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PER GESSLE, MARTINIQUE: Gloria-Theater, Köln, 27.04.2009

Mit überbordender Spielfreude und einer tollen Songauswahl rockte die männliche ROXETTE-Hälfte die knapp 500 Besucher, die jede Zeile mitsangen und am Ende restlos begeistert waren.

Mehr als 11 Jahre habe ich auf diesen Augenblick gewartet. Seit Per Gessle mit The World According To Gessle das perfekte Powerpop-Album abgeliefert hat, träumte ich von einem gitarrenlastigen Club-Konzert der männlichen ROXETTE-Hälfte. Dieser Traum ging an einem Montag Abend in Köln in Erfüllung. Meine Erwartungen waren groß, obwohl klar war, dass Mr. Gessle angesichts seines enormen Vorrats an grandiosen Songs eigentlich zwangsläufig Kompromisse eingehen muss. So war vor dem Tourstart klar, dass, nein, er keine schwedischen Sachen spielen würde und dass, ja, diverse ROXETTE-Lieder auf dem Programm stehen würden.

Die goldenen Zeiten von ROXETTE sind freilich vorbei. Dass schließlich weniger als 500 Leute im Kölner Gloria-Theater auftauchten, hätte ich aber trotzdem nicht erwartet. Die niedrige Besucherzahl hatte aber auch ihr Gutes, zumal der Veranstaltungsort gut gefüllt war. Im Gegensatz zu den meisten Konzerten bestand das Publikum fast ausschließlich aus eingeschworenen Fans. Das zeigte sich schon daran, dass die meisten (!) Besucher bereits lange vor Saalöffnung eintrafen und den Gesprächen in der Warteschlange nach zu urteilen gleich mehrere Konzerte der Tour besuchten. Es würde mich nicht wundern, wenn einige auch schon mal vor der Villa ihres Idols gecampt haben.

Im Vorprogramm trat Martinique Josefsson auf, seines Zeichens Ehemann von Gessles Backgroundsängerin Helena. Musikalisch hätte er wesentlich besser auf ein BEE GEES-Konzert gepasst. Jetzt weiß ich zumindest, wie es für meinen Bruder gewesen sein muss, DRAGONFORCE als Vorband von MACHINE HEAD zu erleben. Nach 20 Minuten war der Karaoke-Auftritt, der wohlwollend aufgenommen wurde, dann auch schon wieder vorbei. Die von Gessle handverlesene Umbaupausenmusik steigerte die Stimmung und keine Viertelstunde später war es dann soweit.

Was folgte, war ein von Anfang bis Ende gelungenes Konzerterlebnis. Es war nicht Masse, die man für die nicht gerade günstigen Eintrittspreise geboten bekam, die den Reiz des Abends ausmachte. Es war die pure Spielfreude, die gitarrenlastige Ausrichtung der Musik, die Begeisterung der Zuschauer.

Vom ersten Ton an herrschte eine Stimmung, wie man sie sonst nur in Fußballstadien nach dem Gewinn der Meisterschaft erlebt. Niemand wartete darauf, dass die ganz großen Hits gespielt wurden. Stattdessen feierte man mit der Band zusammen Lieder wie Stupid, Drowning In Wonderful Thoughts About Her und The Party Pleaser. Wahrscheinlich hätten viele Fans auch bei Pers schwedischen Solosongs jede Silbe mitgesungen. Tatsächlich gab es immer wieder Sommartider-Sprechchöre, die nach dem großen Hit von Pers schwedischer Band GYLLENE TIDER verlangten.

Die Stimmung war euphorisch, aber zum Glück nicht übertrieben ekstatisch. So kamen auch die beiden ruhigen SON OF A PLUMBER-Stücke I Have A Party In My Head (I Hope It Never Ends) und Late, Later On optimal zur Geltung. Gerade ersteres profitierte zusätzlich von der eindrucksvollen Gesangsleistung von Helena Josefsson. Per Gessle selbst war ebenfalls bestens bei Stimme und bewältigte auch die ROXETTE-Songs, bei denen seine Mitstreiterin Marie Fredriksen sonst die Lead-Stimme singt. Bestes Beispiel: die Gänsehaut-Version von Listen To Your Heart.

Insgesamt dominierten kraftvolle Popsongs mit reichlich Gitarren die Setlist. She Doesn`t Live Here Anymore rockte, 7Twenty7 rockte noch mehr und Opportunity Nox machte live wesentlich mehr Sinn als auf Platte. Großes Lob verdiente sich der Tontechniker, der Gesang und Gitarren in angenehmer Lautstärke glasklar aussteuerte, ohne dabei den Rest der Band zu diskriminieren. Nur sporadisch wurde eigentliches Solomaterial eingestreut. Do You Wanna Be My Baby? unterstrich Gessles Songwritingtalent und Doesn`t Make Sense zeigte den Schweden von einer muskalisch nachdenklicheren, aber gewohnt melodischen Seite.

Auch wenn er sie schon unzähige Male gespielt hat, intonierte Gessle zum Ende des Sets einige ROXETTE-Klassiker. Diese wirkten erstaunlich frisch und authentischer als auf der großen Bühne, da im Club die Distanz zwischen Urheber und Publikum auf ein Minimum reduziert war. Man konnte sehen, dass Dangerous und Joyride keine lästige Pflichterfüllung darstellten. Im Gegenteil, die Band agierte so hungrig, als müsste sie die Songs erst noch zu Hits machen.

Im unvermeidlichen Zugabenteil war noch Platz für die fetzigen SON OF A PLUMBER-Songs C`mon und Are You An Old Hippie, Sir? sowie eine Cover-Version von (I`m Not Your) Steppin` Stone. Dazu gesellte sich The Look mit obligatorischem Mitsingteil und die beiden überraschend bombastfreien Balladen It Must Have Been Love und Queen Of Rain. Außerdem gab es mit dem umjubelten Sleeping In My Car noch eine Tourpremiere, die in Zeiten von Setlist-Spoilern im Internet für zusätzliche Begeisterung sorgte.

Trotz aller Ausführlichkeit können meine Schilderungen die erlebte Freude höchstens ansatzweise wiedergeben. Ich verzichte somit auf weitere Lobhudelei und überlasse die schließenden Worte Per Gessle selbst: Cologne was one of my best gigs in ages. Shit we didn´t tape it for the DVD!

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