„Would You Love A Monsterman?”, wollten LORDI im Jahr 2002 auf ihrem Debütalbum “Get Heavy” wissen. Eine fast schon unschuldige Frage, die wir bereits vor über zwei Dekaden mit einem zögerlichen ‚Ja‘ beantwortet haben. Zögerlich, denn mit ihren Horroroutfits wirkten die Monster-Rocker auf unser junges Alter Ego gleichermaßen faszinierend wie einschüchternd.
Ein wenig Nostalgie schwingt also jedes Mal unweigerlich mit, wenn uns die Finnen über den Weg laufen. Das gilt natürlich auch für heute Abend, wo sich LORDI im Münchner Backstage eingenistet haben, um den neuesten Streich „Limited Deadition“ (2025) vorzustellen. Den Höhepunkt ihrer Popularität vor nicht ganz zwei Dekaden erreicht die Gruppe mit ihrem sage und schreibe 19. Album zwar nicht mehr, auf den harten Kern ihrer treuen Fangemeinde können die Musiker aber auch in der Millionenstadt zählen.
Wobei wir im Vorfeld trotz Oktoberfest mit leicht größerem Andrang gerechnet hatten: Links und rechts der gestuften Arena fungieren schwarze Vorhänge als Raumtrenner – und selbst damit könnte man kurz vor Showbeginn im Zentrum des Backstage Werks noch ungehindert die Picknickdecke ausbreiten.
BLOOD WHITE
Nicht die besten Voraussetzungen für den Anheizer BLOOD WHITE, der sich allerdings die Laune mitnichten vermiesen lässt. In punkto Spielfreude ist das Quintett tatsächlich weit vorne mit dabei; ähnlich wie im Ringen um ein schlüssiges Image. Die weißen Arztkittel lassen die roten Blutspritzer und anderweitigen Farbtupfer noch deutlicher hervorscheinen, während sich die einzelnen Mitglieder mittels unterschiedlicher Kopfbedeckungen ein wenig Individualität erlauben.
Von der Gasmaske über bleiches Corpsepaint bis hin zur Lupenbrille reicht das Repertoire, wobei jedoch Gitarrist DC Sparks Wahl eher leidlich originell an SLIPKNOTs Jim Root denken lässt. Die amerikanische Nu-Metal-Größe blitzt auch musikalisch in „Unholy Water“ hervor, nachdem das arg simple Chugging des Openers „Don’t Blame Me“ unsere Erwartungen zunächst etwas gedämpft hatten.
Kraftvoll im Auftreten bringen BLOOD WHITE schon früh etwas Bewegung ins Backstage
Klargesang streut Frontmann Dr. Zero wie in „Closer To The Sky“ nur selten ein, überzeugt aber selbst ohne größere stimmliche Variation allein durch die routinierte Bühnenpräsenz. Dass er mit den Münchner:innen vorwiegend Englisch spricht, mutet zwar etwas kurios an, letztlich spielt die potenzielle Sprachbarriere aber keine Rolle: Spätestens zu „Bloodified“ mehrt sich die Zahl der geballten Fäuste merklich und mit Nachdruck. Persönlich fehlt uns zwar hier und da die Finesse im Songwriting, doch live verfehlen BLOOD WHITE ihr Ziel keineswegs.
BLOOD WHITE Setlist – ca. 30 Min.
1. Don’t Blame Me
2. Unholy Water
3. Closer To The Sky
4. Get Up
5. Run Or Die
6. Bloodied
7. Guns And Fear
Fotogalerie: BLOOD WHITE















NULL POSITIV
Zwischen dem Headliner LORDI und BLOOD WHITE wirken NULL POSITIV fast schon handzahm, obwohl das Quartett seinerseits immer wieder härtere Töne anschlägt. Das spiegelt sich nicht nur in den drückenden Riffs des Alternative Metals, der in „Armageddon“ gar in einem satten Breakdown kulminiert, sondern auch in Elli Berlins durchaus starken Screams, welche allein von ihrer kraftvollen Singstimme in den Schatten gestellt werden.
Dass die Live-Performance der Gruppe stark auf die Frontfrau zugeschnitten ist, versteht sich daher von selbst: Während Gitarrist Bene und Bassist Manu auf den Brettern beherzt, doch unaufdringlich agieren, genießt ihre Kollegin das Rampenlicht, indem sie selbstbewusst und charismatisch die Blicke auf sich zieht. Wohl auch deshalb legt Elli Berlin den modischen Hut schon im ersten Song ab, damit die türkisfarbenen Dreadlocks ungehindert in hohem Bogen durch den Raum fliegen können.
NULL POSITIV springen munter zwischen den Spielarten des Genres hin und her
Stilistisch springen NULL POSITIV so munter zwischen den Spielarten des Genres wie ihre Fans zum Djent-Riffing von „Ich brech aus“. Laut-leise-Dynamik und ein Touch Neue Deutsche Härte komplettieren den Song, der so im krassen Gegenteil zu „1000 Meilen“ steht, wo der Refrain bald schon schlagereske Züge annimmt. Die LORDI-Fans holt man im Laufe der 45 Minuten trotzdem Stück für Stück ab, so dass sich NULL POSITIV in der abschließenden Hymne „Freiheit“ beim Blick in die Arena über ein kleines Händemeer freuen dürfen.
NULL POSITIV Setlist – ca. 45 Min.
1. Was bleibt von uns
2. 1000 Meilen
3. Armageddon
4. Friss dich auf
5. Kollaps
6. Koma
7. Ich bin hier
8. Ich brech aus
9. Freiheit
Fotogalerie: NULL POSITIV










LORDI
Ob auf der großen Festivalbühne oder im heimeligen Club: LORDI sind stets wahre Entertainer. Der Torbogen in der Mitte der Bühne zwischen Schlagzeug und Keyboard hat daher über den visuellen Aspekt hinaus einen weiteren Zweck. Er dient dem Frontmann als Rückzugsort und ermöglicht selbst während des Sets den fliegenden Wechsel zwischen effektgeladenen Utensilien und Showeinlagen. Dabei spielt die finnische Truppe natürlich mit den geläufigen Stereotypen des Horror-Genres, was passenderweise bereits der Opener vorgreift.
„Legends Are Made Of Clichés” heißt es dort, bevor Sänger Mr. Lordi im Folgenden „Girls Go Chopping“ zur Beil-Attrappe greift, um der ersten Reihe mittels Blutspritzern ein adäquates Make-up für die kommenden knapp anderthalb Stunden Musik zu spendieren. Somit passt dann letztlich auch die Fangemeinde optisch zur aufwendigen Kostümierung der Band, die sich mit dem neuen Albumzyklus optisch einem kleinen Makeover unterzogen haben. Detailverliebt und grässlich bleiben die Monster auf den ersten Blick dennoch: So wie wir es natürlich kennen und lieben.
Insgesamt vier Solo-Einlagen integrieren LORDI nahtlos in ihre Show
Das bezieht sich auch auf gewisse Eckpfeiler der Show wie das früh gespielte „Who’s Your Daddy?“, bei dem Frontmann Mr. Lordi die CO2-Kanone ins Publikum richtet, bis im Finale sogar etwas Flitter auf die ersten Reihen herabregnet. Dass sich zwischen die einzelnen Tracks insgesamt vier Solo-Darbietungen einfügen, hätte uns eigentlich mit den Augen rollen lassen, wäre da nicht einerseits die dramaturgische Notwendigkeit, um den Umbau hinter der Bühne zu überbrücken, sowie andererseits die durchaus kurzweilige Inszenierung.
Drummer Mana etwa flirtet mit der „Knight Rider“-Titelmelodie, bis im Finale hinter ihm gar ein an HR Giger angelehntes Monster zum Leben erwacht. Hellas Keyboardeinlage wiederum leitet sie durch einen berühmten Zaubertrick ein, nur dass die Machete in Abwesenheit der Holzkiste letztlich direkt durch den Kopf des Probanden führt.
Den neu erstandenen Teleprompter nutzt Sänger Mr. Lordi für eine kurze Stand-up-Routine
Zu sehen gibt es also eigentlich immer etwas, zumal Mr. Lordi auch in neuem Material wie „Fangoria“ gerne mal eine alte Requisite reaktiviert. Von der rauchenden Kettensäge bis zum leuchtenden Schädel während der Rarität „Call Off The Wedding“ dürfen wir uns über zahlreiche kleine Einlagen freuen. Möglich werden Deep Cuts wie dieser oder „Girl In The Suitcase“ im Übrigen durch die neueste Errungenschaft des Frontmanns: Er sei nun stolzer Besitzer eines Teleprompters lässt der Sänger wissen, nur um den folgenden Applaus mit verdutzter Miene zu quittieren. Man bejuble gerade seine Faulheit, schiebt er trocken hinterher.
Die Lacher jedenfalls hat der Bandkopf schnell auf seiner Seite, obwohl er ansonsten auch gerne dieselben Witze aufkocht, die er schon vor sechs Jahren bis zum Erbrechen totgenudelt hat. Platz für Spontaneität bleibt dennoch, als Mr. Lordi etwa in der ersten Reihe einen Besucher erblickt, der seinem Roadie wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Neben einem Plektrum als Geschenk werden nach der Show beide noch für ein gemeinsames Foto posieren. Das ist ähnlich sympathisch wie das ungezwungene Stageacting der Band selbst, wo man sich selbst für den einen oder anderen Streich nicht zu schade ist.
Zum Finale reihen LORDI ihre größten Hits aneinander
So blockieren Bassist Hiisi und der sonst unermüdliche Gitarrist Kone während der neuen Single „Hellizabeth“ wie zufällig Mr. Lordis sarkastisch betitelte „Karaoke-Maschine“. Es ist nur ein kleines Detail am Rande, belegt aber den Spaß der Musiker, von dem nicht einmal der namengebende Geist ablenken kann, der per Teleskoparm plötzlich aus dem Hintergrund nach vorne schießt. Gleichzeitig markiert der Track den letzten neuen „Scheiß“, wie es LORDI liebevoll betiteln.
Große Einwände haben die Münchner Fans ob dieser Ankündigung freilich nicht, denn auch wenn es durchaus starkes aktuelles Material gibt, fehlen zu diesem Zeitpunkt noch so einige unabdingbare Klassiker im aktuellen Set. Die finale Strecke läuten LORDI mit dem großartigen „Blood Red Sandman“ ein, bevor sich zum Evergreen „Devil Is A Loser“ abermals die Flügel des Sängers weiten dürfen. Haben die Monster-Rocker eigentlich überhaupt schon mal einen Gig ohne den Song beendet? Wir können uns jedenfalls nicht daran erinnern. Warum der Track ähnlich wie „Would You Love A Monsterman?“ zum unabdingbaren Repertoire gehört, ist derweil schnell erklärt.
LORDI suchen unablässig den Kontakt zum Publikum
Die ohnehin gute Stimmung im Backstage Werk erreicht schlagartig neue Sphären, als die Münchner:innen plötzlich jede Silbe des Frühwerks lauthals mitsingen und damit sogar den Teleprompter ablösen, der für den finalen Akt vorzeitig in den Ruhestand geschickt wurde. Dieser Enthusiasmus springt sodann auch auf LORDI selbst über, die plötzlich noch intensiver den Kontakt zum Publikum suchen. Bassist Hiisi wirft den vorderen Reihen nicht nur ein Plektrum nach dem anderen zu, auch sein mit beiden Händen geformtes Herz wird von dort umgehend erwidert.
Bevor sich LORDI allerdings aus der bayerischen Landeshauptstadt verabschieden, fehlt natürlich noch „DER Song“, wie ihn der Frontmann selbst bezeichnet. „Hard Rock Hallelujah“ bedeutet selbst 19 Jahre nach dem ESC-Sieg ein letztes Mal volle Ekstase und glückliche Gesichter sowohl in der Menge als auch unter den Masken. Dessen sind wir uns sicher, denn eine deutlichere Antwort auf die anfangs gestellte Frage kann man als optisch furchteinflößender Monstertrupp kaum bekommen.
LORDI Setlist – ca. 85 Min.
1. Legends Are Made Of Clichés
2. Girls Go Chopping
3. Who’s Your Daddy?
4. Drum Solo
5. Fangoria
6. The Riff
7. Girl In A Suitcase
8. Keyboard Solo
9. Syntax Terror
10. Call Off The Weddding
11. Retropolis
12. Hellizabeth
13. Bass Solo
14. Blood Red Sandman
15. Guitar Solo
16. Devil Is A Loser
17. Would You Love A Monsterman?
18. Hard Rock Hallelujah
Fotogalerie: LORDI
























