The Halo Effect live in München 2025

THE HALO EFFECT, PAIN, BLOODRED HOURGLASS: Konzertbericht – Backstage Werk, München – 01.02.2025

Für den klassischen Göteborg-Sound hat man in München nicht erst seit diesem Jahr eine Schwäche. Wenn sich also mit THE HALO EFFECT eine waschechte Supergroup aus der Geburtstätte des Melodic Death Metals ankündigt, ist im Backstage Werk volles Haus garantiert.

Die Frage erübrigt sich im Grunde recht schnell: Ob man denn mit gerade einmal zwei Studioalben schon für eine Headline-Tour bereit sei, können THE HALO EFFECT in Sekundenschnelle beantworten. Nicht nur landeten die Schweden mit beiden Platten unter den besten Zehn der deutschen Albumcharts, auch sonst steckt hinter dem klangvollen Namen kein unbeschriebenes Blatt. Der Supergroup aus IN FLAMES-Veteranen – davon Sänger Mikael Stanne gegenwärtig mit DARK TRANQUILLITY ebenso erfolgreich unterwegs – fehlt es weder an Erfahrung noch an hochkarätigem Songmaterial.

Auch deshalb sind die Tickets für das Gastspiel im Münchner Backstage Werk schon seit einigen Wochen restlos vergriffen, als wir uns in die lange Schlange vor dem Kulturzentrum einfädeln. Erwartet wird die Melodic Death Metal-Band heute Abend mit Hochspannung, wie wir den Gesprächen um uns herum entnehmen können. Dabei sind THE HALO EFFECT keineswegs der einzige Anreisegrund: Peter Tägtgrens (HYPOCRISY) Zweitprojekt PAIN steht in der bayerischen Landeshauptstadt ebenfalls hoch im Kurs, während sich die zeitig angereisten Fans zum Auftakt über ein kleines Melodeath-Juwel freuen dürfen.


BLOODRED HOURGLASS

Bloodred Hourglass live in München 2025

BLOODRED HOURGLASS sind schließlich mit ihren zwei Dekaden Erfahrung selbst kein unbeschriebenes Blatt, was dementsprechend auch in München honoriert wird. Die Halle ist zum Auftakt der Show bereits beachtlich gut gefüllt – ein Spiegelbild der Arbeitsbedingungen auf den Brettern sozusagen. Denn mit drei Gitarristen wird es inmitten des bereits vorinstallierten Equipments auf der Bühne ganz schön eng.

Das eigene Schlagzeug pfriemeln die Finnen gerade noch so auf die rechte Seite, so dass im vorderen Bereich zumindest der Weg von der einen Ecke in die andere frei ist. Diese Option nutzt Gitarrist Lauri Silvonen (WOLFHEART) im Laufe des Sets ebenso gerne wie seine Kollegen Joni Lahdenkauppi und Eero Silvonen, wobei sich ersterer während der sauber gespielten Soli gerne auch im Rampenlicht feiern lässt.

BLOODRED HOURGLASS präsentieren sich als ideale Anheizer

Bloodred Hourglass live in München 2025

Kraftvoll und doch melodisch präsentieren BLOODRED HOURGLASS ihren Melodic Death Metal, so dass das Eis im Werk binnen Sekunden bricht: Die Fäuste reckt das Publikum im Hit „Drag Me The Rain“ sogar ohne Aufforderung, nachdem das Sextett in „The End We Start From“ bereits das Taktgefühl seiner Zuschauerschaft auf die Probe gestellt hatte. Zufrieden mit der Performance ist man offenbar auf beiden Seiten, weshalb Shouter Jaredi Koukonen für das thrashige „Where The Sinners Crawl“ gar einen Schritt weitergeht: Mitgesprungen wird auf dessen Bitte in der Arena anstandslos. Vielleicht wäre ein Circle Pit aufgrund des strammen Tempos sogar die bessere Wahl gewesen, meckern wollen wir jedoch nicht: Einen besseren Anheizer hätten wir uns für heute Abend kaum wünschen können.

BLOODRED HOURGLASS Setlist – ca. 40 Min.

1. The Sun Still In Me
2. In Lieu Of Flowers
3. Leaves
4. The End We Start From
5. Waves Of Black
6. Drag Me The Rain
7. Nightmares Are Dreams Too
8. Veritas
9. Where The Sinners Crawl

Fotogalerie: BLOODRED HOURGLASS


PAIN

Pain live in München 2025

Dass PAIN rein stilistisch ein wenig aus dem Rahmen fallen, dürfte der Truppe um Peter Tägtgren (HYPOCRISY) im Anschluss eigentlich ganz gut ins Konzept passen. Ohne Scheuklappen, aber mit hohem Maß an Variabilität zeigt das Quartett, wie bunt man Metal spielen kann, ohne an der eigenen Integrität zu sägen. Grob zwischen Alternative und Industrial angesiedelt, streut die Gruppe im Verlauf der 60 Minuten zahlreiche Farbtupfer, die sich natürlich auch in der bunten Lightshow spiegeln – im Übrigen die beste des Abends.

So ist Sebastian Tägtgrens Drumset mit diversen LED-Leuchten verziert, während vielfarbige Neonröhren die Bühne spätestens zu „Party In My Head“ in eine Disko verwandeln. Bis dahin nehmen uns PAIN mit in die 80er („Don’t Wake The Dead“), streuen etwas Gothic-Touch („Zombie Slam“) und sorgen in „Suicide Machine“ mit stampfendem Groove für Industrial-Flair.

PAIN beeindrucken nicht nur mit ihrer Bühnenpräsenz

Pain live in München 2025

Berechenbar bleibt die Band schon deshalb nicht, weil sich die Musiker immer wieder zu ausgefallenen Einlagen hinreißen lassen. „Call Me“ unterbricht Mastermind Peter Tägtgren etwa kurzerhand, um Kollege Sebastian Svalland zum Aushilfs-Gastsänger zu befördern, wohingegen „Go With The Flow“ dem Titel entsprechend in Bademantel und Anglerhut dargeboten wird. Bassist Jonathan Olsson (DYNAZTY) greift hier gar stilecht zur Keytar – nicht nur showtechnisch ein Gewinn.

Überhaupt gewinnen die Songs live deutlich an Energie und Drive, was durch die beeindruckende Bühnenpräsenz PAINs nur positiv verstärkt wird. Daher ist es letztlich überhaupt nicht verwunderlich, wie schnell die Münchner:innen dem dynamischen Genre-Mix verfallen, in „The Great Pretender“ die Arme im Takt schwenken und im lockeren „Party In My Head“ ein halbes Dutzend Wasserbälle durch die Luft befördern. Die kurze Verschnaufpause in Form des bluesigen „Have A Drink On Me“ ist somit klug gesetzt, bevor zum Finale ein kauziges Alien den entscheidenden Hinweis gibt: Ohne den Evergreen „Shut Your Mouth“ lassen uns PAIN selbstverständlich nicht nach Hause gehen.

PAIN Setlist – ca. 60 Min.

1. It’s Only Them
2. Don’t Wake The Dead
3. Call Me
4. Zombie Slam
5. Suicide Machine
6. I’m Going In
7. Go With The Flow
8. Same Old Song
9. The Great Pretender
10. Party In My Head
11. Have A Drink On Me
12. Let Me Out
13. Shut Your Mouth

Fotogalerie: PAIN


THE HALO EFFECT

The Halo Effect live in München 2025

Nach solch akribischer Vorarbeit könnten es THE HALO EFFECT eigentlich ganz entspannt angehen. Was soll angesichts der guten Stimmung und des klasse abgemischten Tons im Werk überhaupt noch schief gehen? Mit angezogener Handbremse haben wir Mikael Stanne allerdings noch nie erlebt, weshalb sich die stets gute Laune des Sängers auch heute Abend in Sekundenschnelle auf das Publikum übertragen soll.

Tatsächlich wird es im Backstage zwischenzeitlich richtig laut, wenn die Anhänger:innen ihren Helden den roten Teppich ausrollen: Während sich den Schweden im fabelhaften „Feel What I Believe“ die Fäuste entgegenrecken, erwidert Stanne den Gruß hier und da mit Feuereifer und Grinsen im Gesicht. Die Sprache verschlägt es dem Frontmann und seiner Band hingegen nach „The Needless End“, als die Münchner:innen die ausklingende Lead-Melodie noch minutenlang weitersingen.

THE HALO EFFECT sind mehr als ein nostalgischer Trip in die Vergangenheit, obwohl das auch ein Teil des Appeals ist

The Halo Effect live in München 2025

Allerspätestens jetzt dürfte auch der letzte Zweifler verstanden haben, dass THE HALO EFFECT für die hiesigen Metalheads wohl mehr bedeutet als bloß ein kleiner nostalgischer Trip in die Vergangenheit. Obgleich das durchaus einen Teil des Appeals darstellt: Nicht ohne Grund formiert sich zum treibenden „Detonate“ der erste kleine Moshpit, dreht der Hitsong doch ganz ungeniert an denselben Stellschrauben wie der IN FLAMES-Klassiker „Pinball Map“.

Während sich das Quintett standesgemäß feiern lässt – insbesondere Gitarrist Niclas Engelin und dessen Tour-Kollege Patrik Jensen (THE HAUNTED) genießen die Show im Rampenlicht -, findet es immer wieder einen leicht neuen Ansatz, um die Menge abzuholen. Der sanfte Refrain von „A Truth Worth Lying For“ lädt etwa zum Mitsingen ein, bevor zum stampfenden Haupt-Riff von „Become Surrender“ die Mähnen in der Arena dutzendfach rotieren.

Routiniert und souverän wissen THE HALO EFFECT bestens um ihre Stärken

The Halo Effect live in München 2025

Als sich dann in „Cruel Perception“ und „Last Of Our Kind“ auch noch die Crowdsufer auf den Weg nach vorne machen, ist man wohl in der bayerischen Landeshauptstadt endgültig bei der Kür angekommen. Allein zur Krönung fehlt nur eine Kleinigkeit, welche sich THE HALO EFFECT vorausschauend für die Zugabe aufgespart haben. Die allererste Single „Shadowminds“ aus dem Jahr 2021 beschließt ein 75-minütiges Set auf ungemein souveräne Weise. Es scheint, als wollten uns die Musiker zum Abschluss noch einmal in Erinnerung rufen, dass hier absolut keine Grünschnäbel, sondern erfahrene Profis auf den Brettern stehen – und die lassen uns diesmal nur in einer Hinsicht fragend zurück.

Dass sich das Spektrum der spartanische Lichtuntermalung nämlich bereits nach zwei Farbtönen erschöpft, wirkt für eine Headline-Show geradezu unwürdig. Möglicherweise – und das wollen wir nicht ausschließen – ist es aber auch Teil des Konzepts: Wenn nach blau und grün die nächste Nuance erst mit einem irgendwann angedachten Drittwerk Einzug erhalten soll, dann fangen wir allein deshalb schon jetzt an, die Tage zu zählen. In musikalischer Hinsicht lohnen sollte es sich ohnehin, wie wir heute zweifelsohne auch im Live-Format feststellen durften.

THE HALO EFFECT Setlist – ca. 75 Min.

1. This Curse Of Silence (Intro)
2. March Of The Unheard
3. Feel What I Believe
4. In Broken Trust
5. The Needless End
6. Detonate
7. Conditional
8. Cruel Perception
9. A Truth Worth Lying For
10. Become Surrender
11. What We Become
12. Gateways
13. Last Of Our Kind
14. Days Of The Lost
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15. Shadowminds

Fotogalerie: THE HALO EFFECT

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)