INFERNO FESTIVAL 2010: Oslo, Rockefeller / John Dee: 01.04. – 03.04.2010

Superbe Musik, edle Location – das elitärste Metal-Festival feiert sein 10jähriges Jubiläum.
 

Das INFERNO FESTIVAL in Oslo an Ostern darf man mit Fug und Recht als elitäres Festival bezeichnen. Oder als Festival für gereifte Metaller. Egal, es funktioniert seit zehn Jahren. Allein der Preis des Dreitagestickets (155 Euro), die Bierpreise (7.666 Euro für 4 Deziliter) und die Oslo-üblichen Hotelpreise rechtfertigen diese Einschätzung. Flug und Essen kommen natürlich auch noch dazu und Oslo wird – anders als etwa Kopenhagen oder Stockholm – weitaus seltener direkt angeflogen.

Längst geht es schon vor Gründonnerstag rund in der norwegischen Hauptstadt. Neben dem WARDRUNA-Konzert spielen an der Clubnight am Mittwochabend Bands wie TORTURE DIVISION, SHINING (NO), KVELERTAK oder VOMITORY in verschiedenen Spielstätten rund um das Rockefeller. Diese Gigs verpasse ich aufgrund der Pflicht zur Finanzierungsbeschaffung (lies: ich musste arbeiten am Mittwoch weil irgendwoher muss die Kohle für das Festival ja kommen).

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Nobelhotel goes (Black) Metal: Eingang des Festivalhotels Christiania in Oslo 

Am Donnerstagnachmittag richten sich die INFERNO FESTIVAL-Organisatoren im zentral gelegenen (zweimal über die Strasse stolpern vom Bahnhof aus) Festivalhotel Christiania ein. Man schreitet durch die glänzende Drehtür, Marmorboden und – IRON MAIDEN aus der Hotelmusikanlage. Nix Easy Listening, nix Endlosjazzschleife – das INFERNO FESTIVAL hat das Vier Stern-Nobelhotel für sich eingenommen und SLAYER tönen ebenfalls aus den Boxen. Poster von vergangenen Festivalausgaben, überall Metaller – und freundliche Rezeptionsmitarbeiter, die genau wissen, dass an diesen Tagen nur schwarzangezogene Langhaarige ihr Hotel bewohnen. Ein bizarres Gefühl, unter diesen Umständen einzuchecken und sich die Festivalbändchen zu holen. Und dass die Bands ebenfalls im Christiania einquartiert sind, macht die ganze Erfahrung nur noch spannender. Welchem satanischen Katzenschlachter wird man am Morgen im Lift begegnen? Wer huscht spät nachts runter, um sich Kaffee zu holen? Und wer kommt der Aufforderung Hoes and cameltoes, welcome in an der Zimmertür 457 nach?

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Donnerstag, 01.04.2010AS

Um 17 Uhr ist Türöffnung im Rockefeller und viele Besucher wollen so früh als möglich im Festivaltempel sein. Um die Ecke hats gleich zwei vietnamesische Restaurants mit anständigen Preisen (wenn es nicht Döner sein soll) und so kann man sich frisch gestärkt dem umfangreichen Merchandiseangebot widmen. Die Preise sind skandinavisch-happig, aber vom Gummi-Glow-In-The-Dark-Fingerzombie über Nietengürtel, DVDs, Edelausgaben der Divine Comedy bis zum alten Kultshirt gibts alles zu kaufen. Am interessantesten sind die Angebote vom norwegischen NESEBLOD-Shop, wo man nicht nur ein Drep de Kristne-Shirt als Flagge hinten an der Wand begutachten, sondern auch gepflegt schwarzmetallisch fachsimpeln kann.

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Der Stand des schwedischen BLACK SHADOWS-Tattoo-Studios 

Im Raum zwischen John Dee-Treppe und Rockefeller Saal haben sich einige Tätowierer eingerichtet, unter anderem das schwedisch-südamerikanische BLACK SHADOWS-Tattoostudio, welches Mitglieder von NECROPHOBIC, BEHEMOTH und WATAIN zur Stammkundschaft zählt und sich primär auf realistische Monstertattoos spezialisiert hat. Gleich daneben gibts den Merchandise der Festivalbands zu kaufen. Die Qualität ist ausgezeichnet, die Girlies so geschnitten, dass man auch C-Brüste reinkriegt ohne bauchfrei tragen zu müssen und der einzige Negativpunkt ist das Fehlen von OBSCURA-Merchandise.

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Rauchen, Barbecue, Fachsimpeln – die Dachterrasse des Inferno Festivals 

Auf der Dachterrasse des Rockefellers gibts noch einen Grill und zahlreiche Raucher – denn wie in Schweden gilt in Norwegen Rauchverbot. Somit kann einem höchstens die Puste vom Headbanging ausgehen, aber nicht, weil man keine saubere Luft mehr zu schnaufen kriegt. Ausserdem sind im Rockefellersaal drin etliche edle, schwarze Ledersofas am Rand aufgestellt – wer zu Beginn des Black Metals dabei war, ist nicht mehr 20, und manchmal will man eine Band einfach gediegen geniessen… Ein Hinweis mehr auf den Erwachsenenfestival-Anstrich des INFERNOs, ein Festival, auf das man wegen der hohen Musikqualität geht und nicht, um sich das Hirn wegzusaufen, weil die Bands so schlecht wären…

NIFROST

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Norwegerpullis sind Metal: Kjetil (NIFROST) 

Die bandtechnische Eröffnung des INFERNOs fällt traditionellerweise einer jungen Band zu und dieses Jahr sind es die Norweger NIFROST, welche die kleine Bühne im John Dee um 17:45 Uhr entjungfern. Das Quartett wirkt nervös – hat man doch erst grad das Demo Myrket er Kome fertiggestellt – aber gleichzeitig sympathisch, weil sie ihre Rührung ob der Eröffnungsehre überhaupt nicht verstecken.

Die anwesende Meute ist bereits beachtlich und heisst NIFROST herzlich willkommen – schliesslich weiss man, dass die Organisatoren in Sachen Eröffnungsbands ein gutes Händchen haben und nur Qualitätsware berücksichtigen. Stilecht im Norwegerpulli, Outdoor-tauglichen Hosen und Wanderschuhen beginnen NIFROST ihr Set – und spätestens, wenn die wehmütigen Melodien einen packen, die schwarzmetallische Rauheit durchschlägt und die 2005 gegründete Truppe sowohl herben, wie auch superben cleanen Gesang bietet, flammt der Gedanke an die Vorbilder WINDIR auf. Daran sind zum einen die Melodien schuld, aber zum anderen einfach die Fähigkeit NIFROSTs, diese herbe Wehmut heraufzubeschwören. Schon im Opener kristallisiert sich heraus, dass hier was Edles am Wachsen ist…

Im zweiten Song zeigen sich NIFROST dann von der etwas technischeren Seiten und Gitarrist Eyvind übernimmt die Haupt-Vocals. Interessanterweise verzichtet die Band auf eine Frontmannpersönlichkeit – so scheint es zumindest – und lässt lieber die Musik anstelle der Bindung an eine Person sprechen. Ei Vinternatt, Aatak, Til Nivlheim Kalde und Blodmenn I Strid überzeugen allesamt. Gewürzt mit Hej – hej – hej, einigen Yeee-haaas (all hail Black Metal Country) ziehen NIFROST das Publikum auf ihre Seite und werden völlig zurecht gefeiert. Eine Folk Black Metal-Band mit Feuer im Hintern – ab dem vierten Song dann halt ohne Norwegerpulli, denn es kommt nicht nur im Publikum Hitze auf…

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Folk Metaller mit Herzblut: Kjetil (NIFROST)

Der Abschluss bietet das einzige Lied mit englischen Lyrics – No place for the warmer heart und NIFROST zeigen mit ihrem gelungenen Gig, dass Folk Black Metal-Fans sowie Anhänger von WINDIR, COR SCORPII oder MYRKGRAV sie definitiv antesten sollten. Ein rundum toller Auftakt des Festivals!

MADDER MORTEM

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Auch um düsteres Swingen à la DIABLO SWING ORCHESTRA nicht verlegen: MADDER MORTEM 

Nachdem mir Eight Ways von den GRIFTEGÅRD-Doomern empfohlen worden ist und der Re-Release von Deadlands einen guten Eindruck hinterlassen hat, bin ich auf das MADDER MORTEM-Konzert gespannt. Das INFERNO FESTIVAL lässt auch nicht-schwarzmetallische Bands aufs Billing und im Falle von MADDER MORTEM wird der düstere Grundton und die spezielle Atmosphäre auf jeden Fall gewahrt.

Das ist auch beim Auftakt auf der grossen Rockefeller Bühne nicht anders. Zwar ist der Saal noch nicht voll, aber die mit VENOM-, DARKTHRONE– (Canadian Metal) und ENSLAVED-Zwischensounds erfreute Meute lässt sich von der Truppe um die charismatische Frontfrau Agnete sogleich in ihren Bann ziehen. Die ruhige, doomige Düstermetallmucke fliesst über das Publikum, Agnete – sehr stilvoll im kleinen Schwarzen – wiegt sich im Takt und man merkt, dass hier eine Band mit Leib und Seele bei der Sache ist und in ihrer eigenen musikalischen Welt agiert. Gleichzeitig merkt man hier auch die Live-Routine, denn MADDER MORTEM bewegen sich auf der grossen Bühne, als würden sie nie was anderes tun.

Settechnisch liegt der Schwerpunkt auf dem aktuellen Album Eight Ways, das mit den Songs Formaldehyde, The Flesh, The Blood And The Man, Life, Lust & Liberty sowie dem abschliessenden A Different Kind Of Hell vorgestellt wird. Das Desiderata-Album kommt mit M for Malice zum Zug, von Deadlands gibts Faceless, All Flesh is Grass offeriert Breaker of Worlds und von der neuen EP spielen MADDER MORTEM The Purest Strain. In bläulich-grünem Licht schwelgen MADDER MORTEM in der Melancholie, erinnern hier und dort an vergangene Zeiten von THE GATHERING und lassen dennoch ein Hintertürchen offen für Humor: We gotta do this in English because there a lot of foreign people here erntet Schmunzeln, genauso wie die Ansage, dass Life, Lust And Liberty ja eigentlich diametral zum Festivalspirit stehe. Dem Publikum ist das egal, Agnete springt auch mal zu ihrem Gitarristen hin und ganz gross trumpfen MADDER MORTEM – die just wie das INFERNO FESTIVAL ihr zehnjähriges Jubiläum feiern – auf, wenn die Bassgeige zum Zug kommt und sie à la DIABLO SWING ORCHESTRA durch ihre dunklen Passagen swingen und grooven. Vereinzelt verführt das gar Black Metaller zum Mittanzen – von wegen verschränkte Arme und in der Ecke stehen… Insgesamt also ein wirklich schöner Auftritt!

SVARTTJERN
Schön ist wohl eines der Wörter, das SVARTTJERN so sehr mögen wie der Teufel das Weihwasser – dafür braucht man sich nur das Tamponexplosionscover ihres aktuellen Albums Misanthropic Path Of Madness anzugucken. Musikalisch pflegen die Norweger ebenfalls ein härteres, hässliches Pflaster – und legen nach einem etwas zu langatmigen, elektronischen Intro los mit ihrem unbarmherzigen Black Metal.

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Räudige Riesenspikes und blasphemisches Brüllen: HansFyrste (SVARTTJERN) 

Dieser deckt sämtliche To Do-Punkte auf der Klischeeliste ab. Raserei und Ruppigkeit statt Melodie bestimmen das Klangbild, Blut, Corpsepaint, Riesenspikes und ein blondes Strichmännchens, das sich – durchaus aufreizend mit Lebenssaft beschmiert – die verkaufte Seele aus dem Leib brüllt. Warum der eine Gitarrist ein schwarzes X auf der Stirn hat, bleibt indes ein Mysterium – keine Ahnung, ob ihn die horrenden Bierpreise zum Straight Edger gemacht haben. Finally The World Shall Shape, Ancient Shadows Revelation und alle Songs von SVARTTJERN haben allerdings ein anderes Problem als die Getränkepreise: Sie hinterlassen keine bleibende Wirkung. So unerbittlich und krass SVARTTJERN auch holzen mögen – anders als die stilistisch verwandten MARDUK fehlt es den Norwegern einfach am gewissen Etwas und an kompetentem Songwriting… Höchste Zeit also, sich durchs Nadelöhr die Treppe hinaufzuquetschen um den nächsten Auftritt im Rockefeller nicht zu versäumen.

EYEHATEGOD

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Spielerisch okay, stilistisch ein Fehlgriff: EYEHATEGOD 

Leider lohnt sich diese Eile nicht – denn mit EYEHATEGOD haben sich die Veranstalter zwar auch stilistisch was getraut, aber leider in den falschen Topf geschmissen. Amerikanisch arrogant wirken die Sludge / Doom Metaller aus Louisiana. Dass ihr Sound deplaziert ist, fällt nicht nur an dem lediglich unter Höflichkeitsapplaus einzuordnenden Publikumsfeedback auf – nein, die Band merkt es wohl irgendwann selber auch ein bisschen und der Sänger – was das Police-Shirt soll, weiss ich nicht – realisiert diesen Umstand wohl auch, als er die Three, no seven, oh maybe ten people who are here because of us anspricht.

Spielerisch sind EYEHATEGOD durchaus solide unterwegs, was angesichts der technisch nicht gerade anspruchsvollen Riffs indes keine allzu grosse Kunst sein dürfte. Etliche Wiederholungen, lediglich vereinzelt interessante Bluespassagen und der grausige Brüllgesang lassen etliche Schwarzmetaller völlig zurecht verfrüht ins John Dee runterpilgern. Da nützt es auch nix, wenn Michael Williams den EYEHATEGOD-Musikstil als Black Metal from the Ghetto, that`s what we are. White Trash Metal (ja, kein th) deklariert und auf Songansagen verzichtet, denn EYEHATEGOD sind hier und jetzt einfach nur langweilig und komplett überflüssig. Schade, denn aus New Orleans kommt sonst wesentlich bessere Musik.

DEMONIC RESURRECTION
Wesentlich bessere und interessantere Musik kündigt sich auch unten im John Dee Club an. DEMONIC RESURRECTION – die schon auf dem METALMESSAGE III-Sampler positiv hervorstachen – haben den weiten Weg von Indien nach Oslo hinter sich gebracht und beginnen ihre Show mit einem episch-flächigen Keyboardintro. Der Triggersound wäre zwar nicht nötig gewesen, aber dafür klappt das synchrone Frontreihe-Headbanging bei den Indern ausgezeichnet und auch Keyboarder Mephisto lässt kräftig die Matte kreisen.

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Archaische Riffs aus Indien: DEMONIC RESURRECTION 

Geboten wird zackiger Black Metal, angereichert mit Keyboardparts, die man vor 15 Jahren gerne in Norwegen kredenzte. DIMMU BORGIR kann man mit gutem Gewissen als Parallele nennen, zumal DEMONIC RESURRECTION cleane Vocals wie zu Spiritual Black Dimensions-Zeiten ebenfalls zum Besten geben. Hier und da flechten die Inder auch ein paar technische Raffinessen ein, grössenteils wirkt ihr Sound jedoch fast schon archaisch, als wäre die Zeit in den Endneunzigern stehen geblieben.

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Keyboardheadbanger: Mephisto (DEMONIC RESURRECTION) 

Die Reaktionen des Publikums sind indes positiv. Zwar feiert man DEMONIC RESURRECTION weniger ab als die Landsmänner SVARTTJERN, aber spätestens als die Inder erwähnen, woher sie kommen und We love Norway and the cold feststellen, haben sie die Sympathien auf ihrer Seite und heftiges Gejohle ertönt aus dem Publikum. Settechnisch berücksichtigen DEMONIC RESURRECTION primär ihr aktuelles Werk The Return To Darkness, das unter anderem mit den Songs The Warrior`s Return und The Unrelenting Surge Of Vengeance vorgestellt wird – für letzteren Track gibts ein Video auf Youtube, welches DEMONIC RESURRECTION gleich noch bewerben. Man merkt ihnen an, wie unglaublich sie die Erfahrung INFERNO geniessen und wenn sie erwähnen, wieviel sie vom Festival via Internet mitbekommen haben, dann sieht man plötzlich wieder die positive Seite des Internets für die Metallerwelt – und vergisst die ganze Downloadproblematik. Ohne Vernetzung würde eine Band wie DEMONIC RESURRECTION kaum Parallelen zu CRADLE OF FILTH verarbeiten oder eben – an diesem Festival auftreten.

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Überzeugen ohne Exotenbonus: Sänger The Demonstealer (DEMONIC RESURRECTION)

Insgesamt als ein erfrischender Auftritt, ohne Corpsepaint aber dafür inklusive Exotenbonus und ganz viel Herzblut – DEMONIC RESURRECTIONs Gig macht definitiv Lust auf mehr!

BELPHEGOR

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Musikalisch professionell, Ansage-sprachlich ein Durchfall: BELPHEGOR 

Ungeduldig erwartet werden mittlerweile BELPHEGOR und man merkt, dass das Publikum im Rockefeller nun weder MADDER MORTEM-Schmusekurs noch EYEHATEGOD-Ausfall mehr will, sondern satanisches Schnellschwermetall aus Österreich. Das Intro aus dem Eyes Wide Shut eröffnet den BELPHEGOR-Gig, blutverschmiert und in Vollmontur erscheinen Helmuth und seine Gefolgschaft auf der grossen Bühne. Gedränge herrscht, alle wollen was sehen, wollen möglichst nahe dran sein, wenn die BELPHEGOR in rotes Licht getaucht wie Dämonen erscheinen.

Die Show startet erwartungsgemäss und bietet keine Überraschungen. BELPHEGOR rasen sich durch ausgewählte Stücke der eigenen Diskographie und leisten sich in Songs wie Justine: Soaked In Blood (vom Bondage Goat Zombie-Album), Veneratio Diaboli – I am Sin (aus Walpurgis Rites – Hexenwahn-Zeiten), oder Lucifer Incestus keine Patzer. Selbst auf der Empore stehen alle INFERNO FESTIVAL-Gänger und zu den kurzen langsameren Parts werden fleissig die Hände gereckt und hoi hoi hoi gerufen.

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Musikalisch in Ordnung, ansagetechnisch unterirdisch: BELPHEGOR 

Warum jedoch Leute selbst hinten beim Mischpult meinen, mit einem Mobiltelefon Fotos machen zu können, bleibt mir ein Rätsel – beziehungsweise, warum sie nicht schnallen, dass es nicht funktioniert, wenn sie es schon einen halben Gig lang versuchen. Wenns mit ner Canon Eos nicht geht, warum solls mit einem Nokiamobiltelefon gehen? Nervig, selbst bei BELPHEGOR.

BELPHEGOR selber machen jedoch noch etwas, was von keiner Mobiltelefonfilmflachzange berücksichtigt wird – peinliche Ansagen. Helmuth ist nun wirklich ein gestandener Mann, die Alben sind gespickt mit Lateinvokabeln und die Musik ordentlich gemacht. Aber wie kommt es, dass sich sein Englischvokabular – inklusive Arnold Schwarzenegger-Akzent – auf Maserfaacker, Ju goddäm maserfaackers, Ju got it, maserfackers, ju ar redi for Luzifär, ässhoorbitsch und ju goddäm fack beschränkt? Echt jetzt. Irgendwann ist der Gedanke, eine Strichliste zu führen, verführerischer als Evas Apfel im Paradies und dafür müssen sich BELPHEGOR noch nicht mal ausziehen. Peinlich. Da ist auch Helmuths Henkersmaske am Schluss nicht mehr zur Versöhnung gut. Beim Publikum kommt der Gig an, aber mir ist das Vokabular zu sehr Hip Hop aus dem Höllengebirge.

SPEARHEAD
Danach ist es Zeit für SPEARHEAD, die für die krankheitshalber ausgefallenen THE PSYKE PROJECT im John Dee Club einspringen. Die Briten spielten schon am Vortag an den Clubnights und sind noch immer in ruppigen Black / Death Metal-Gefilden unterwegs. Leider haben SPEARHEAD die Schwächen im Songwriting, die schon 2008 am Gig mit NIFELHEIM in Helsinki auffielen, noch immer nicht ausgemerzt. Noch dazu sind sie untight – was das Make it or break it-Argument für die Prügelfanatiker sein dürfte.

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Brutal aber untight: SPEARHEAD 

Die Songs vom aktuellen Album Decrowning the Irenach nützen hier wenig – viele ergreifen völlig zu Recht die Flucht aus dem anfangs prall gefüllten John Dee Club und genehmigen sich oben im Merchandise-Areal ein teures Bier oder Schwätzchen bei den anwesenden Tattoo-Künstlern. Oder sie schauen mit grossen Augen zu, wie sich jemand das neue (!) IMMORTAL-Logo auf den Unterarm tätowieren lässt. Das ist zwar auch nicht schön, aber auf jeden Fall schockierend-spannender als der SPEARHEAD-Auftritt.

FINNTROLL
Überhaupt bricht jetzt eine harte Zeit an für die hartgesottenen INFERNO FESTIVAL-Gänger. Da SPEARHEAD nicht für die nötige Prügelbefriedigung sorgen, wird die Durststrecke dank FINNTROLL zur Realität. Denn die Mitsing-freundlichen, fröhlichen Finnen sind zwar extrem populär – entsprechend rappelvoll ist die grosse Rockefeller Venue – aber für Black Metaller allzu sehr Mainstream.

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Fröhliche Feststimmungsmacher: FINNTROLL 

Den Anwesenden Fans ist das schnurz. Fleissig wird oooh-ooooh-ooooh mitgesungen, egal ob Stoff vom Ur Jordens Djup-Album oder vom aktuellen Werk Nifelvind. Schunkelstimmung, Akkordeonsoundsexstase und FINNTROLL liefern eine schnörkellose, coole Show ab. Klar sind die Finnen routiniert – Headbanging, ein imposantes Backdrop mit zauberhafter Waldfrau und Motivationsansagen à la We wanna see all those hands in the air or vad tycker du?. Die Fans brüllen heftig mit und obwohl es keine Crowdsurfer gibt, so herrscht in den vorderen Reihen einiges an wilder Bewegung.

Für die eingefleischten Fans haben FINNTROLL dann noch eine selten gespielte Überraschung im Ärmel: Vätteanda vom ersten Demo Rivfader schafft es ebenfalls auf die gut durchmischte Setliste. Am Ende sind viele frohe und verschwitzte Gesichter im Rockefeller auszumachen und FINNTROLL können einen guten Gig für sich verbuchen.

NACHTMYSTIUM

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Beton, Asphalt, Wald, Holz, Satan freie Assoziation zu NACHTMYSTIUM – die überzeugen

Die Griesgramfraktion hat sich inzwischen längstens ins John Dee zurückgezogen um den dortigen Headliner NACHTMYSTIUM fern der FINNTROLLschen Fröhlichkeit zu erwarten. Die Amis starten ihren Gig entsprechend unheimlich in beinahe absoluter Dunkelheit. Das unfröhliche Publikum lässt sich zum Jubeln hinreissen und NACHTMYSTIUM zu Ghosts Of Grace vom letzten Album Assassins: Black Meddle Part I.

Die Interaktion mit dem Publikum geschieht einzig über die Musik, oder wie es ein Kenner zusammenfasst Musik zum Hören, aber nicht zum Sehen. Kurz darauf fangen ihn die psychedelischen Stränge NACHTMYSTIUMs und mein Schreibblock wird zur Kritzelfläche für die freien Assoziationsworte Beton, Asphalt, Wald, Holz, Satan. Eine passende Zusammenfassung des Dargebotenen. Auch wenn NACHTMYSTIUM im zweiten Song auf ein ständig wiederkehrendes, simples Riff setzen, so verfallen sie nicht in banale Einfachheit, sondern verweben traditionelle Schwarzmetall-Klänge à la TAAKE oder SATYRICON mit schwebender Rohheit.

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Keine Musik fürs Auge: NACHTMYSTIUM 

A Seed for Suffering vom Instinct: Decay-Output schafft es ebenfalls in die Setliste und NACHTMYSTIUM begnügen sich mit minimaler Bühnenaktivität, ordentlichem Handwerk und langen, dunklen Passagen – letzteres bezieht sich nicht nur auf die Musik, sondern auch auf die bevorzugten Lichtverhältnisse der Amerikaner.

We are chosen by no one mögen NACHTMYSTIUM zwar deklarieren, aber je länger sie ihre eigenwillige Mischung aus gewollter Monotonie und progressiven Ausbrüchen – von der in der vordersten Reihe indes primär sandstrahlermässiger Matsch zu hören ist – desto mehr der Anwesenden werden von dieser Band überzeugt und merken sich mental wohl das am 8. Juni erscheinende Addicts: Black Meddle Pt. 2-Album me(n)tal vor. Die Band teilt mit, dass sie heute auch noch ihr zehnjähriges Jubiläum feiern und ein Grossteil des Publikums bleibt ihnen bis zur letzten verzerrten Note ihres Gigs treu – MARDUK hin oder her. Klare Sache – NACHTMYSTIUM können beim INFERNO FESTIVAL-Black Metal-Publikum mit ihrem überraschend überzeugenden Auftritt tüchtig abräumen.

MARDUK
Das schwedische Black Metal-Flaggschiff MARDUK stellt an diesem ersten Abend dann den Headliner auf der grossen Rockefeller Bühne. Wie am INFERNO 2006 lassen sich die gleichen Stärken und Schwächen ziehen: Sänger Mortuus hat sich definitiv zum eisigen Fronter gemausert – Black Metal-Attitüde satt, Publikumsinteraktion sekundär. Die Schwäche der zahlreichen Intros zeigen MARDUK auch 2010 – beinahe vor jeden Song rauscht es, wabern getragene Synthflächen. Richtig Stimmung macht das nicht, zumal sich die Intros allzu sehr gleichen und man locker einen richtigen Song mehr auf die Setlist packen könnte, wenn einige Intermezzi gestrichen würden.

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Satanische Panzerdivision: MARDUK

Aber seis drum. Die norwegische Black Metal-Meute ist durch NACHTMYSTIUM in gepflegt misanthropischer Stimmung und With Satan And Victorious Weapons würden sich wohl 99% der Anwesenden sofort auf die eigene Kriegsflagge schreiben. Schon als zweiten Song bringen MARDUK meinen Favoriten, On Darkened Wings vom Meisterwerk Those Of The Unlight – das Bass-Solo bleibt schlicht superb. Das Publikum reagiert entsprechend positiv und die Panzerdivision Marduk-Chöre tun ihr übriges für eine gepflegte Stimmung.

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Distanziertes Verhältnis zum Publikum: Mortuus (MARDUK) 


MARDUK
rasen und schleppen sich durch ihre Setliste, vermeiden Patzer und liefern einen guten, professionellen Gig ab – so wie man es von ihnen erwartet. Auf Show-Effekte verzichten die Schweden und bisweilen beschleicht einen der Eindruck, dass hier wohl ein Tick zuviel Routine vorhanden ist. Eine Ausnahme bietet wohl der Spickzettel zu Accuser / Opposer (vom Rom 5:12-Album), den Herr Mortuus sich auf dem Boden zurecht gelegt hat. Er ist wohl nicht der einzige, der mit ein paar der neuen Tracks noch nicht so ganz warm geworden ist… Seis drum – ihre Vormachtsstellung in Schweden haben MARDUK zurecht inne und die norwegisch-internationale Meute zollt ihnen Respekt. Für ein kollektives Ausflippen reicht es nicht, aber MARDUK bieten einen würdigen Abschluss dieses ersten Festivaltages.

Karfreitag, 2. April 2010AS

Gegen halb drei kommt man ins Bett, doch die Tore des INFERNO FESTIVALs öffnen sich ja erst gegen fünf Uhr nachmittags. Im Christiania Festivalhotel hat man die Frühstückszeiten entsprechend angepasst – sprich, bis 12 Uhr kann gefrühstückt werden, da dies dem Musikermetallerbiorhythmus weitaus mehr entgegenkommt als früher aufzustehen.

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Gediegen: Metallerfrühstücksidylle im Atriumsrestaurant des Festivalhotels 

Das Frühstücksbüffet sucht seinesgleichen und bietet alles von frischen Früchten, warmem und kaltem Fleisch über vegane Köstlichkeiten. Die Stimmung ist ebenfalls aussergewöhnlich, denn im gepflegten, hellen Atriumsrestaurant sitzen ausschliesslich Metaller. Ein verwaschenes Uralt-CARCASS-Shirt ist smart casual und statt Krawatten und Anzug symbolisieren langes Haar und Tätowierungen die aktuellen (Männlichkeits)statussymbole. Bei der Müslitheke kommt man mit Mitmetallern ins Gespräch, etwa mit den freundlichen Indern von DEMONIC RESURRECTION oder Labelvertretern. Frisch gestärkt gehts nochmals ins Hotelzimmer, um ein bisschen mehr vorzuschlafen – andere ziehts in die ebenfalls stattfindenden Kinovorführungen (The Misathrope oder Let the right one in werden unter anderem gezeigt) in der Nähe des Elm Street Pubs. Gegen fünf Uhr nachmittags ist es dann wieder an der Zeit, den kurzen Weg zum Rockefeller unter die bestiefelten Füsse zu nehmen…

THRONE OF KATARSIS

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I am the unholy sin – Grimnisse lebt den Black Metal-Spirit (THRONE OF KATARSIS) 

Hargh! Evil! Satan! Nachdem mich das Debüt An Eternal Dark Horizon und der Zweitling Helvete – Det Iskalde Mørket schwer im tiefschwarzen Black Metaller-Herz berührt haben, ist es selbstverständlich, dass der frühe Auftritt der norwegischen Schwarzmetall-Band THRONE OF KATARSIS einen ersten Höhepunkt des INFERNO FESTIVALs für mich darstellt. So trve und so norwegisch klingen THRONE OF KATARSIS – das also in Oslo höchstselbst zu erleben, führt schon zu Herzklopfen bei mir.

Und THRONE OF KATARSIS bieten genau die Show, die man als geneigter Misanthrop von ihnen erwartet. Bocksteif stehen Fronter Grimnisse und Basser Morten da. Null Regung und absolut (aber wirklich absolut) keine Kommunikation mittels Ansagen mit dem Publikum. Gelebte Misanthropie. Und bei THRONE OF KATARSIS wirkt es authentisch, echt – ja, hier darf jemand mit Herzblut trve sein und wirkt nicht lächerlich, sondern eben – trve.

Die Kommunikation findet also mittels der Musik statt. Diese ist bei THRONE OF KATARSIS herrlich gelebter Frühneunziger-Norwegen-Black Metal, vom Gitarrensound bis zum Snareschlag. Wohlige Schauer kriechen über den Rücken, als mit saftigen Basslines und verzerrter Gitarre BURZUM-Reminiszenzen zelebriert werden. Andächtig lauscht das Publikum der konsequenten Feier, geniesst den Opener The Darkest Path vom Helvete – Det Iskalde Mørket-Output und fühlt den Schrei I am the unholy sin von Grimnisse mit jeder Körperfaser mit.

In der Tat gleicht der Gig einer Black Metal-Andacht, Textzeilen wie The northwind will take me to places unknown, places of ancient times aus dem Song Symbols Of Winter (vom An Eternal Dark Horizon-Debüt) ergreifen. Cleane Vocals à la ULVERs Bergtatt-Zeiten überzeugen und Grimnisse – ein Idealbild von einem wahren Corpsepaint Black Metal-Mann – erweist sich als beeindruckender Frontmann für sein Genre. Er führt durch Frost, The Winds Of Blasphemy und ist subtil präsent, selbst wenn THRONE OF KATARSIS ganz in ihren ausgedehnten Instrumentalpassagen aufgehen.

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Misanthropische Black Metal-Ästhetik: Grimnisse (THRONE OF KATARSIS) 

Das Publikum schätzt dieses bewusst stilistisch eingeschränkte Auftreten. Mit verschränkten Armen werden die Songs von THRONE OF KATARSIS aufgenommen und genossen. Die kurzen Pausen zwischen den Songs werden für beherzten Applaus und Jubel genutzt. Und THRONE OF KATARSIS schliessen ihren Gig entsprechend würdig ab – kein Wort des Dankes, keine Posen, sondern eine Rückkopplung und das wortlose Verlassen der Bühne. Trve as fvck halt. Und aus einem unerklärlichen Grund funktionierts bei ihnen einfach. Geil.

MISTUR
Den Gig der Norweger MISTUR ist ebenfalls auf meiner Ich bin neugierig drauf und es wird mir sicher gefallen-Liste, zumal Gitarrist Stian früher bei WINDIR tätig war und bei COR SCORPII nicht ganz unähnlichen Klängen huldigt. Mti Drummer Kenneth ist zudem ein MYRKGRAV-Mitglied in den Reihen MISTURs, was ebenfalls zur positiven Vorfreudebilanz beiträgt. Also flugs noch ein kultiges THRONE OF KATARSIS-T-Girlie gekauft (Vinyl trage ich sicher nicht über sechs Stunden mit mir herum) und ab zur grossen Rockefeller Bühne.

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Stark WINDIR-inspiriert: MISTUR

Den Anfang des MISTUR-Gigs verpasse ich somit, weil nur ein frühzeitiges Verlassen des THRONE OF KATARSIS-Gigs zu einem pünklichen Erscheinen im oberen Stock geführt hätte. Allerdings – gewisse Unpünktlichkeiten braucht man nicht zu bereuen, und das ist so eine. Die Warnung meiner schwedischen Freundin, MISTUR hätten in Stockholm am INFERNO FESTIVAL-Kick-Off-Konzert nicht überzeugen können, bewahrheitet sich und killt die Positivbilanz.

MISTUR wirken auf der grossen Bühne etwas verloren, haben einen matschigen Gitarrensound erwischt und irgendwie will ihr Folk Black Metal nicht so recht zünden. Klar liegt der Schwerpunkt auf dem Debüt Attende, das unter anderem mit Songs wie Armod oder Skuld vorgestellt wird. An sich ordentliche Songs, angereichert mit WINDIR-inspirierten Keyboardlines, schönem Cleangesang, vereinzelten cleanen Gitarren und dem einen oder anderen Part, der etwas an CRADLE OF FILTH gemahnt. MISTUR vergreifen sich auch noch am Where The Fire Burns-Riff von KNOWHERE (aus dem Jahr 1997), aber das geht eher unter Freak-Zufälle.

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Trotz Feuereffekt zu zahnlos: MISTUR 

Heftiges Headbanging des Sängers Morten, einige Feuerpyrofontänen und normale Ansagen – MISTUR machen ihre Sache nicht schlecht und kriegen höflichen Applaus. Ein Gig, der unter solide abzubuchen ist – allerdings müssen MISTUR aufpassen, dass die süsslichen Kitschklippen ihnen nicht das Genick brechen…

FORTID
Irgendwie ist mir MISTUR nach einer Weile dann doch zu süss und das rechtzeitige Runterwandern ins John Dee benötigt keine grossartige Überwindung. Dort schallt mittlerweile SATYRICONs Now, Diabolical-Platte aus den Boxen. Pünktlich um 19:15 Uhr beginnen FORTID ihren Gig.

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Live lebendiger als auf dem Album: FORTID 

Die isländisch-norwegische Viking / Black Metal-Band beschäftigt sich textlich bevorzugt mit der Völuspà und konzentriert sich bei ihrem INFERNO FESTIVAL-Auftritt ganz auf das Vorstellen ihres aktuellen Albums Völuspà Part III: Fall of the Ages. Keyboarder Gaute erweist sich hierbei als geschickter Gratwanderer zwischen dezenter Untermalung und kurzen, dominierenden Flächen. Egal ob er pausiert oder spielt – vom Kreisbanging schliesst er sich nicht aus und zeigt hierbei wesentlich mehr Kondition als viele seiner Tastenkollegen.

FORTID schaffen es, Songs wie Heltekinn live mehr Leben einzuhauchen, als sie auf der CD haben. Dieser Umstand ist positiv für diesen Gig – zeigt aber gleichzeitig, dass im Studio noch ein Tick mehr dringewesen wäre. Spielerisch sind FORTID indes sowohl live wie auch auf dem Album tiptop und leisten sich keine Patzer. Fans neuerer SATYRICON und ENSLAVED-Platten kommen bei diesem isländisch-norwegischen Zusammenschluss also auf ihrer Kosten und FORTID können einen guten Gig für sich verbuchen.

RAM-ZET

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Zarte Klänge: Sareeta (RAM-ZET) 

Warum Metal-Archives.com RAM-ZET in irgendeiner Weise mit Black Metal in Verbindung bringen, bleibt im Zusammenhang mit ihrem INFERNO FESTIVAL-Gig ein Rätsel. Das norwegische Quintett fällt nämlich ganz klar in die Kategorie schwerverdauliche Gothic Freakshow, die auch am WAVE GOTIK TREFFEN hätte spielen können.

Die drei weiblichen Mitglieder – Sängerinnen SfinX, Keyboarderin Karoline und Violinistin Sareeta – sind so hochgestylt, dass sie in der Oper auftreten könnten. Die männlichen Bandmitglieder Zet, Lanius und Kuth gehen ihnen gegenüber zumindest visuell eher unter und sorgen lediglich für ein Gothic Metal-Fundament von durchschnittlicher Qualität. Basser Lanius zeigt zwar flotte Slap-Qualitäten, nur gehen diese in den restlichen, abgestoppten Riffs unter. Gerade im Gitarrenbereich müssten RAM-ZET viel mehr bieten, um dem progressiven, ambitionierten Schaffen von Gesang, Geige und Keys gerecht zu werden.

Dissonant und bisweilen kakophonisch musizieren sich RAM-ZET durch ihre eher wirr klingenden Songs. Das Geigensolo von Sareeta ist da wesentlich eingängiger und erinnert an norwegische Volksmusik. Währenddessen stehen die anderen Bandmitglieder wie zu Salzsäulen erstarrt mit dem Rücken zum Publikum. Ein interessanter Weg, Solopassagen live umzusetzen und gleichzeitig wohl ein schön-eindrücklicher Moment des Gigs. Settechnisch liegt der Schwerpunkt auf der aktuellen Scheibe Neutralized, die unter anderem mit Addict vorgestellt wird.

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Ausdrucksstark-wirr: SfinX (RAM-ZET) 

Das Publikum reagiert verhalten-positiv auf RAM-ZET. Einige sind fasziniert, andere mitgerissen, wieder andere wenden sich nach einigen Songs ab und geniessen ein teures Bier. Insgesamt hinterlassen RAM-ZET einen durchwachsenen Eindruck. Einerseits handelt es sich zweifelsohne um eine interessante Band mit dem Potential, spannende Avantgarde-Klänge zu kreieren. Andererseits ist die metallisch-gitarristische Seite von RAM-ZET allzu gewöhnlich und gesichtslos. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen sie dennoch. Irgendwie. Nur kann man ihn nicht so richtig werten.

BLODSPOR
Bei BLODSPOR werde ich dann gleich auf eine harte Probe gestellt im John Dee unten. Denn es wird langsam eng – und die Security stellt sicher, dass der Gang zum Ausgang frei bleibt. Schliesslich passen ins John Dee nicht gleich viele Leute wie ins Rockefeller. Was zu einem Dilemma führt, weil die John Dee-Gänger natürlich nicht alle unten bleiben und manchmal auch mehr Leute runterpendeln wollen.

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Trotz gutem Shirtgeschmack (FURZE) ein zu hoher HC-Faktor: BLODSPOR 

Bei BLODSPOR ergreifen indes einige schon mittem im Gig wieder die Flucht, beziehungsweise machen sich auf den Weg nach oben. Die norwegische Truppe ist zwar nicht inkompetent, aber ihr rotziges Death Metal-Geballer inklusive Hardcore-Einschlag ist einfach nicht das Wahre. Vor allem das aggressive Gebrüll erinnert mich wieder daran, dass ich beim Hardcore eigentlich nur das vegane Essen toll finde.

Die norwegischen Ansagen bei BLODSPOR beschränken sich aufs Minimum, Songs wie Slakt oder Bastard Behaviour geben einen Vorgeschmack aufs bald erscheinende Album. Ordentlich gespielt ist der Auftritt, der Sound ist okay, die Band motiviert – nur eben, das aggressive HC-Gebrüll ist schlimmer als als Veganer im Burger King eingesperrt zu sein, wenn die Lüftung ausfällt.

BENEDICTION

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Alt, aber nicht angestaubt: BENEDICTION 

Nach BOLT THROWER anno 2006 sind es nun BENEDICTION, die ihr norwegisches Live-Debüt geben. Wiederum also eine alteingesessene, verdiente Britenband, die von den Norwegern sogleich herzlich begrüsst wird. Diese kriegen daraufhin auch, was sie erwarten – saftige, Traditionskost à la BENEDICTION. Thrashige Parts, D-Beats und eine alte Band, die so gar nicht angestaubt wirkt, sondern motiviert und mit Spass bei der Sache ist.

BENEDICTION greifen auf ihre über 20 Jahre umspannende Diskographie zurück und wildern tüchtig darin herum. Somit ist nicht nur aktuelleres Material von der Killing Music-Scheibe angesagt, sondern auch älteres Liedwerk, etwa Shadow World von der Grind Bastard-Platte aus dem Jahr 1998. BENEDICTION lassen die BLODSPOR-Traumatisierung vergessen und liefern ihren Fans einen guten Gig ab. Und die Fans danken es ihnen – Applaus, Headbanging und reichlich aufgereckte Pommesgabeln heimsen die Engländer als positive Feedback-Bekundungen ein. Angesichts der zuvor beobachteten, drohenden Überfüllung des John Dee zieht es mich indes schon verfrüht ab in den Konzertkeller…

OBSCURA

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Verliert trotz der hässlichsten Gitarre weder Sympathiepunkte noch Töne: Steffen (OBSCURA) 

…denn die erste Reihe muss bei OBSCURA einfach sein. Nach zehn überzeugenden BONECRUSHER FEST-Gigs hat die Faszination noch immer nicht nachgelassen. Just von ihrer US-Tour mit THE BLACK DAHLIA MURDER zurückgekehrt, verspricht der Auftritt der deutschen Death Metal-Band wiederum ein wahrer Genuss zu werden. Niemand dürfte hier eingerostet sein, mit anderen Worten.

Und OBSCURA liefern sie wieder ab, die fulminante Cosmogenesis-Show. Opener ist – sozusagen – der Hit Anticosmic Overload. Zwar ist der Sound in der ersten Reihe nicht optimal, aber weiter hinten leisten OBSCURA einiges an akustischer Überzeugungsarbeit. Über die überragenden musikalischen Kompetenzen dieser Band braucht man eigentlich keine Worte mehr zu verlieren. Jeroens Fretless-6-Saiten-Bassspielereien sind gleichzeitig eigenständig und songdienlich, imponieren und passen rhythmisch perfekt zum Drumming von Hannes. Jeroen bietet also wesentlich mehr als nur Bass-Spiel fürs Auge (wie das etwa bei ORIGIN der Fall ist).

Nach Choir Of Spirits folgt mit Desolate Spheres laut Fronter Steffen – sympathisch-charismatisch wie immer – ein very old song. Statt einem Track vom jüngst durch RELAPSE wiederaufgelegten Retribution-Album folgt Desolate Spheres, daraufhin das starke Infinite Rotation. Gitarrist Christian – diesmal ohne die geblümte Ibanez-Klampfe – vollführt erneut schwindelerregende Soli- und Riffingarbeit, die aber – anders als etwa bei NECROPHAGIST – immer eine Seele und viel Gefühl in sich hat.

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Fantastische Gitarrenarbeit mit viel Gefühl: Christian (OBSCURA) 

Fronter Steffen witzelt darüber, dass er wohl die hässlichste Gitarre des Festivals hätte – angesichts des headless, gelb-beigen Instruments, das er benutzt, muss man ihm Recht geben. Aber am Ende macht der Ton die Musik – und wenn ein Gitarrist von OBSCURA auch die hässlichste Klampfe der Welt hat, so wird die Mucke dennoch wunderschön.

Als sechsten Track gibt es The Hannes Grossmann Experience. Ein Drumsolo. Woah. Wohl seit Jahren keins mehr gesehen, das einzige, was mir in Erinnerung bleibt, ist dasjenige von Dave Lombardo – und das ist Ewigkeiten her (zu einer Zeit, als er bei GRIP INC. spielte und es so gar nicht gut mit SLAYER hatte). Hannes, der sich ebenfalls die Sporen bei NECROPHAGIST abverdient hat, zeigt einen Ausschnitt seines Könnens – und soliert definitiv interessanter als so mancher andere Drummer. Klar ist dieser Stunt auch eine tolle Werbung für seinen Online-Drumunterricht – und am INFERNO FESTIVAL positioniert sich Hannes nicht nur mit diesem Solo als bester Vertreter seines Fachs.

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Eigenständiges Fretlessflitzen: Jeroen (OBSCURA) 

Danach ist es Zeit für The Universe Momentum und OBSCURA geben sich nochmals voll dem Geist des Cosmogenesis-Albums hin. Das Publikum reagiert mehr als positiv, der hohe Frauenanteil macht sich kreischend bemerkbar und die Herren der Schöpfung können angesichts der gebotenen Qualitätsmetalmucke nicht schnöden. Vor dem letzten Song fragt Steffen in das vollgepackte John Dee: IHSAHN plays in 20 minutes, what are you all doing down here?, was mit Jubel und Geklatsche quittiert wird. Frühzeitig abhauen tut hier niemand – denn sonst würde man ja auch noch das sagenhafte Centric Flow verpassen. Dem Reiz des Schlussriffs kann wohl niemand wiederstehen, kollektives Exstase-Headbanging ist angesagt um OBSCURA zu huldigen – was für eine Band!

IHSAHN

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Interessante Akzente: IHSAHN 

Vom OBSCURA-Taumel wirr, schafft man es knapp nicht auf den IHSAHN-Gig nach oben ins Rockefeller. Das Treppennadelöhr verhindert es und im grossen Saal wird klar, dass mit dem IHSAHN-Auftritt ein Festivalhöhepunkt erreicht ist. Unvergessen der Auftritt EMPERORs an gleicher Stelle vor vier Jahren, der Gig eines Jahrzehnts. Nun ist IHSAHN allein, beziehungsweise mit seinen Musikern, wieder da und verwöhnt das Publikum mit Stücken seiner drei Post-EMPEROR-Alben The Adversary, angL und After.

Die Mitmusiker IHSAHNs sind professionell bis zum Saitenende und die zeitweise Acid Jazz-artigen Saxofon-Einlagen versprühen mal eine seltsam-düstere Atmosphäre à la TULUS, mal denkt man eher an den Soundtrack von Lethal Weapon. Soundtechnisch gibt es bei IHSAHN nichts zu mäkeln und die Gitarrenarbeit ist wie immer absolut superb – und das, obwohl Herr IHSAHN mehrmals seine Brille zurechtrücken muss (andere Gitarristen wären schon ohne diese Zwischenhandlung extrem gefordert durch das Gebotene). Auch die Kunststücke auf der achtsaitigen Klampfe sind nicht ohne und lassen bei anwesenden Gitarristen die Fachsimpelnerven zucken. Nicht nur die Brillen-Geste verleiht dem Auftritt eine (ab)gehoben-intellektuelle Note, auch IHSAHNs fast schon formelles Bedanken bei seinen Musikern am Ende des Gigs erinnert mehr an ein klassisches oder Jazz-Konzert als einen verschwitzten Metalgig, wo die Schweissperlen an den geschwungenen Matten die Bandverbrüderung signalisieren.

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Der Meister in seinem Element: Ihsahn 

IHSAHNs Auftritt wird zudem durch die Lichtshow perfekt in Szene gesetzt und wenn die cleanen Vocals erklingen, sind wehmütige Erinnerungen an EMPEROR schmerzhaft präsent. Die an diesem Abend angewandte Setliste spricht indes für sich: The Barren Lands, A Grave Inversed, Misanthrope, Scarab, Emancipation, Invocation, Called By The Fire, Unhealer, Frozen Lakes On Mars und On The Shores – alles Beweise dafür, dass IHSAHN ein grossartiger Musiker und die Rockefeller Bühne sein Heimspielfeld ist.

RAGNARÖK
Sich IHSAHN ganz anzugucken und dann noch was von RAGNARÖK mitzubekommen, gestaltet sich als ein Ding der Unmöglichkeit. Das John Dee ist mittlerweile schon so voll, dass die Securities den Zugang runter zum Club schlicht und ergreifend abgesperrt haben und niemanden mehr runterlassen. Als Journalist kommt man trotzdem noch rein, doch angesichts des vollgepackten Clubs wird man rasch von klaustrophobischen Gefühlen ergriffen.

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Black Metal-Blasphemator: HansFyrste (RAGNARÖK) 

Vom Raumesrand lässt sich immerhin konstatieren, dass die norwegische Black Metal-Truppe das volle Programm liefert bezüglich Corpsepaint, Blut und antichristlicher Überzeugungskraft. Der Sound ist okay und das aktuelle Album Collectors Of The King wird würdig vorgestellt. Allerdings werden die feiernden Trve-Fans wohl spätestens dann auf eine harte Gewissensprobe gestellt, wenn es gilt, RAGNARÖK frühzeitig zu verlassen um sich einen guten Platz für MAYHEM zu sichern.

MAYHEM

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Ohne totes Getier geht nix: Attila Csihar (MAYHEM) 

Keine Black Metal-Band ist so mysteriös, sagenumwoben und skandalös wie MAYHEM. Keine Band so tragödienbehaftet, so legendär – und wenn IHSAHN für die Schöngeister unter den Black Metallern einer der Höhepunkte war, so ist es der MAYHEM-Auftritt, dem alle entgegenfiebern. Die Shirtdichte spricht überdeutlich für MAYHEM und plötzlich tauchen Black Metal-Promis im Publikum auf. Während die Bühne umgebaut und aufgebaut wird, taucht etwa Gaahl im Publikum auf. Eine Aura des Unnahbaren umgibt ihn, selbst wenn er kurz auf die Toilette verschwindet. Hvàll von WINDIR / VREID ist anwesend und selbst IHSAHN ist Mensch und findet sich im Publikumsraum ein. MAYHEM haben mit ihrer Show im Vorfeld schon für Skandal und Rauschen im Blätterwald gesorgt, längst spielen sie das Medienspiel gekonnt und zu ihren Gunsten.

Rein vom Bühnenbild her werden MAYHEM ihrer Rolle des Festivalhöhepunkts gerecht. Dass Karfreitag ist, spielt den norwegischen Satansbraten natürlich ins Konzept – wenn schon Blasphemie, dann aber richtig, und zwar heute. Also werden sie aufgestellt – Skelette, Dämonen, eine Komplettverhüllung des Drumkits, Pyrotechnik, Schafott. MAYHEM erhalten ihr eigenes Universum auf der Bühne und die Norweger lassen sich nicht lumpen, um ihr Heimspiel so furchterregend zu gestalten wie möglich.

Und das gelingt ihnen gleich mehrfach. Zum einen ist die Setliste absolut würdig gewählt und könnte besser nicht sein: MAYHEM spielen das gesamte (!) Meisterwerk De Mysteriis Dom. Sathanas und das Nötige von Deathcrush. Fulminant. Die Liederwahl somit perfekt: My Death, Ancient Skin, Time to die, Illuminate, Anti, Silvester Anfang, Deathcrush, Bombs, Carnage, View From Nihil, Funeral Fog, Freezing Moon, Cursed to Eternity, Pagan Fears, Life Eternal, From the Dark Past, Buried by Time and Dust, De Mysteriis dom Sathanas. De Mysteriis Dom. Sathanas in seiner Vollständigkeit in Norwegen live erleben – mehr Black Metal geht praktisch nicht (ausser DARKTHRONE sollten mal A Blaze In The Northern Sky live darbieten, aber das wird es nicht geben). Rein vom Trveness-Faktor kann man die Songauswahl also nur in die Hölle loben.

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Überzeugender Satanspriester: Attila Csihar (MAYHEM) 

Doch MAYHEM waren noch nie eine Band, die nur von der Musik allein lebt. Die Performance ist aufwendig, satanisch, erschaudernd. Mittelpunkt ganz klar Attila Csihar – der einzig lebende, die frühen Tage miterlebende Sänger der Band. Sein Gesicht zugeschminkt bis zur absoluten Unkenntlichkeit, sein Messdienergewand erinnert an einen Mumienpapst und das Weihrauchschwenkding tut sein übriges. Sein Gebaren erinnert an eine grausige Messe und Attila spielt souverän mit Blut, Feuer und dem Belzebub.

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MAYHEM – die ungeschönte karnivorische Kraft des Black Metals

Ohne totes Getier geht bei MAYHEM selbstredend nix und so erstaunt es nicht, dass Attila auch ein Tiergerippe inklusive Fleisch dran in seine Performance einbindet. Er schwenkt das Tiergerippe, hält es zu seinem Mikrophon, scheint in die Rippen hineinzukreischen, zu flüstern, zu beschwören. Irgendwann nimmt er das Gerippe – ein halbes Rind dürfte es sein – und wirft es mit Schwung ins Publikum. Die Meute – und selten war dieser Ausdruck für ein Metallerpublikum so zutreffend – wirft sich auf das Fleischstück. Zerrt daran, reisst es auseinander, zerfleischt es – und nicht wenige schwingen kurz darauf das eroberte Fleischstück in die Höhe, um MAYHEM zu huldigen. Die ungeschönte karnivorische Kraft des Black Metals.

Attila belässt es nicht bei einem Fleischstück, es gibt Nachschlag. Und das Publikum geht zumindest in den vorderen komplett berserk. Die älteren Semester in den hinteren Reihen sind fasziniert, beglückt und entrückt. MAYHEM zeigen, dass sie es noch immer drauf haben und gegen ihre jungen, aufstrebenden Performance-Konkurrenten WATAIN sehr wohl bestehen können.

Die Mitmusiker Attilas fallen gegenüber ihm, dem Zentrum, dem Zeremonienmeister, visuell zurück. Ja, sie wirken beinahe wie normale Fremdkörper in der bizarren Bühnenwelt des Satanspriesters. Spielerisch gibt es im Saitendepartement nichts zu monieren, MAYHEM wissen, was sie tun. Einziger Wehrmutstropfen ist Hellhammer. Zum einen sieht man den Drummer nicht und fragt sich angesichts des schrecklichen Triggersounds, ob er überhaupt auf der Bühne ist. Ist es ein Drumcomputer, den man zu hören kriegt, oder ist es der ehemals grosse Hellhammer?

Ja, ehemals. Denn Hellhammers Drumming ist im Vergleich zu früher so schlecht, dass er sich vielleicht zurecht in den Schatten der Bühnenaufbauten verschanzt, verbirgt. Wenn Trigger dazu beitragen, dass man nicht nur nicht mehr metal ist, sondern auch technisch sein Drumming verschlechtert, dann liefert Hellhammers Performance an diesem Abend die beste Beweisführung dazu. Vergleicht man Hellhammer mit dem technisch stärksten Drummer des Festivals – Hannes Grossmann (OBSCURA) – dann muss sich der norwegische Trommler nach Strich und Faden vorführen lassen und geschlagen geben. Zudem ist es ärgerlich, dass MAYHEM so einen unnatürlichen Drumsound überhaupt zulassen – wie kann man nur De Mysteriis Dom. Sathanas mit Triggern verhunzen? Wie? Ausserdem gäbe es mit Frost einen Drummer, der das viel besser könnte – das 1349-Cover von Buried By Time And Dust beweist es!

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Das gesamte Meisterwerk De Mysteriis Dom. Sathanas plus aufwendige Performance: MAYHEM vergisst man nicht 

Doch Trigger hin oder her, MAYHEM steuern ungebremst – mit Pyros und Effekten – auf das Ende ihrer Performance zu. Auf den Höhepunkt. Und da lässt Attila nochmals die Karfreitagsaktualität aufblitzen und sich kurzerhand von zwei Henkern ans Kreuz nageln. Nailing the (un)holy one, kann man da als NECROPHOBIC-Fan nur schreien. Attila am Kreuz und die fleischgenährte Meute reagiert mit Blitzlichtgewitter und Handydisplay-Leuchten. Die letzten Kreischer werden getan, die letzten verzerrten Gitarren heulen auf, die letzten Feuer und Feuerwerke zünden und erhellen – und der Vorhang fällt. THE TRUE MAYHEM.

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Samstag, 03.04.2010AS

Die Nacht nach MAYHEM wird lang. Obwohl sich die Hotelgäste wohl daran halten, keine externen Partygäste einzuladen, wird fleissig in den Hotelzimmern gefeiert. Gaahl ist mal im Lift anzutreffen, genauso wie am nächsten Morgen ne leere Bierflasche. Dennoch – mit Schlammschlachten, Dixiklos und weiteren Festivalannehmlichkeiten hat dieses gediegene Feiern wenig zu tun und das nächtliche Treiben in den öffentlichen Teilen des Hotels kann man noch immer als gesittet bezeichnen.

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Üppiges Merchandiseangebot am INFERNO FESTIVAL 

Am Samstagmorgen merkt man vielen den Kater beim Frühstücksbüffettreiben noch an. Gut gelaunt erscheinen DEATH ANGEL und erzählen am Nebentisch davon, dass ein Mobiltelefon irgendwo auf der Reise verloren gegangen sei. Nach dem Frühstück zieht es einige in den Wellnessbereich, um im warmen Schwimmbecken die Nackenmuskeln von den gestrigen Anstrengungen zu entspannen und sich für das Treiben am letzten Festivalabend vorzustärken.

COMO MUERTOS

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Blut, Splatter, Corpsepaint und Death Metal: COMO MUERTOS 

COMO MUERTOS eröffnen den letzten Festivaltag auf der kleinen John Dee-Bühne. Der Club ist noch reichlich leer für den Gig der Franzosen, die so ungewollt zum Opfer der Festivalmüdigkeit werden. Oder aber gewisse Leute haben das MAYHEM-Fleisch noch nicht verdaut, wer weiss. Ein disharmonisches Streicherintro läutet den Gig von COMO MUERTOS ein, die sich passend in Schlachtermontur à la Texas Chainsaw Massacre präsentieren. Sänger El Maestro fuchtelt die ganze Zeit mit einer Machete herum, die er sicher nicht im Handgepäck transportiert hat. Rein vom Auftreten her werden unweigerlich Erinnerungen an HAEMORRHAGE wach, selbst wenn El Maestro nicht so irr aus der Wäsche blickt.

Musikalisch bieten COMO MUERTOS Death Metal, der ordentlich groovt und zumindest die erste Reihe zum Mitmachen motiviert. Einen gewissen Death n`Roll-Faktor hat die Mucke der Franzosen, die keine grosse Interaktion mittels Ansagen mit dem Publikum pflegen. Parallelen zu DISMEMBER oder ENTOMBED werden hier und da wach, während COMO MUERTOS ihre beiden EPs mit Songs wie Demembrado A Machetazos, Salidos De Tierra, Necrotista, Cronica Del Dolo, Decapitados, Matalos und dem abschliessenden Como Muertos chronologisch vorstellen.

Musikalisch hinterlassen COMO MUERTOS keinen bleibenden Eindruck, trotz solider Performance. Hinsichtlich Bühnenrequisiten, Bemalung und Bewaffnung gibt die Band indes mehr her – hoffentlich ziehen die Franzosen auch in Sachen Songwriting nach…

ÅRABROT

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Trotz interessantem Equipment gähnend langweilig:  ÅRABROT

Mit Spannung gilt es dann, die mysteriösen ÅRABROT auszukundschaften, die am letzen Tag die grosse Rockefeller-Bühne entjungfern. Die norwegische Band verfügt über imposantes Old School-Synth-Equipment, was gespannte Vermutungen bezüglich Soundexperimente zulässt. Leider kommt es anders…

…denn ÅRABROT sind eine ritualistische Endlosschlaufe der Langeweile. Nicht enden wollendes Bassgewaber, Sampleödnis und Rauschen beherrschen den Gig der Norweger. Der Gitarrist und Bassist sind halbnackt auf der Bühne und vollführen einen minimalistischen Metalausdruckstanz, der wohl Gefühle ausdrücken soll. Mal doomiger, mal schneller rauscht die Band durch ihre Tonflächen, von denen absolut nichts hängen bleibt. Ansagen gibt es keine und – Überraschung – ÅRABROT spielen genau einen langen, langen, langen Song, den man als Black Metal auf Valium bezeichnen könnte.

Das Publikum – weitaus spärlicher vorhanden als am Tag zuvor – hat am Anfang noch Geduld mit der Band. Mehr und mehr verzieht sich das Volk jedoch – lieber nochmals was zu mampfen holen, ein teures Bier schlürfen, draussen eins rauchen und die Energie für später sparen. Denn ÅRABROT sind wie ein nicht enden wollender Kunstfilm, wo man sich nach einer Stunde sagt, ihn doch noch weiterzuschauen, weil – es könnte ja noch was passieren. Aber bei ÅRABROT passiert garantiert nix. Höchstens schläft einem das Gesicht ein.

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Ein(song)öde: ÅRABROT

Plötzlich ist es fertig – diesen Teil hat die Band offenbar sehr gut geübt, vielleicht folgen sie aber auch nur einem geheimen Zeichen, damit sie alle gleichzeitig aufhören. Meine Leidesgenossin neben mir schaut mich an und fragt Is it just me, or do they suck?. Das oder die Aussage des Fotografen, das seien wohl SIGUR ROS, die Black Metal machen wollen – ÅRABROT sind ein Griff ins Klo.

SARKOM

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Hat die Meute fest im Griff: Sänger Unsgaard (SARKOM) 

Dass das John Dee schon vor Beginn des SARKOM-Gigs rappelvoll ist, überrascht nicht. Zum einen flüchtet die Meute vor der ÅRABROT-Gehörlähmungstraumatisierung. Zum anderen versprechen SARKOM klare, kalte Black Metal-Kost ohne Schnörkel – und das beginnt schon bei ihrem Horrorfilm-affinen Intro und dem Stillstehen in Corpsepaint, Nieten und antichristlicher Pose. Einfach nachvollziehbar, effektiv – genau wie das Black Metal-Gebretter, das darauf folgt. Hoch ist die Dichte an MAYHEM– und SARKOM-Shirtträgern und die norwegische Truppe erhöht letzteres noch dadurch, dass sie Gratisshirts ins Publikum wirft.

Doch auch ohne diese grosszügige Geste werden SARKOM mit johlendem Applaus gefeiert, beklatscht und mit reichlich Headbanging während den schleppenderen Parts ihrer Songs bedacht. SARKOM erinnern nicht selten an die neueren Werke DARKTHRONEs und das wird vom Publikum im John Dee mehr als goutiert. Die norwegische Black Metal-Truppe berücksichtigt Stücke ihrer neuesten EP To Ruin Something That Was Never Meant To Be, sowie der Bestial Supremacy und Aggravation Of Mind-Alben, spielt trotz allzu dröhnend abgemischter Vocals ordentlich und braucht die Menge praktisch nicht durch zusätzliche Motivationsreden anzufeuern.

SARKOM bleiben hierbei streng innerhalb der genrespezifischen Grenzen. Typische Black Metal-Leads, keine harmonischen Experimente, effektive Stampfparts und hier und da ein CELTIC FROST-Uh von Chefkreischer Unsgaard.

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In The Shadow Of The Horns gecovert und reüssiert: SARKOM 

Dieser kriegt Hilfe eine Gastsängers für das einzige Coverstück, das SARKOM an diesem Abend spielen: In The Shadow Of The Horns von DARKTHRONEs wegweisenden Meisterwerk A Blaze In The Northern Sky. Und wenngleich SARKOM keine herausragende Black Metal-Truppe sind: Dieses Cover bringen sie absolut astrein. Dreckig, schwarzmetallisch, mit Feuer im Hintern – so muss es sein. Das Publikum ist zurecht begeistert – und ich will nicht wissen, wie hoch die Gebote der INFERNO FESTIVAL-Organisatoren an DARKTHRONE für einen Auftritt gehen…

IRR

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Ungewöhnliches Aussehen reicht nicht: IRR

Danach ist es Zeit, etwas beim Vietnamesen um die Ecke zu essen und ein äusserst interessantes Gespräch mit dem/der wohl einzigen Transexuellen am Festival zu führen – nur um gegen Viertel vor neun rechtzeitig für IRR zurück zu sein. Das Trio aus Trondheim wirkt auf den ersten Blick befremdlich – Lendenschurz und Dreadlocks gehören nicht zur metallischen Standardausrüstung.

Musikalisch klingen IRR bisweilen wie PRIMUS, wenn sie Black und Death Metal machen würden. Leider harzt es bei den Norwegern vor allem im Drummingbereich und den Songs Industrial Idolatry, Chaos Theory, Streets Of Vengeance, Hate Incarnated und Mines Of Azeran fehlt es am gewissen Etwas und der nötigen Durchschlagskraft. So geben sich IRR redlich mühe, irre toll ist ihr Gig jedoch nicht – sondern leider eher im unteren Durchschnittsbereich anzusiedeln. Visuell einigermassen interessant, aber musikalisch muss noch viel mehr passieren im Hause IRR.

DESTRÖYER 666
Diesen Vorwurf müssen sich DESTRÖYER 666 schon mal nicht gefallen lassen müssen – denn bei den nach Holland umgesiedelten Australiern läuft definitiv genug, dass musikalisch für Spannung gesorgt ist. Mit schnittigen BC Rich-Gitarren ausgestattet bieten DESTRÖYER 666 von der ersten Minute an zackiges Geholze. Auf Showeffekte verzichten DESTRÖYER 666 – es ist, als wäre nach dem üppigen Performancemahl MAYHEMs am Vorabend die Fastenzeit eingekehrt. Das Quartett verzichtet auf Positionswechsel und wirkt deswegen etwas hüftsteif – mal abgesehen vom reichlich vorhandenen Riffbrettgeflitze.

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Routiniertes Geholze mit pfeilschnellen Soli: DESTRÖYER 666 

Settechnisch berücksichtigen DESTRÖYER 666 alle ihre Full Length-Alben und bieten einen ausgewogenen Songmix, der dem Publikum im Rockefeller gefällt: Rise of the Predator, Breed, The Last Revelation, Sons Of Perdition, Blood for Blood, Australian and Anti-Christ, Satan`s Hammer, I Am Not Deceived, Black City – Black Fire und I Am the Wargod schaffen es auf die abendliche Setliste und einige schmutzige Parallelen zu alten BATHORY und VENOM verhindern, dass die Aussieband zu sauber rüberkommt. Alles in allem ein anständiger Gig der routinierten Truppe.

EXUMER

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80er Thrash Metal Maniacs: EXUMER 

Nach einem Omen-mässigen Intro legen EXUMER aus Frankfurt mit ihrem Track Winds of death los. Das John Dee ist prall gefüllt, viele wollen die Deutschen, die noch aus einer Zeit stammen, als man von Speed Metal sprach, unbedingt live erleben und sich in die Vergangenheitsspirale ziehen lassen. Der erste Track erinnert – nicht nur vom Namen her – an SLAYER und EXUMER liefern diesem Fingerzeig in Richtung amerikanisches Vorbild tüchtig Futter während ihres gesamten gigs.

Sänger Mem von Stein ist mit Herzblut und intensiver Mimik bei der Sache. Auch der Rest EXUMERs versucht, die kleine Bühne so effektiv wie möglich zu nutzen und sich Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Songtechnisch berücksichtigen EXUMER sowohl ihre 80er-Jahre Vergangenheit wie auch die Wiederauferstehungszeit anno 2009: Winds of death, Journey to oblivion, Fallen saint, I dare you, Waking the fire, A mortal in black, Xiron Darkstar, Destructive Solution und Possessed by fire, alle finden sie Platz auf der Setliste. Das Publikum ist von der mit Überzeugung gebotenen Retrokost begeistert, wildes Headbanging zieht sich von der ersten bis zur dritten Reihe und es ist klar, dass hier alle den 80er Thrash Maniac in sich so richtig raus lassen wollen.

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Energiereicher Gig: Mem von Stein (EXUMER) 


EXUMER
geben spielerisch keinen Anlass dazu, die Begeisterung zu mindern und es ist klar, dass hier bereits Aufwärmarbeit für den DEATH ANGEL-Gig später an diesem Abend geleistet wird. Gitarrentechnisch passt alles, die Rhythmsektion hat den Takt im Griff und das Publikum im vollgestopften, warmen John Dee ist zurecht hin und weg von der gebotenen Performance. Starker Auftritt!

THE KOVENANT

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Sexy Uniform und tolle Stimme: Sarah Jezebel Deva (THE KOVENANT) 

Während die Die Hard-Thrasher den EXUMER-Gig fertig geniessen, zieht es die meisten wieder nach oben ins Rockefeller zwecks Platzsicherung für den THE KOVENANT-Spezialgig. Nexus Polaris heisst das Motto, mit anderen Worten: Nagash und seine Truppe haben wieder zusammengefunden, um dieses legendäre Album ihrer Karriere – damals noch unter dem Namen COVENANT – in seiner Vollständigkeit live darzubieten.

Im Vorfeld wurde dieser Gig sicherlich als Sensation gehandelt – nach dem krass überzeugenden MAYHEM-Gig vom Vorabend – aufgewertet durch das vollständige Performen von De Mysteriis Dom. Sathanas – dürften MAYHEM ihren Landsgenossen den Sensationsgehalt indes vor der Nase weggeschnappt haben. Dennoch – viele erwarten den Auftritt von THE KOVENANT ungeduldig, denn er atmet Exklusivität. Meinereiner erwartet den Nostalgietrip – unvergessen das damalige Konzert im Z7, als THE KOVENANT mit CHILDREN OF BODOM beide als Vorgruppen am früheren Abend spielten.

THE KOVENANT – und allen voran Nagash – sind sich des Exklusivfaktors ihres Auftritts bewusst. Sichtlich geehrt begrüsst der erschlankte und konzentriert wirkende Nagash das klatschende Publikum. Die Bühne in Blau, Frau Sarah Jezebel mit erotischer-dominanter Uniform inklusive edel aussehenden Strapsen (ja, das geht – was für eine geile Frau!) und dazu Nexus Polaris. Der Introsong, der just für diesen Abend geschrieben wurde, kann man unter nett, aber belanglos archivieren, sobald jedoch das Nexus Polaris-Universum zu klingen beginnt, herrscht Verzückung im vollgepackten Rockefellersaal.

The Sulphur Feast, Bizarre Cosmic Industries, Planetarium, The Last of Dragons, Bringer of the Sixth Sun, Dragonheart, Planetary Black Elements und Chariots of Thunder – alle Songs spielen THE KOVENANT und heimsen Applaus und Gejohle ein. Als Nagash Keyboarder Svert vorstellt und dessen Stammband ARCTURUS erwähnt, erntet er positives Feedback hierfür – keine Frage, gegen eine ARCTURUS-Show hätte wohl auch niemand was. Bizarrerweise sieht man während der THE KOVENANT-Show Drummer Hellhammer (MAYHEM) sehr wohl, wenngleich er eine weisse Maske trägt. Merkwürdig, dass er sich mit THE KOVENANT sehen lässt, sich bei MAYHEM indes versteckt. Also doch ein bisschen Scham über den Triggergebrauch bei MAYHEM?

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Auf dem Vergangenheitstrip: Nagash (THE KOVENANT) 

Nagash führt durch die Setliste, Sarah Jezebel zeigt sich gesanglich stark und die Band überspielt kleinere Unsicherheiten. Man merkt, dass hier keine Band am Werk ist, die durch wochenlanges Touren perfekt aufeinander abgestimmt ist, wenngleich THE KOVENANT einen guten, stimmungsvollen Gig hinlegen. In die Vergangenheit entführt dieser auf jeden Fall – was zu einem grossen Teil dem Gesang von Sarah zu verdanken ist. Und doch, THE KOVENANT schaffen es, dass man diese Zeit vermisst und die Wertschätzung für Nexus Polaris erhalten bleibt.

NECROPHAGIST
Irgendwo zwischen Treppe und John Dee treffe ich auf zwei ehemalige NECROPHAGIST-Mitmusiker. Die Möglichkeit, den Gig der todesmetallischen Technikfanatiker in der Gegenwart zweier fachkundiger Musiker zu verbringen, die diese Musik auch selber spielen können, lasse ich mir nicht entgehen – und so wird dieser NECROPHAGIST-Gig wohl zum merkwürdigsten Auftritt, den ich von dieser Truppe je erlebt habe. Denn wer mal bei NECROPHAGIST gespielt hat, vergisst die Mucke offenbar nicht und lebt sie noch immer mit. Und zwar in absolut jedem Einsatz, immer. Wenn mich die Musik NECROPHAGISTs vorher schon nervös gemacht hat, so wird sie in dieser auserwählten Gesellschaft zur gelebten akustischen Hyperaktivität. Zudem sind NECROPHAGIST wohl die einzige Band am INFERNO FESTIVAL, die ihre Ersatzbank sozusagen bei sich hat. Falls jemand ohnmächtig wird. Oder sowas.

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Kalte Perfektion: Muhammed (NECROPHAGIST) 

Doch ohnmächtig wird gar niemand. Frontmann Muhammed – gewohnt kalt und distanziert – hat sich das blonde Haar wachsen lassen, während Basser Stefan und Gitarrist Sami kahl tragen. Visuell herrscht also auf jeden Fall Symmetrie und settechnisch gibts es eine gewohnt flirrend-imponierende Technikwerkschau aus Onset Of Putrefaction und Epitaph-Stücken: Foul Body Autopsy, The Stillborn One, Epitaph, Fermented Offal Discharge, Seven, Ignominious And Pale, Intestinal Incubation, Only Ash Remains, Diminished To Be und Stabwound werden dem norwegischen Publikum in gewohnt makelloser, ja fast schon klinisch toter Façon präsentiert.

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Anspruchsvolle Basslines: Stefan (NECROPHAGIST) 

Während die technisch vergleichbar anspruchsvollen THE FACELESS während ihrer BONECRUSHER FEST-Zeit doch mehr und mehr auftauten, sind NECROPHAGIST ganz der Symmetrie verwurzelt und heimsen den Respekt und die Sympathie (vielleicht ist es auch Furcht) des Publikums rein durch ihr spielerisches Können ein. Merkwürdig indes, dass ihre Setliste keinen einzigen neuen Song beinhaltet – zwischen Onset Of Putrefaction und dem imponierenden Epitaph lagen fünf Jahre, aber nach sechs Jahren kein einziger neuer Song in der Setliste? Da fragt man sich schon, was in Sachen Songwriting im Hause NECROPHAGIST abgeht…

Den Norwegern imponiert die Vorstellung auf jeden Fall. Viele stehen gebannt da, beobachten Muhammeds Finger übers Griffbrett flitzen und Samis klare Umsetzung des restlichen Riffings. Der Gig zeigt erneut, dass nur wenige NECROPHAGIST spielerisch-technisch das Wasser reichen können – aber mir fehlt einfach das 80er Jahre-Metallerfeeling im Gitarrenspiel und im Gesamtbild das Menschliche, die Seele, das Feuer. Und irgendwie bezweifle ich, dass diese Qualitäten auf der nächsten Scheibe plötzlich auftauchen werden…

DEATH ANGEL

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Bay Area Thrash at its best: DEATH ANGEL 

Das zuvor vermisste Feuer, die Seele und die Leidenschaft haben sich eindeutig ins Rockefeller rauf verzogen. Zwar sind schon zahlreiche Festivalbesucher bereits gegangen – leicht kommt man nun nach vorn zur Bühne, wo DEATH ANGEL um den würden Abschluss des INFERNO FESTIVALs besorgt sind. Und zwar genau mit den drei eingangs erwähnten Qualitäten.

Wie schon am JALOMETALLI FESTIVAL letztes Jahr sind DEATH ANGEL das Schlusslicht. Allerdings ist das gebotene Bay Area Thrash Metal-Feuerwerk derart frisch, knackig und feurig, dass man das Gefühl hat, der Abend habe erst begonnen und sämtliche eigene Energiebatterien seien noch komplett voll. DEATH ANGEL sind voller Energie, brettern ihre Thrash Tracks runter, als gäbe es kein Morgen und demonstrieren grad noch, wie man das mit dem Timing, den Breaks und dem flotten Riffing mit tüchtig Rock`n Roll-Feeling macht.

Spielerisch und von der Performance her ist sowieso alles in Butter im Hause DEATH ANGEL. Die Setliste der Kalifornier lässt keine Wünsche offen und sowohl Fans der Ultraviolence-Ära wie auch der neueren Zeiten kommen auf ihre Kosten: Lord Of Hate, Evil Priest, Buried Alive, Voracious Souls, Dethroned, Kill As One, Seemingly, Stop, Mistress Of Pain, Falling Asleep (bei diesem Gig sicherlich niemand), Thrown, The Ultraviolence – Carnival, 3rd Floor und River Of Rapture sorgen für eifriges Headbanging, exzessives Luftgitarrenspielen selbst bei gestandenen Gitarristen (die ja eigentlich zu ernst dafür sein sollten) und freudige Metaller.

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Volle Power mitten in der Nacht: Mark Osegueda (DEATH ANGEL) 

Die Energiebündel von DEATH ANGEL geben nochmals alles, zeigen, wie man mit viel Leidenschaft Thrash Metal at its best abliefert – und schliessen das INFERNO FESTIVAL weit nach zwei Uhr morgens stilvoll und perfekt ab. Ein wahres Festival Inferno des Metals!

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Fotos: Andreas Szabo
Layout und Bericht: Arlette Huguenin Dumittan

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