MOUNTAINS OF DEATH 2010 – Der Festivalbericht

Besser spät als nie – der Festivalbericht zum MOUNTAINS OF DEATH 2010 macht bereits Lust auf die diesjährige Ausgabe des Brutal Death Metal / Grindcore Festivals mit einzigartiger Schweizer Bergkulisse…
 
Das MOUNTAINS OF DEATH feiert 2010 das zehnjährige Jubiläum. Und somit ist es Zeit für eine Neuerung: Das Festival beginnt schon am Donnerstag mit dem Live-Programm. Statt Partyzelt-DJ-Action sind also schon am Donnerstagabend ab 21 Uhr sechs Bands auf den Brettern unter dem über allem thronenden Bergmassiv im Muotathal. Die wohl Brutal Death Metal-affinste Bergwand der Schweiz wird dieses Jahr stilvoll mit einem blau-grünen Scheinwerfer beleuchtet, was mitten in der Nacht mächtig für Atmosphäre sorgt.
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Ebenfalls neu sind Entwertungskarten an der Bar. Obwohl hiermit die Wartezeit aufs Wechselgeld verkürzt wird, ist das System nicht ganz einfach zu verstehen – vor allem wenn der Alkoholpegel des Anwenders schon etwas erhöht ist. Letzteres wird auch zum Problem bei den sonst so sauberen Toiletten – keine Ahnung, wer die Idee hatte, eines der Klos irgendwann mit Papier zuzustopfen. Gerade das MOUNTAINS OF DEATH ist angenehm Dixiklo-frei, doch mit solchen geistlosen Aktionen dürften Änderungen diesbezüglich nur eine Frage der Zeit sein. Gleichzeitig zeigt dieses Beispiel das Herzblut und die Bescheidenheit, mit welchen MOUNTAINS OF DEATH-Papa Reto Ehrler auch nach zehn Jahren bei der Sache ist: Er entstopfte entsprechenden Klos nämlich selber. Respekt!
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Doch zurück zum Positiven: Die Organisatioren haben dieses Jahr superbes Wetter bestellt. Die Sonne scheint während dem grössten Teil des Festivals, die Fleischingredienzen der Brotsandwiches brutzeln brutal korrekt auf dem Grill und für die Veganer gibts wieder den leckeren Falafel vom lokalen Kebab/Falafel-Stand. In Sachen Merchandise werden vor allem die Grindcore und Death Metal-Fans happy, allerdings gibts an einem Stand in der Wühlbox auch einiges an rarem Black Metal zu finden – selten investiert man sieben Euro pro CD so lohnend.
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Der Festivalmerchandise ist dieses Jahr ebenfalls sichtlich ausgefeilter und ausgefallener. Die Preise sind wie immer mehr als fair, aber dieses Mal kann man sich auch mit einem toll geschnittenen Herrenhemd inklusive dezentem Festivallogo sowie mit Shorts und langärmigen Girlies eindecken. Kompliment an dieser Stelle fürs Merchandiseteam des MOUNTAINS OF DEATH. Das Sortiment wurde erweitert, aber ist weit entfernt von peinlichen Sell-Out-Extradesigns oder irgendwelchem Produkteschnickschnack, den niemand braucht.
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DONNERSTAG, 19. August 2010
PROGSIK
Den Auftakt der Festivaljubiläumsausgabe bestreiten die Fribourger PROGSIK. Ab 21 Uhr sind die drei Schweizer auf der Bühne – ohne Bassist und mit stark getriggerter Bassdrum. Grunztechnisch klar im Schweinestall angesiedelt gehts mit uiuiuiui-üüüüü-Lauten durch die oftmals schleppende Brutal Death Metal-Klanglandschaft, die sich in Songs wie Waiting For Apocalypse, Colony of embryonal violence, Sperme gots Eye oder Human Hunter offenbart.
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Schon nach kurzer Zeit sieht man in den vorderen Reihen die ersten SUFFOCATION-Hände in die Höhe gehen und PROGSIK lassen hier und da auch dissonante Gitarren zu Wort kommen. Hierbei merkt man, dass Gitarrist Vinc durchaus kompetent ist, allerdings wird während des gesamten Gigs schmerzhaft klar, dass eine Zisch-Schlafzimmer-Black Metal-Truppe sich zwar ohne Bassist durchschmuggeln kann, dies aber bei einer Death Metal-Band wie PROGSIK schlicht nicht funktioniert. Die eigenen Fans lassen sich davon jedoch nicht beirren und auch die aus dem Ausland bereits angereisten Sickfucks – sei es aus Deutschland, Schweden oder Frankreich – bedenken PROGSIK mit Applaus. 
Gegen 21:50 ist es Zeit für die Schotten von CEREBRAL BORE. Bei diesen steht nunmehr schon Sänger Nummer fünf auf der Bühne, was bei anwesenden Fans für geteilte Reaktionen sorgt. Einige vermissen den alten Frontgrunzer, andere freuen sich auf Frontdame Simone, die sich betont männlich gibt und grunzt und noist wie ein Kerl. Nur bei den Ansagen klingt Simone zart und lieblich, was CEREBRAL BORE zusätzliche Aufmerksamkeit beschert.
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Diese richten ihre Aufmerksamkeit auf ihr aktuelles Album Maniacal Miscreation, von dem nicht nur der Titeltrack, sondern auch Mangled Post Burial zum besten gegeben wird. Der blecherne Bass-Sound mag nicht gerade passend sein, aber man merkt sogleich einen immensen Unterschied zu PROGSIK, weil Death Metal einfach einen Bass braucht. Den Stagedivern passt die Mischung ebenfalls und CEREBRAL BORE mischen brutale Death Metal-Parts mit einem hohen Anteil an grobschlächtigem Todesmetall. Bassist Kyle bangt tüchtig mit, während Gitarrist Paul (CREPITATION) eher statisch wirkt. Der Platz vor der Bühne füllt sich auf jeden Fall rasch – und die MOUNTAINS OF DEATH-Rechnung, das Festival einen Tag früher schon mit voller Power zu beginnen, geht offensichtlich schön auf.
Um 22:50 ist es Zeit für die griechischen Technical Death Metaller SICKENING HORROR – und für den ersten Typen im Publikum, der eine Schweineklaue um den Hals trägt und sich die Hucke vollsäuft. Schwein hin oder her, die Griechenlandfahne wird geschwenkt und SICKENING HORROR zeigen mit disharmonischen Frickelparts schon mal, wo der Gitarristenhammer hängt.
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Nach einem harzigen Anfang kommen SICKENING HORROR auf Touren und zeigen originelles Riffing, Groove und Abwechslungsreichtum. Geil am Ganzen ist, dass SICKENING HORROR zum einen etwas an AVULSED erinnern, zum anderen nach altem (!) technischen Death Metal klingen, was insbesondere die ältere Publikumsfraktion entzückt. Die Setliste der gut spielenden Truppe berücksichtigt sowohl das 2009er Album The Dead End Experiment (etwa mit Songs wie Dusk, Noise Dreaming oder Mirrors only reflect dead bodies) als auch das Vorgängerwerk When landscapes bled backwards aus dem Jahr 2007. Von letzterem gibts unter anderem An eerie aspect of us…drowning und The cold funeral zu hören.
Mit Dead End beschliessen SICKENING HORROR ihren Auftritt, der ohne seelenloses Gebolze auskam. Eine interessante Entdeckung.
Danach ist es wieder einmal Zeit für DEVOURMENT. An dieser Band scheiden sich auch dieses Jahr die Geister. Für die einen sind DEVOURMENT die texanischen Boten des Brutal Death-Olymps, die anderen finden lediglich fäkalbezogene Beschreibungswörter adäquat, um Songs wie Unleash the carnivores, Devour the damned, Masturbating at the slab oder den Hit Babykiller adäquat zu umschreiben.
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So gibt es vorne reichlich Bewegung, ein grosser Pit huldigt Festering vomitous mass, Fed to the pigs, Tomb of scabs und Fucked to death. Objektiv betrachtet mögen DEVOURMENT die Masse begeistern – aber der Spruch mit der Million Fliegen, die sich nicht irren können, ist nicht weit, denn die Texaner produzieren eine Stunde lang undefinierten Matsch (rein soundtechnisch gesehen). Und während einige das Stagedivingerlebnis suchen (mit oder ohne Schweizer Armeehelm) bei der Pferdekopf-Brudduband oder sich die bei Serial cocksucker ihre Befriedigung erhaschen, flüchten sich andere Richtung Fressstand und geben offen zu, DEVOURMENT auch schon extra verpasst zu haben an Festivals, um nicht wieder Zeuge davon zu werden, dass die Band jedes Mal schlimmer werde. Schrott hin oder her – Shit sells. Und bei DEVOURMENT ist das einfach wahr. Leider.
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Nachdem DEVOURMENT von dannen gezogen sind, läuft im Barzelt JUDAS PRIESTs Painkiller. Und hat man vorher unter Umständen eine ernsthafte Warum-höre-ich-Metal-Sinnkrise erlebt, so zeigt einem dieser Song wieder, wie richtiger Metal gemacht wird – und warum es nichts Besseres gibt. Gegen ein Uhr ist es also Zeit für LIVIDITY aus Decatur, Illinois, die sich gerne als Frauenhasser inszenieren. Interessanterweise lohnt sich ein Gespräch mit deren Merchandiser vor dem Gig jedoch, da frau durch ihn von Feminismus-Aktionitis-Leerläufen wie der Installation von Ampelfrauen in Österreich erfährt – und nebenher eine anspruchsvolle Diskussion über Frauenrechte möglich ist… Auch ein LIVIDITY-Konzert birgt im Vorfeld also Überraschungen.
 
Im eigentlich Konzertfeld indes weniger. Inwiefern raaaa-raaaa-aaaaa und uiuiuiuiui-uouououououo frauenfeindlich sind, weiss ich nicht (ausser wenn sie von einem Vergewaltiger während seiner Straftat geäussert werden). LIVIDITY geben sich höflich, danken den Organisatoren und bekunden ihre Freude, in der Schweiz spielen zu dürfen. Musikalisch sind die Amerikaner indes böser und hässlicher unterwegs und geben mehr Gas als etwa am PARTY.SAN. Ihr Timing am MOUNTAINS OF DEATH ist nicht schlecht, aber sie sind schroffer und metzeln mehr, als sich auf ihre technischen Qualitäten zu besinnen.
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So gibts einiges an wirren Prügelparts, Gebretter, Tiefgrunz- und Kreischduetten, um sowohl schleppende Death Metal-Parts wie auch eher Grindcore-orientierte Passagen an den Mann (bzw. die Frau) zu bringen. Tracks wie Pussy lover, Rectal wench oder Oozing vaginal discharge sorgen für ein erfreutes Publikum, das sich LIVIDITY in einer kühlen, klaren Nacht reinzieht, ohne sich vom Regen ablenken lassen zu müssen. Zu einem Zeitpunkt stehen dann auch zahlreiche Fans auf der Bühne, bangen mit der Band und erinnern damit an das Bühnenbild, welches letztes Jahr bei DEVOURMENT herrschte…
Das MOUNTAINS OF DEATH hat seit jeher ein gutes Händchen gehabt mit den sogenannten Rausschmeisserbands, die weit nach Mitternacht nochmals so richtig Gas geben und das letzte Quentchen Energie aus den noch anwesenden Sickfucks herausholen. Vergangene Beispiele sind MALIGNANT TUMOUR oder BLACK SEPTEMBER, dieses Jahr trifft es die Muotathaler Regionaltruppe KERRY AND THE LAYZERS. Dass irgendwas Flusswasser der Muota sein muss, das dafür sorgt, dass in diesem Schweizer Dorf metallisches Talent gedeiht, ist schon lange klar – AMBROSSIACARNAL DECAY oder die pure Existenz des einzigen Schweizer Death Metal-Festivals können als Beweis angeführt werden. Ein weiterer Prominenter von Muotathal sitzt nun gegen zwei Uhr morgens hinter dem Kit von KERRY AND THE LAYZERS: Heinz Imhof (Ex-DISPARAGEDEMBALMING THEATRE). Und das verspricht schon mal einiges.
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Doch was dann kommt, sicher nicht. Es ist eine Offenbarung. Die Reinkarnation einer Zeit, als METALLICASLAYERIRON MAIDENSEPULTURA und SODOM noch jung, hungrig und ungestüm waren. KERRY AND THE LAYZERS mögen nicht perfekt sein, aber ihre Coverversionen lassen einen denken, man sei in einem winzigen Club, in dem eben genau diese Bands auftreten, bevor sie berühmt wurden. Mit dem wirren Zwist, dass die Ansagen des sympathischen Fronters – der ein traditionell-ausschauendes Hemd trägt – im urigsten Muotathaler Dialekt gehalten sind. Diese Kombination – unbezahlbar.
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Die darauf folgende Zeitreise ist für die anwesenden Metaller entsprechend mitreissend. Postmortem, Raining Blood, dann ein tüchtiges Stück IRON MAIDEN in Form von The Trooper und Wrathchild, dann SODOMs Agent Orange, SEPULTURAs Arise und eine weitere schöne SLAYER-Garnitur in Form des Meisterwerks Angel of death und South of heaven. Zum ersten Mal hört man Creeping death mit einem fähigen Drummer hinter dem Kit – eine Novität sondergleichen! Schweizer Qualitätshandwerk statt dänischem Drumming…
KERRY AND THE LAYZERS stehlen mit ihrer Frische, ihrem jugendlichem Charme und einer absolut fulminant zusammenspielenden, groovenden Rhythm/Bass-Fraktion locker sämtlichen anderen Bands des Abends, ja des Festivals, die Show. Was für eine absolut geile Band! So will man diese Klassikersongs hören! Ja! In dieser Kulisse, mit dieser Attitüde und nicht in einem riesigen Stadion mit Tausenden von Pseudometallern. KERRY AND THE LAYZERS räumen ab – zu diesem Verdikt kommt man auch noch um 3 Uhr morgens. Wie geil!
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FREITAG, 20. August 2010
SOULLESS
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Am Freitag ist es warm. Die Sonne scheint. Es ist wieder Zeit für den normalen MOUNTAINS OF DEATH-Stundenplan. Beginn am Nachmittag. Brutal Death Metal und Grindcore den ganzen Tag bis tief in die Nacht. Und ein Festivalgelände, das zum Leben erwacht ist mit reichlich Sickfucks am Herumwuseln.
Diese kriegen zuerst mal SOULLESS aus Lausanne vorgesetzt, die sich dem Death Metal verschrieben haben. Frontmann Stéphane ist imposant, doch der Drummer des Trios ist ein Laptop, da Drummer Fabrice just eine Woche vorher die Band verlassen hat. Entsprechend steril wirkt das Geblaste und die Riffs von SOULLESS können ebenfalls nichts retten – zu gesichtslos ist die dargebotene Kost.
Im dritten Track – Obsession kommt ein weiterer Sänger auf die Bühne, der sich biersaufend um HC-affines Gebrüll kümmert. Der als more Swedish klingende Song Blinded by destiny klingt dann leider überhaupt nicht Schwedisch und SOULLESS ernten nur wenig Applaus. Respekt zollen darf man SOULLESS dafür, dass sie sich trotz entscheidendem Mitgliederschwund auf die Bühne getraut haben – aber in Zukunft muss da einiges mehr an Spannung her in den Songs.
EPICARDIECTOMY
Viel spannender wird die brutale Death Metal-Welt leider auch nicht mit EPICARDIECTOMY aus Tschechien. Diese spielen stumpfen Brutal Death Metal, der an GORECUNT erinnert, auch wenn die Amis wenigstens einen Bassisten haben. EPICARDIECTOMY haben lediglich einen Frontmann, der wie ein Redneck aus Hinter-West Virginia ausschaut und die motherfuckas im Publikum anstachelt.
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Geistreiche Tracks wie Endocystic Regurgiation, Feasting on putrid hysterictomy remnants (wenns der Mutterkuchen nicht tut), Rancid flesh copulation, Vaginal colony full of vermin (wenn man das Scheideninfektionsantibiotikum frühzeitig absetzt) oder Decomposed entrails colonoscopy führen zu einem kleinen Circlepit mit einigen gereckten SUFFOCATION-Händen. EPICARDIECTOMY vereinen alles, was man an Brutal Death Metal schlecht finden kann und es ist spannender zu zählen, wie oft Brainythug das Wort motherfucka benutzt, als den eigentlichen Tracks zu lauschen. Die gesangliche Leistung gleicht der eines Abflussrohrs nach der Reinigung mit Salzsäure, die Gitarrenarbeit ist unsauber und EPICARDIECTOMY sind schlichtweg zum Vergessen.
Um drei Uhr betreten mit einiger Verspätung NAILED aus England die Bühne. Statt Melodic Death Metal wie die verbandelten IN DYING GRACE zu machen, spielen NAILED Brutal Death Metal, der hier und da eine Spur MORBID ANGEL und CRYPTOPSY aufweist. Melodien gibts definitiv keine, dafür seelenloses Todesmetallgebolze mit vereinzelten Slam-Parts à la CREPITATION. Auch SUFFOCATION dürften hier als Einfluss Pate gestanden haben. NAILED konzentrieren sich primär auf ihre neueren Songs, spielen Neuro Linguistic Programming aber auch Tracks des 2008er Albums Hatred, Failure & The Extinction of Mankind wie Circle of decay.
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NAILEDs Gig bringt keine neuen Einsichten ins Genre, und der Platz füllt sich denn auch völlig zurecht nur langsam. Das scheint einen Typen indes nicht davon abzuhalten, mit einer Fleischerschürze von der Bühne zu diven – aber an mehr erinnert man sich danach dennoch irgendwie nicht.
TOOLS OF TORTURE
Wegen der NAILED-Soundcheck-Verspätung gerät der Plan des MOUNTAINS OF DEATH schon zu früher Stunde aus den Fugen. Das italienische Quartett TOOLS OF TORTURE aus Italien beginnt seinen Gig somit erst nach halb vier und metzelt sich technisch versierter als NAILED durch ausgetretene Brutal Death Metal-Wälder. Immerhin bewegen sich die Italiener etwas mehr, was in Kombination mit ihrem Sound zu einem kleinen Circle Pit vor der Bühne führt.
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Sänger Genobile geht in seinem Sound auf, tanzt halbnackt, macht Ansagen und noist gemäss den uiuiuiuiui-Standardvorgaben. Songs wie Garrote, Jigsaw Torture und Divine Defloration geben Bassist Impure die Möglichkeit zum Kreisbanging, Radical Ocular Extirpation und Mestectomised and infibulated geben TOOLS OF TORTURE die Chance, auch groovige, coole Parts in ihre Songs zu flechten. Um wirklich herauszustechen oder ein Verdikt jenseits von solid zu erhalten, reicht es indes nicht.
CENOTAPH
Ebenfalls technisch versiert sind die darauf folgenden CENOTAPH aus dem türkischen Ankara. Frickelparts gibts beim Quartett wie gehabt, doch der Masse scheint die CENOTAPH-Kost etwas gar zu komplex zu sein – obwohl der Anteil an Brutal Death Metal wie gehabt hoch ist.
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CENOTAPH setzen das Hauptohrenmerk nicht auf ihr aktuelles Album Putrescent Infectious Rabidity, das sie unter anderem mit dem Titeltrack sowie dem Song Embalming maggotizied aborticide (obscure perspectives of forensic entomology) vorstellen, sondern lassen auch die anderen Alben ihrer Diskographie zu Wort kommen. So gibts Verbalized opinions about intravaginal umbilical corded fetus in uterus vom Puked Genital Purulency-Output und Less than human urinal vom Voluptuously Minced-Werk. Wirkliche Akzente setzen auch CENOTAPH nicht, aber ordentlich gespielt haben die Türken alleweil.
EMBRYONIC DEPRAVITY
Gegen fünf Uhr ist es Zeit für das Londoner Quintett EMBRYONIC DEPRAVITY. Wieder steht Brutal Death Metal auf dem Programm und irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dass seit drei Stunden in Tat und Wahrheit eigentlich nur eine Band spielt. 08/15-Kost hin oder her, EMBRYONIC DEPRAVITY erfinden trotz Frickeln und mahlenden brutalen Parts den Death Metal wiederum nicht neu.
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Das Material ihres aktuellen Albums Constrained by the miscarriage of conquest ist so genregetreu wie austauschbar und Songs wie Apotheosis through isolation, Acephalous transmutation, Bound by dejection oder An inferior malediction ändern nichts an diesem Eindruck. Sänger Rob Newson huldigt bisweilen dem BABYLON SAD-artigen Tiefgrunzen, doch oftmals ist seine gesangliche Leistung im buuu-uiuiui-oioioioi-Universum angesiedelt. Durchschnittstodesmetall zum Vergessen. Und dem Wettergott reicht es nun auch – just als EMBRYONIC DEPRAVITY ihren Gig beschliessen, fängt es an zu regnen.
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AMAGORTIS sind dann diejenigen, die Opfer eben dieses Regens werden. Während des Gigs der Schweizer Vorzeige-Brutal Death-Metal Truppe entleeren sich die Wolken über dem Gelände Balmen und ein Grossteil des Publikums flüchtet ins Bierzelt, um den Auftritt aus dem einigermassen sicheren Unterstand anzuschauen.
Einige eingefleischte Fans trotzen dennoch dem Regen und lassen sich gar zum Stagediving hinreissen, wenn AMAGORTIS Songs ihres aktuellen Albums Intrinsic Indecency zum Bestne geben – etwa Acrotomophiliac, Intrinsic Indecency, Carnivorous Crackpipe Consumption, Misplaced Mastectomy oder Lacerate. Sever. Burn.. Auch der 2007er Vorgänger Pre-Natal Cannibalism geht nicht vergessen und wird mit Teabagged to death oder Severed in the cemetery berücksichtigt. Die Show von AMAGORTIS gleicht derjenigen, die sie im Vorprogramm des HAIL OF BULLETS-Gigs in Zürich geliefert hatten und setzt hier und da Akzente, die an CANNIBAL CORPSE erinnern. Alles in allem ein ordentlicher Gig – trotz des Wetters.
TERRORDROME
Bei den Griechen von TERRORDROME lässt sich die Sonne dann wieder blicken, doch der Regen hört dennoch nicht auf. Leider sind die Wetterkapriolen um einiges interessanter als der wiedererkennungswertfreie Brutal Death Metal TERRORDROMEs. Vereinzelte Frickelparts werden in jedem Song wieder zur Unkenntlichkeit zusammengewalzt und diese Walze wird selbst durch die Breaks nicht spannender.
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Egal ob die zwei Stücke (Alas in the wound und …For mayhem to begin) der jüngsten Split mit OATH TO VANQUISH oder Material des 2008er Albums Vehement Convulsion – TERRORDROME können nix reissen, egal ob sie über 2000 Volts fat burning (zum Glück ohne olfaktorische Untermalung), Exposed to life`s integration, Eradicate the indigence oder Revile the vagary grunzen, brüllen und metzeln. Eine weitere Band, während der man getrost zur Nahrungsaufnahme beim Falafel machenden Piskin Express wandern kann.
INVERACITY_mod2010_vonAndreasSzabo 
Frisch gestärkt ist es nun an der Zeit für die TERRORDROME-Landsleute INVERACITY. Diese machen schon am Anfang klar, dass bei ihnen das Hirn nicht nur spritzend in den Lyrics vorhanden ist, sondern zuerst arbeitend an der Riff-Kreation mitgewirkt hat. INVERACITY haben Riffs, die man raushört, und benutzen brutalere Parts als deftiges Würzmittel statt als Grundnahrungsmittel in ihren Tracks. So wirkt der INVERACITY-Sound wesentlich knackiger als derjenige der Bands zuvor.
Ejaculation over mutilation und Savagely beaten bieten INVERACITY für die Circle Of Perversion-Fans, Before the uncreation, Extermination of millions und Visions of coming apocalypse gibts für die Anhänger des aktuellen Albums Extermination Of Millions. INVERACITY holzen sich sichtlich gerne durch ihr Material und verschwenden keine Zeit mit endlosen Ansagen (ein kurzes Thank you genügt). Das scheint dem Wettergott zu gefallen – der Regen hört auf und das Festivalgelände ist nun gut gefüllt. Das offizielle Wochenende hat nun auch für diejenigen begonnen, die nicht früher von der Arbeit weg konnten…
SAPROGENIC
Bei SAPROGENIC sackt das Niveau dann wieder runter – sowohl musikalisch als auch menschlich. Letzteres leben die Amis insofern aus, als dass sie irgendwas von fucking Europe rumfaseln, so dass man sie am liebsten in den nächsten Flieger setzen und auf George W. Bushs Ranch in Texas Kuhmist rumkarren lassen würde.
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Spielerisch wirken SAPROGENIC trotz Headbanging eher lustlos. Zwar spielen sie in Songs wie Entangled, The End oder Occular Desication nicht völlig aneinander vorbei und können einige musikalische Fingerzeige in Richtung alte CRYPTOPSY oder ORIGIN anbringen. Aber insgesamt ist die SAPROGENIC-Mucke zu verzerrt und shredderig, wirkt manchmal unsauber und schlicht und ergreifend zu wenig speziell. Seis drum, an die zehn Headbanger schaffen es dennoch auf die Bühne zu einem Zeitpunkt und stürzen sich danach stagedivend zurück ins Publikum.
Anders als SAPROGENIC scheinen INHERIT DISEASE sichtlich angetan davon zu sein, in Europa zu spielen – ist es doch eine Premiere für die Brutal Death Metaller aus Kalifornien. Ihre Mucke stumpf, ohne Trumpf zu sein – mit anderen Worten: komplett austauschbar.
Dieser Eindruck manifestiert sich sowohl bei Tracks des Procreating An Apocalypse-Albums – etwa Imprisoned and afflicted by aberration, Catathymic rage, Procreating an apocalypse oder dem abschliessenden Dissimulate invalidity – sowie bei Songs des aktuellen Outputs Visceral Transcendence.
INHERITDISEASE_mod2010_vonAndreasSzabo 
Ihr 2010er Werk stellen INHERIT DISEASE mit Beyond the tyranny of entropy, Hivemind, Nanoscourge und Sentinent Horror vor und erinnern hier und da an Bands wie SUFFOCATION oder DEICIDE. Trotz anständigem Handwerk von Seiten INHERIT DISEASE – die Vorfreude auf die eigenständige Band NECROPHAGIST verwandelt sich mehr und mehr in Sehnsucht, da man der charakterfreien Bands mehr und mehr müde wird.
The stillborn one, Foul body autopsy, Only ash remains, Diminshed to b, Epitaph, Extreme unction, Stabwound, Intestinal incubation, Ignominious and pale, Fermented offal discharge – NECROPHAGIST wissen, was sie tun. Immer. An ihren Instrumenten sind die Deutschen völlig verdient die Platzhirsche der Tech Death-Szene, und sie machen keine Anstalten, ihre Position aufzugeben.
NECROPHAGIST_mod2010_vonAndreasSzabo 
Kalt mögen sie sein, emotionslos, perfektionistisch. Aber gleichzeitig sind die eigenständig, anders und man kann sich ihre Songs – trotz Komplexität – eben doch merken. Bassist Stefan Fimmers motiviert mit seinem Spiel dazu, nach Hause zu gehen zu wollen um zu üben, die Gitarrenfraktion um Muhammaed Sicmez und Sami Raatikainen ist eh unantastbar und die Drums von Romain Goulon passen ebenfalls überall wie geschmiert zum Rest. NECROPHAGIST sind eine Klasse für sich, und sie wissen es.
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Der Moshpit ist entsprechend in Aktion und lebt vor allem bei Stücken des Onset Of Putrefaction-Albums auf, während die kopflastigen Musiker im Publikum sich an jedem Ton von Epitaph laben, als wäre es Nektar aus dem Paradies. Einziger Kritikpunkt ist erneut, dass NECROPHAGIST keinen neuen Song spielen – doch, oh Wunder: Nächstes Jahr soll endlich das neue Album kommen. Man darf mehr als gespannt sein nach diesem gewohnt routinierten, starken Auftritt!
Nach KERRY AND THE LAYZERS und NECROPHAGIST wird weit nach Mitternacht klar, wer die dritte Beste Band des Festivals ist: MACABRE. Wie immer mit reichlich Humor und Spielfreude gesegnet reissen die Amerikaner ihr Publikum mit auf einen wilden, abwechslungsreichen, ganz eigenen und galgenhumorigen Trip ins Land der Serienmörder und Absonderlichkeiten.
MACABRE_mod2010_vonAndreasSzabo 
Neben Zodiac, Trial, The Iceman und Night Stalker gibts mit Countess Bathory ein fulminantes VENOM-Cover zu hören. MACABRE feiern ihr 25jähriges Bühnenjubiläum mit gleichem Line Up und kündigen für dieses Jahr noch eine neue Albummörderschandtat an. Das Zusammenspiel sitzt wie der Humor, die Ansagen sind kurzweilig und sorgen für Gelächter und Amüsement. Ein neuer Song übers Verkaufen von Leichen für Autopsien schafft es ebenso ins Set wie der Scrub a dub dub-Track und mein Lieblingssong Serial killer. Kiss of death, Hitchhiker und Acid bath vampire sorgen ebenfalls für tüchtig Stimmung, so dass die Zugabe Ed Gein unumwindbar ist.
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MACABRE räumen tüchtig ab, stechen heraus, spielen klasse zusammen und machen einfach Spass. Und das ist mörderisch besser als das meiste Gemetzel des heutigen Tages…Geiler Gig!
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Mit BIRDFLESH ist dann eine spassige Grindcore-Truppe mit dem Rausschmeisser-Job beauftragt. Das Trio aus Südschweden nimmt die Aufgabe mit Humor wahr und reisst die Sickfucks nochmals mit in der alkoholgetränkten Nacht. Da wird gemosht zu Night of the ultimate mosh, gegrölt zu Fried eyes, gebangt zu Catmouth und nochmals tüchtig abgefeiert zu Organ smoothie, Goatrider und The triumph of grind vom aktuellen Album The Farmer`s Wrath.
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BIRDFLESH holen mit Witz und Klasse nochmals das Letzte aus den Anwesenden heraus – auch weit nach 2 Uhr morgens und nach der permanenten Krachbeschallung des Tages. Tja, Schweden machen eben nicht nur erstklassigen Death Metal, sondern auch coolen Grindcore. Heja BIRDFLESH!
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Die weitere Berichterstattung zum Festival entfällt aus Krankheitsgründen. In der Galerie finden sich jedoch Bilder des letzten Tages, da der Fotograph Andreas Szabo eine robustere Festivalkonstitution hat.

Layout: Arlette Huguenin Dumittan
Fotos und Titelbild: Andreas Szabo 
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