Während des zweitägigen Black Metal Festivals WAR AGAINST WAR1 am 10. und 11. November 2023 versammelten sich einige der kleinen und großen Namen des Undergrounds, was eine Reise in grenzenlose Schwärze versprach. Ursprünglich als Samstagsveranstaltung vorgesehen, wurde seitens des Veranstalters ASGAARDIAN EVENTS recht schnell beschlossen, das Event auszudehnen und bereits am Freitag die ersten Künstler die Bühne bespielen zu lassen. Bereits gekaufte Tickets behielten ihre Gültigkeit. So wurden zwei Abende mit voller Beschallung für um die 50,-€ Eintrittspreis geboten, was selbstredend zum restlosen Ausverkauf aller verfügbaren Tickets geführt hat.
Das ORWOhaus, mit seinem industriellen ostdeutschen Charme und der schummrig beleuchteten ORWO-Halle im Erdgeschoss, erwies sich mit dem dort aufgebauten Podium als perfekte Location für unser so geliebtes Subgenre. (Zu) Große Bühnen wären für das angekündigte Lineup auch fehl am Platz und würden die Stimmung und Atmosphäre unserer Meinung nach auch ein wenig drosseln.
Freitag, 10. November 2023
LYRRE
Nachdem der eigentliche Opener des Festivals “YSOTOPSY” mit einer recht spontanen Absage glänzte, eröffnete somit LYRRE 18:50 Uhr den Abend. Die Band wurde von Michalina Malisz (ex-ELUVEITIE) und ihrem Mann Piotr (NETHERFELL) im Sommer 2020 gegründet. Zitat der Band selbst:
LYRRE verschmelzen den organischen Klang der Drehleier, dunkle Gitarrenriffs und die Erhabenheit einer Filmproduktion mit genau der richtigen Dosis elektronischer Inspiration. Auf der Suche nach einem passenden Begriff sind wir auf “Neo-Mittelalter-Metal” gestoßen.
Harte Gitarren wechselten sich mit dem Klang der Hurdy Gurdy ab, was auch live zu überzeugen vermochte. Auch das Bühnenbild machte mit beleuchteten Dekotafeln einiges her. Wer Interesse hat, findet LYRREs erst neulich erschienenes Debüt “Not All Who Dream Are Asleep” auf den bekannten Plattformen.
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VERMILIA
Bei VERMILIA handelt es sich um ein 2017 von Julia Mattila gegründetes Einfrauprojekt aus Finnland.
Die Musik ist eine Mischung aus skandinavischem Pagan Metal und sich abwechselnden klaren und gutturalen weiblichen Gesangspassagen mit Texten in Julias Muttersprache.
Für den Auftritt, der pünktlich um acht Uhr begann, lud sie sich ein paar Gastmusiker ein, welche mit E-Klampfe und Schlagzeug aus dem Soloprojekt ein auch live funktionierendes Konstrukt machten. So fehlte es dem gesamten Auftritt an nichts. Nichts wäre schlimmer, als beispielsweise Gitarren “aus der Dose” serviert zu bekommen. Schon beim Opener “Taivas hiljaa huutaa” baute sich eine fesselnde Stimmung auf, die bis zum Ende des Auftritts anhielt.
Fotogalerie: VERMILIA
RADOGOST
Jetzt wurde es spannend: RADOGOST betraten 21:20 Uhr die Bühne. Hier handelt es sich um eine polnische Folk Metal Band, die im Jahr 2006 gegründet wurde. Spannend, weil es die erste (und einzige) Band des Abends (und Festivals) war, die nicht nur mit Melancholie oder Dunkelheit aufwartete, sondern tatsächlich gute Stimmung verbreitete. Nicht zuletzt waren hierfür auch die geschickt eingesetzten Geigenklänge mitverantwortlich. Passend, denn der Begriff “Radogost” ist der slawischen Mythologie entnommen und bezeichnet den Gott der Gastfreundschaft. Im 2022 erschienenen Album “Córka Oriona” zum Beispiel geht es nicht nur um slawische Legenden und Folklore, sondern tatsächlich auch um Alkohol und Humor – ohne sich dabei in Niveaulosigkeit zu verlieren. Nennen wir es “anspruchsvolle gute Laune”. Hat wirklich Spaß gemacht!
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HAGGARD
Kurzweilig, so ein Konzertabend, denn rasch war auch schon das Finale des Freitags angebrochen, als sich HAGGARD (engl. „wild“, „hager“ oder „ausgezehrt“) auf der Bühne breit machten. Es ist und bleibt uns ein Rätsel, wie es dieses Orchester geschafft hat, da oben ausreichend Platz zu finden. Man meint, dass sich die Künstler des Symphonic Metal Projektes fleißig im Tetris geübt haben. Sage und schreibe elf Musiker teilten sich das Podium, auf dem sich schon andere Acts mit einem Drittel solcher Besetzung die Gitarrenhälse um die Ohren gehauen haben.
HAGGARD hat seinen Ursprung in Bayern, wobei der Kopf der Band Asis Nasseri (seinerseits Deutsch/Afghanisch) gleich zu Anfang des Konzertes die Band mit “Hallo, wir sind Haggard aus – na ja – aus Europa!” vorstellte. In der aktuellen Besetzung findet man hier Musiker aus Deutschland, Italien, Tschechien und Rumänien. Wirft man einen Blick auf die aktuelle (Studio-)Besetzung, sieht man schnell, dass es Haggard durchaus schaffen würden, die Bühne noch viel, wirklich viiieeeel kleiner wirken zu lassen. Mittlerweile dürften es über 70 verschiedene Musikerinnen und Musiker sein, welche den Weg dieser so faszinierenden Musik bereitet haben. Man blickt schließlich auf über dreißig Jahre des Bestehens zurück. Der Musikstil zeichnet sich durch eine Kombination aus klassischer, mittelalterlicher und Renaissancemusik mit zeitgenössischen Metal-Elementen aus.
Man kann HAGGARD auch ein wenig als “spezielle Auswahl” für diesen Abend bezeichnen. Denn man bewegt sich ganz weit weg vom Black Metal, für den das WAR AGAINST WAR eigentlich steht. Uns war’s wurscht!
Die ORWO-Halle blieb weiterhin reich gefüllt. Ob sich etwaige “elitäre” Black Metaller vom Gelände entfernt haben, ist uns nicht aufgefallen. Und wenn doch, dann haben diese echt was verpasst! HAGGARD sind einfach einmalig. Wer sich bislang noch nicht mit ihrer Musik befasst hat, sollte dies schleunigst nachholen. Und live gehören sie definitiv zum Pflichtprogramm. Profis auf, gefesseltes Publikum vor der Bühne. Selbst als Sopranistin Janika Gross beim Titel “Upon Fallen Autumn Leaves” einen kleinen Aussetzer in der höchsten Lage ihrer Stimme erklingen ließ, bekam sie genau hierfür tobenden Applaus. Man arbeitete schließlich nicht mit Playback, sondern als echte Künstler, die live auch nur Menschen geblieben sind.
Mit über einer Stunde Spielzeit bildeten HAGGARD den gelungenen Abschluss des ersten Abends vom War Against War 2023.
Fotgalerie: HAGGARD
Samstag, 11. November 2023
HOULE
Nun standen wir, tatsächlich ausgeschlafen und noch satt vom späten Frühstück, in der Crowd und erwarteten gespannt den ersten Samstags-Act. 14.30 Uhr (wieder einmal überaus pünktlich) erscheinen da oben, untermalt vom eingespielten Meeresrauschen, fünf Gestalten. Fast schon gruselig, denn gehüllt in zerfetzte Regencapes und verdreckte Matrosenhemden, behangen mit Seetang, an den Füßen Gummistiefel und mit unheimlichem Corpsepaint im Gesicht machten HOULE sofort klar: Romantisch maritimes Flair erwartet man hier vergebens. Als das Rauschen der Wellen langsam verklang, ballerte ein Black-Metal-Brett allererster Güte auf uns ein. Sofort war der Platz vor der Bühne gefüllt. Wer das Quintett bis dato noch nicht kannte, wird es so schnell nicht vergessen.
Die Diskografie der Pariser liest sich schnell (von meiner persönlichen französischen Sprachbarriere mal abgesehen): Die Band hat erst vier Tracks veröffentlicht, verpackt in zwei Singles und eine (selbstbetitelte) EP. So konnte man 100% des Materials live vortragen. Es war ein totaler Abriss. Sängerin Adèle Adsa (a.k.a. Adsagsona) schrie sich förmlich die Seele aus dem Leib, gutturales Gebrüll steigerte sich zeitweise bis hin zu quietschenden Screams. Das alles untermalt von rasant schnellen und wunderbar melodiösen Gitarrenriffs. Einfach unglaublich. Als hätten da oben auf der Bühne verunglückte Seeleute ihren eigenen Tod beklagt. Das Meer wartet halt nicht nur mit glasklarem Wasser und strahlendem Blau auf. Es birgt unerbittliche Größe, Urgewalt und Unnahbarkeit, die HOULE klanglich und visuell (mit Utensilien wie Sturmlaterne, Harpune und Ankerketten) perfekt in Szene gesetzt haben. Dass dieses Projekt, welches erst im Jahre 2021 das Licht der Welt erblickt hat, auch bei den anderen Konzertbesuchern gut ankam, sah man im direkten Anschluss: Langes Schlangestehen am Merchstand der ob der positiven Resonanz völlig überraschten Band. Ein Shirtdesign und einen Patch gab’s, nebst Platten. Ich hab mich natürlich auch direkt eingedeckt…
Fotogalerie: HOULE
UBUREN
Jetzt waren wir aufgewärmt und es wurde Zeit, um zu schauen, ob das Trio UBUREN mit ihrem Viking Black Metal den Abend (es war erst 15:25 Uhr – also eigentlich eher Nachmittag) in dieser Stimmung fortführen würden.
UBUREN – das klingt irgendwie schaurig und düster. Ist’s auch, wenn man sich die Bedeutung des altnordischen Wortes anschaut. Direkt übersetzen lässt es sich nicht, wohl aber in der Bedeutung erläutern: Es beschreibt die Mutter, die ihr schwaches und/oder ungewolltes neugeborenes Kind verstößt und von einer Klippe wirft. Na prost, Mahlzeit! Musikalisch machten UBUREN genau das, wofür sie stehen: Black Metal mit Wikingerthematik. Meins war’s nicht, was aber keiner Wertung gleichzusetzen ist. Denn qualitativ standen da Profis auf der Bühne, die die zahlreichen anwesenden Fans, welchen diese Art des Metals zu gefallen scheint, von Beginn an mitgerissen haben.
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GROZA
Spätestens als GROZA dann, gehüllt im immer dichter werdenden Kunstnebel und bis zum Gesicht hin bedeckt, um halb fünf mit ihrem Auftritt begannen, dürften nahezu alle der ca. 900 Festivalbesucher im Saal gewesen sein. Nicht nur wir konnten kaum abwarten, diese so erfolgreiche Band (erneut) zu sehen, waren sie doch für uns einer der Headliner des Festivals. Das mochte am optischen Auftreten liegen als auch an den eingängigen Gitarrenspuren, die hart und doch streckenweise ungemein melodiös eine Atmosphäre verströmen, wie sie melancholischer und tiefgründiger kaum sein könnte. Sofort erkannte man, welche Vorbilder hier als solche dienten: MGŁA. Im Gleichen Zuge könnte man auch UADA nennen. Auch erinnerten die hypnotischen Melodien und harten Riffs an HARAKIRI FOR THE SKY und sogar ein wenig an ALCEST.
Vor allem der Track “The Redemptive End” vom gleichnamigen 2021er Album hatte die Menge vollkommen erfasst. Ab ca. einem Drittel des achteinhalbminütigen Tracks luden tiefgründige Melodien zum Eintauchen in Trauer und Aussichtslosigkeit ein. Man widmete den Song an diesem Abend einem Bandmitglied. “Das ist für unseren Bruder Mike.” hieß es auf der Bühne, zum Publikum gerichtet. Nach dem Song umarmten sich die Musiker. Leider hatten GROZA erst kürzlich den Verlust ihres Bassisten M.S., der den langen Kampf gegen seine Krankheit letztendlich verlor, zu verschmerzen. Vor diesem Hintergrund wurde das Publikum noch intensiver vom gesamten Auftritt erfasst.
Natürlich haben auch GROZA ihre Vorbilder. Wer aber behauptet, die Band kopiere nur ihre größte Inspirationsquelle MGŁA, der hört eindeutig nicht richtig hin und beweist mit diesem Vorurteil nur, wie oberflächlich er ist. Das musste mal gesagt werden. Mir persönlich gefallen GROZA sogar ein Stück weit mehr, da sie einen Tick melodischer und atmosphärischer daher kommen. So viel dazu.
Fotogalerie: GROZA
ENISUM
Uff! Nun haben GROZA aber gut vorgelegt. Weiter im Text: 17:25 Uhr standen ENISUM auf dem Plan. Eine Dreiviertelstunde lang verzauberten die Norditaliener mit ihrem Arpitanian Black Metal die Besucher. Ambient und Atmosphäre, Leidenschaft und Seele, das sind ENISUM. Man widmet sich ganz der Natur. So zeichnet sich auch die Bühnendeko, bestehend aus Ästen, aus. Abgeleitet ist der Name ENISUM vom Monte Musiné (rückwärts gelesen), einem Berg, von dessen Gipfel aus man das gesamte Val di susa (Susatal) und die Stadt Turin sehen kann – die Heimat der Band. Als langjähriger Fan, der ENISUM bereits gehört hat, noch bevor sie ihren Siegeszug durch sämtliche Nationen, Konzerthallen und Festivals angetreten haben, stand die Band rund um Lys (Marcello Apollinari) am Samstagabend ganz oben auf meiner Agenda. Leider, und das schreibe ich nicht gern, wurde ich ein wenig enttäuscht. Meinem subjektiven Empfinden nach wirkte der Auftritt auf mich etwas lustlos. Ich kann mich aber auch täuschen. Was allerdings auffiel, war der anfangs schlechte Sound, der erst im weiteren Konzertverlauf halbwegs “repariert” wurde. Irgendwas schien da schief gelaufen zu sein. Man bemerkte auch am Publikum, dass manch einer sich zu langweilen schien. ENISUM, das könnt Ihr besser!
Ich will aber nicht zu hart ins Gericht gehen. Denn schließlich sind und bleiben ENISUM nicht ohne Grund eine Größe in der europäischen Szene des Atmospheric Black Metal. Das Über-Album schlechthin ist für mich “Arpitanian Lands”. Wer’s nicht kennt (Bildungslücke!), sollte sich direkt den gleichnamigen Opener der Platte zu Gemüte führen. Gänsehaut pur!
Fotogalerie: ENISUM
KARG
Man brauchte an diesem Abend Stehfleisch (sitzen konnte man ja fast nirgends), denn mit KARG erreichten wir um dreiviertel sieben (ja, ich bin Ossi) erst das Bergfest. Nicht, dass wir schlapp machten, waren wir doch auch auf den nächsten Act gespannt. KARG waren zu Gast! Das Solo-Projekt von V. Wahntraum (Michael Kogler), der auch für sein Mitwirken bei HARAKIRI FOR THE SKY bekannt ist, funktionierte live mit befreundeten Musikern, die man auch von Bands wie u.a. ANOMALIE und wie schon erwähnt HARAKIRI FOR THE SKY kennt, wunderbar. Stilistisch bewegten sie sich im Bereich des Post Black Metals. Zwar auch recht provokativ, wirkte KARG dennoch atmosphärisch, düster und verströmte eine gewisse aggressive und doch triste Aura. Passend dazu war auch der Gastauftritt von Patrick (P.G.) Ginglseder (seinerseits Sänger bei den vorher schon bewunderten GROZA) beim Song “Grab der Wellen”.
Fotogalerie: KARG
HERETOIR
Nachdem wir HERETOIR erst neulich im Stromwerk Dresden sehen konnten, waren wir umso gespannter auf den Berliner Gig. Das Dresdner Konzert war das erste mit dem neuen Album “Nightsphere” im Gepäck. So hofften wir natürlich, auch in unserer Heimatstadt, nebst einiger Klassiker, eine kleine Auswahl an Songs dieser Platte serviert zu bekommen. Wir wurden natürlich nicht enttäuscht. Fünf vor acht ging’s los. Wie kaum eine andere Band des Abends schafften es die Jungs um David ‘Eklatanz’ Conrad, mit ihrem Spiel vom allerersten bis zu allerletzten Ton wirklich jeden Winkel der ORWO-Halle zu erfüllen.
Die melancholisch gespielten Gitarren, teilweise knüppelharter und doch wahnsinnig melodischer Black Metal, gepaart mit Blackgaze und Post Metal, jagten uns einen wohligen Schauer über den Rücken.
Mit geschlossenen Augen standen wir mitten im Publikum, denn dort sollte die Akustik am besten sein. Mit nicht mal 1,80m Körpergröße sah ich auch nichts als Hinterköpfe. Aber schei* drauf! Denn ja, die Akustik war fürs ORWOhaus perfekt. Wir hofften darauf, dass die Zeit einfach nur für diesen Moment stehen bleiben würde. Genießen. Nichts als das, was da auf der Bühne passierte, durfte man an sich ran lassen. Auch die Band selbst schien in ihrer Musik völlig aufzugehen. Während sich bei seinen Screams die Mundwinkel von Eklatanz anatomisch nahezu unmöglich tief nach unten zogen, genoss es zum Beispiel Gitarrist Kevin Storm selbst, u.a. den Titel “Heretoir” und dessen bewegende Melodien auf seiner Gitarre spielen zu können. Es berührte uns wieder einmal zutiefst, zu sehen, dass die Mitglieder einer unserer Lieblingsbands für das, was sie machen, förmlich brennen und dass sie ihre Leidenschaft für diese so wunderschöne Musik in allen Zügen offen darlegten.
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ELLENDE
Als ELLENDE kurz nach 21 Uhr die Bühne betraten, begann, untermalt von der von Lukas Gosch (L.G.) (Sänger und Kopf des Projektes) während des ersten Tracks “Scherben” gespielten Akustikgitarre sogleich eine Reise in ein Reich, in dem Post-Black Metal und atmosphärische Ambient-Elemente nahtlos ineinander übergingen.
Von Beginn an wurden wir in die tiefsten Abgründe menschlichen Seins entführt. Die Musik der Gruppe, die melancholische Melodien mit Momenten roher Intensität verbindet, schuf eine dynamische und emotional aufgeladene Atmosphäre.
Harsche und kratzige Screams, wie sie für klassischen Black Metal typisch sind, untermalten die instrumentale Raffinesse, die die Band als dem Ambient zugehörig auszeichnet. Es wurde hiermit ein Klangbild geschaffen, wie es so nur von ELLENDE kommen konnte. Mitunter fühlte man sich sogar an Depressive Black Metal erinnert, da die vorgetragenen Stücke Schwermut und echte Trauer verströmten. Leider auch hier sehr passend, da Sänger und alleiniger Kopf des Projektes (ELLENDE ist als durch Livemusiker unterstütztes Soloprojekt zu verstehen) auch erst neulich einen schweren Verlust in familiären Kreisen zu verarbeiten hatte. Thematisiert wird in der Musik zumeist Tod, Verfall, Aussichtslosigkeit und die daraus folgenden Konsequenzen. So wurde eine endgültige Tristesse und kalte Schwärze geschaffen, die ELLENDE immer wieder sehenswert macht.
Fotogalerie: ELLENDE
KANONENFIEBER
KANONENFIEBER ist ein Solo-Projekt von einem sich selbst “Noise” nennender Musiker aus Bamberg. In dieses Projekt steckt er seine ganze Leidenschaft. Wie wir während eines kleinen Plauschs mit den Mitarbeitern vom Merchstand erfahren haben, verwendet er bspw. mehrere Wochen darauf, den Text nur eines einzelnen Stückes fertig zu stellen. Inspiriert wird er hier u.a. von den erhaltenen Briefen von Soldaten des Ersten Weltkrieges, die diese an ihre Frauen und Familien geschickt haben, ohne zu ahnen, dass sie selbst nie wieder die eigene Heimat sehen werden. Zudem hat er durch einen befreundeten Hobby-Historiker Zugang zu weiteren Originaldokumenten aus dieser Zeit.
Zitat:
Ohne die Glorifizierung des Krieges, ohne Gore-Aspekt, historisch exakt und mit Fakten belegbar.
Das Grauen, dass in den vorgetragenen Zeilen mitschwingt, zeichnet das gesamte musikalische Schaffen aus und macht das Gesamtkonzept unverwechselbar authentisch.
Die Diskografie besteht aus dem Album “Menschenmühle” von 2021, drei EPs à zwei Songs und eine Single mit dem Titel “Stop The War” aus dem Jahre 2022, wo sich Noise mit KANONENFIEBER explizit gegen den Ukrainekrieg ausspricht – untypisch zwischen den bisherigen Werken (wird doch sonst ausschließlich, wie oben erwähnt, der Erste Weltkrieg thematisiert), aber dennoch ein tolles Statement. KANONENFIEBER ist mittlerweile zu einer Institution avanciert. Das Projekt ist in aller Munde. Eingängige Rhythmen, energiegeladener Melodic Black/Death Metal, von vorne bis hinten bangbar, ohne eintönig zu werden.
Aber genug der Vorgeschichte. Es gab während des gesamten Auftritts keinen einzigen Augenblick, an dem das Konzert irgendwie fad wurde. Man spürte sofort den kalten Realismus, vor allem, wenn man sich einmal die Texte durchgelesen hat. Das Bühnenbild war ungemein passend gestaltet: Kleine Weihnachtsbäume (passend zum Titel “Grabenlieder”), Sandsäcke und Stacheldraht. Dazu Soldatenuniformen, die Noise und seine Musiker trugen. Zu Titeln wie “Der Füsilier” gab’s rieselnden Kunstschnee. Zwischenzeitlich wurde das Kostüm gewechselt, denn als man z.B. “U-Bootsmann” (untermalt von den Geräuschen eines Sonars) vortrug, wurden Marineuniformen getragen. Zeitweise setzte sich Noise eine Maske in Form eines menschlichen Schädels auf, um den Schnitter höchstselbst zu verkörpern. Als wenn das alles nicht schon gereicht hätte, krönte im letzten Drittel des Konzertes das im Sitzen vorgetragene Akustikstück “Verscharrt und ungerühmt” die Setlist.
KANONENFIEBER sind immer wieder sehenswert. Es wird einfach nicht langweilig! Wir freuen uns schon auf die kommenden Konzerte, denn geplant sind einige.
Fotogalerie: KANONENFIEBER
BATUSHKA (K. Drabikowski)
Nachdem KANONENFIEBER, für viele als Headliner gehandelt, ihren Auftritt beendet hatten, hätte man den Abend eigentlich beenden können. So langsam taten uns auch echt die Haxen weh. Aber nein, nicht weniger gespannt wurde auch die letzte Band des Abends erwartet. Krzysztof Drabikowski gab sich mit seinem BATUSHKA die Ehre. Nachdem “die anderen BATUSHKA“, unter Bartłomiej Krysiuk, bereits vor ein paar Wochen zu Gast im ORWOhaus waren, und wir dieser Zeremonie auch beiwohnten, können wir nun beide Projekte ein wenig gegenüberstellen.
Was sofort auffiel, war auch bei Drabikowski das wirklich spektakuläre Bühnenbild mit Altar, einer Art Sarg, Kerzen, Schädeln und dergleichen. Wirklich gelungen. Die Stimmung wurde auch hier mit Weihrauch und (diesmal sogar brennenden) Kerzen untermalt.
In der ORWO-Halle herrschte sofort gebanntes Schweigen. Die Atmosphäre wurde fast bedrückend als das Konzert mit kirchlichem Klargesang eingeläutet wurde.
Schon vor ein paar Wochen, bei Krysiuk’s Batushka, ging der Chorgesang durch Mark und Bein. Aber Drabikowski setzte mit den vier Sängern dem Ganzen noch die Krone auf. Der Klargesang war unglaublich intensiv. Als dann die ersten Screams aus Drabikowski’s Kehle an unsere Ohren drangen, war es um uns geschehen. Eine Messe. Das war es. Düsternis, durchbrochen vom schummrigen Kerzenschein, dem Geruch von verbranntem Holz, dazu insgesamt sieben Musiker, die dunklen vermummten Mönchen gleich im Zwielicht dieser Atmosphäre standen und den – meiner Meinung nach – spektakulärsten, weil bildgewaltigsten, Auftritt des Tages ablieferten. Einfach einprägsam!
Allerdings, und das will ich nicht unerwähnt lassen, gibt es für mich tatsächlich nur die einen, die wahren BATUSHKA: Krzysztof und Bartłomiej in Zusammenarbeit. Das Album “Litourgiya” ist und bleibt ein Meilenstein. Leider ist dieser Zug abgefahren und eine weitere Zusammenarbeit der beiden Genies scheint in unerreichbare Ferne gerückt.
Fotogalerie: BATUSHKA
Nachwort
Alles in allem kann man das WAR AGAINST WAR jedem empfehlen, der Wert auf wirklich qualitativ hochwertige musikalische Unterhaltung der schwärzesten Sorte legt. Das Lineup war 2022 bereits grandios (die Orga hingegen war ein wenig verbesserungsbedürftig).
Dieses Jahr wurde ein noch fetteres Set, ausgedehnt auf zwei Tage, geboten. Auch an Fressbuden gab’s eine mehr. Zudem wurde der Zeitplan bis kurz vor Schluss genauestens eingehalten – der Abend endete mit nur 15 Minuten Verspätung.
Nächstes Jahr legt ASGAARDIAN EVENTS noch eine Schippe drauf: Drei Tage (vom 8. bis 10.11.). Erste bestätigte Bands sind zum Beispiel HARAKIRI FOR THE SKY, THYRFING, NORNIR, ANCST und (als Stammgäste) KANONENFIEBER.
Tickets sind ab sofort bei Koka36.de und bei Eventim.de erhältlich. Interessierte sollten sich ranhalten, denn in diesem Jahr war das Indoor-Festival bereits lange im Voraus ausverkauft.
Sollte man Verbesserungsvorschläge anbringen dürfen:
- Mehr Sitzgelegenheiten wären wünschenswert. Knapp 12h stehen schlaucht schon ein wenig.
- Der Fotograben war kaum tiefer als das Kameraobjektiv lang. Soll heißen, dass die Fotografen nicht mal aneinander vorbei kamen. Zum Seitenwechsel musste man den Graben komplett verlassen. Gute Fotos waren Glückssache.
- Das Billing könnte ein wenig gestreckt werden. Es wäre cool, wenn die einzelnen Acts gleichmäßiger auf die Festivaltage verteilt werden würden, damit der einzelne Tag nicht zu langatmig wird.
Aber das war’s auch schon. Wir sind an sich total zufrieden mit dem, was uns hier geboten wurde und wissen jetzt bereits, dass wir wieder kommen werden. Unsere Tickets sind auch schon vorbestellt.
- Der Name “War Against War” wurde dem Anti-Kriegsbuch „Krieg dem Krieg“ von Ernst Friedrich aus dem Jahr 1924 entliehen. Der Veranstalter bezieht damit klar Stellung gegen Kriegsverherrlichung und entsprechendes Gedankengut, ohne dabei gezielt auf aktuelle weltpolitische Geschehnisse anzuspielen. Krieg ist, egal wann, egal wo, die Geißel der Menschheit und widerstrebt dem Prinzip der Menschlichkeit. ↩︎