And How To Live It“ gewiss eine wahre Fundgrube. Für den allgemein Musik interessierten Leser würde ich ein vorsichtiges Reinlesen empfehlen.

 

Hardcover: 304 Seiten

Verlag: Verlag Andreas Reiffer, 1. Auflage (2023)

ISBN 978-3-910335-83-7

Größe: 14 x 21,5 cm

24,00 Euro

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